Die Woche drauf kam des Hofrath Fischers Be- dienter zu Kronhelm, als Siegwart eben bey ihm auf dem Zimmer war, und lud ihn zum künftigen Winterkonzert ein. Können Sie mir nicht sagen, setzte er hinzu, wo Herr Siegwart wohnt? Jch soll auch zu ihm. O ja, antwortete Kronhelm; hier ist Herr Siegwart selbst. Der Bediente richtete eine Empfehlung an ihn vom Hofrath Fischer aus, und sagte ihm, der Herr Hofrath würde ihn auch gern im Koncert sehen, weil er gehört habe, daß er die Violine und die Flöte spiele. Siegwart wuste nicht, was er in der Verwirrung antworten sollte? Machte viele Komplimente, und sagte zu. Als der Bediente weg war, sagte er zu Kronhelm. Es ist mir nur halb lieb, daß ich zugesagt habe; der Hof- rath möchte glauben, er erweise mir eine grosse Gnade, und Gnaden nehm ich eben nicht gern an. Kronhelm zeigte ihm, daß das Grillen wären; man müste in der Welt nicht alles so genau neh- men etc. und beruhigte ihn. Jm Grunde freute sich Siegwart über den Antrag sehr; er wollte sich nur recht gleichgültig bey der Sache stellen, um de- sto weniger entdeckt zu werden. Am Sonntag sah er seine Mariane in der Kirche wieder; sie ent- zückte ihn immer mehr, und einigemal glaubte er
Die Woche drauf kam des Hofrath Fiſchers Be- dienter zu Kronhelm, als Siegwart eben bey ihm auf dem Zimmer war, und lud ihn zum kuͤnftigen Winterkonzert ein. Koͤnnen Sie mir nicht ſagen, ſetzte er hinzu, wo Herr Siegwart wohnt? Jch ſoll auch zu ihm. O ja, antwortete Kronhelm; hier iſt Herr Siegwart ſelbſt. Der Bediente richtete eine Empfehlung an ihn vom Hofrath Fiſcher aus, und ſagte ihm, der Herr Hofrath wuͤrde ihn auch gern im Koncert ſehen, weil er gehoͤrt habe, daß er die Violine und die Floͤte ſpiele. Siegwart wuſte nicht, was er in der Verwirrung antworten ſollte? Machte viele Komplimente, und ſagte zu. Als der Bediente weg war, ſagte er zu Kronhelm. Es iſt mir nur halb lieb, daß ich zugeſagt habe; der Hof- rath moͤchte glauben, er erweiſe mir eine groſſe Gnade, und Gnaden nehm ich eben nicht gern an. Kronhelm zeigte ihm, daß das Grillen waͤren; man muͤſte in der Welt nicht alles ſo genau neh- men ꝛc. und beruhigte ihn. Jm Grunde freute ſich Siegwart uͤber den Antrag ſehr; er wollte ſich nur recht gleichguͤltig bey der Sache ſtellen, um de- ſto weniger entdeckt zu werden. Am Sonntag ſah er ſeine Mariane in der Kirche wieder; ſie ent- zuͤckte ihn immer mehr, und einigemal glaubte er
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Die Woche drauf kam des Hofrath Fiſchers Be-
dienter zu Kronhelm, als Siegwart eben bey ihm
auf dem Zimmer war, und lud ihn zum kuͤnftigen
Winterkonzert ein. Koͤnnen Sie mir nicht ſagen,
ſetzte er hinzu, wo Herr Siegwart wohnt? Jch ſoll
auch zu ihm. O ja, antwortete Kronhelm; hier iſt
Herr Siegwart ſelbſt. Der Bediente richtete eine
Empfehlung an ihn vom Hofrath Fiſcher aus,
und ſagte ihm, der Herr Hofrath wuͤrde ihn auch
gern im Koncert ſehen, weil er gehoͤrt habe, daß er
die Violine und die Floͤte ſpiele. Siegwart wuſte
nicht, was er in der Verwirrung antworten ſollte?
Machte viele Komplimente, und ſagte zu. Als der
Bediente weg war, ſagte er zu Kronhelm. Es iſt
mir nur halb lieb, daß ich zugeſagt habe; der Hof-
rath moͤchte glauben, er erweiſe mir eine groſſe
Gnade, und Gnaden nehm ich eben nicht gern an.
Kronhelm zeigte ihm, daß das Grillen waͤren;
man muͤſte in der Welt nicht alles ſo genau neh-
men ꝛc. und beruhigte ihn. Jm Grunde freute
ſich Siegwart uͤber den Antrag ſehr; er wollte ſich
nur recht gleichguͤltig bey der Sache ſtellen, um de-
ſto weniger entdeckt zu werden. Am Sonntag ſah
er ſeine Mariane in der Kirche wieder; ſie ent-
zuͤckte ihn immer mehr, und einigemal glaubte er
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Miller, Johann Martin: Siegwart. Bd. 2. Leipzig, 1776, S. 608. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/miller_siegwart02_1776/188>, abgerufen am 24.11.2024.
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