Miller, Johann Martin: Siegwart. Bd. 2. Leipzig, 1776.durchs Herz. Seit dem Anfang seiner Liebe hatte er zwar seine theologische Kollegia immer fleissig besucht, aber zu Hause hatte er sich weniger mit den Wissenschaften, und besonders den theologischen ab- gegeben. Das Andenken an sein Mädchen beschäf- tigte ihn allein. Er dachte ungern ans Kloster, und entfernte den Gedanken von sich, so bald er sich ihm aufdringen wollte. Jetzt ward er so unvorbe- reitet dran erinnert, daß er davor zurückschauerte. Sein voriger Enthusiasmus für das Kloster; die Gelübde, die er so oft bey sich selbst Gott gethan hatte, dahin zu gehen; P. Anton; sein Vater -- alles fiel ihm auf Einmal ein, und bestürmte sein Herz. -- Gott! in welchem Jrrgang bin ich! dachte er. Was fang ich an? Was unternehm ich? Dir ungetreu? Dir, dem ich mich widmete? Und die Welt soll mich fesseln? Die Welt, die ich schon so verachtete? -- Gott! Gott! -- Nein, ich muß es halten, mein Gelübde! Muß ins Kloster! -- Mariane! Mariane! (indem er umher gieng, und die Hände rang) Welt! Welt! Dich verlassen! Dich und alles! Dich und Marianen! -- So dachte er wild und stürmisch hin und her; fühlte sich von allem losgerissen; wuste nicht, woran er sich halten sollte? -- Bald betete er, widmete sich durchs Herz. Seit dem Anfang ſeiner Liebe hatte er zwar ſeine theologiſche Kollegia immer fleiſſig beſucht, aber zu Hauſe hatte er ſich weniger mit den Wiſſenſchaften, und beſonders den theologiſchen ab- gegeben. Das Andenken an ſein Maͤdchen beſchaͤf- tigte ihn allein. Er dachte ungern ans Kloſter, und entfernte den Gedanken von ſich, ſo bald er ſich ihm aufdringen wollte. Jetzt ward er ſo unvorbe- reitet dran erinnert, daß er davor zuruͤckſchauerte. Sein voriger Enthuſiasmus fuͤr das Kloſter; die Geluͤbde, die er ſo oft bey ſich ſelbſt Gott gethan hatte, dahin zu gehen; P. Anton; ſein Vater — alles fiel ihm auf Einmal ein, und beſtuͤrmte ſein Herz. — Gott! in welchem Jrrgang bin ich! dachte er. Was fang ich an? Was unternehm ich? Dir ungetreu? Dir, dem ich mich widmete? Und die Welt ſoll mich feſſeln? Die Welt, die ich ſchon ſo verachtete? — Gott! Gott! — Nein, ich muß es halten, mein Geluͤbde! Muß ins Kloſter! — Mariane! Mariane! (indem er umher gieng, und die Haͤnde rang) Welt! Welt! Dich verlaſſen! Dich und alles! Dich und Marianen! — So dachte er wild und ſtuͤrmiſch hin und her; fuͤhlte ſich von allem losgeriſſen; wuſte nicht, woran er ſich halten ſollte? — Bald betete er, widmete ſich <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0185" n="605"/><milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> durchs Herz. Seit dem Anfang ſeiner Liebe hatte<lb/> er zwar ſeine theologiſche Kollegia immer fleiſſig<lb/> beſucht, aber zu Hauſe hatte er ſich weniger mit den<lb/> Wiſſenſchaften, und beſonders den theologiſchen ab-<lb/> gegeben. Das Andenken an ſein Maͤdchen beſchaͤf-<lb/> tigte ihn allein. Er dachte ungern ans Kloſter,<lb/> und entfernte den Gedanken von ſich, ſo bald er ſich<lb/> ihm aufdringen wollte. Jetzt ward er ſo unvorbe-<lb/> reitet dran erinnert, daß er davor zuruͤckſchauerte.<lb/> Sein voriger Enthuſiasmus fuͤr das Kloſter; die<lb/> Geluͤbde, die er ſo oft bey ſich ſelbſt Gott gethan<lb/> hatte, dahin zu gehen; P. Anton; ſein Vater —<lb/> alles fiel ihm auf Einmal ein, und beſtuͤrmte ſein<lb/> Herz. — Gott! in welchem Jrrgang bin ich!<lb/> dachte er. Was fang ich an? Was unternehm ich?<lb/> Dir ungetreu? Dir, dem ich mich widmete? Und<lb/> die Welt ſoll mich feſſeln? Die Welt, die ich ſchon<lb/> ſo verachtete? — Gott! Gott! — Nein, ich muß<lb/> es halten, mein Geluͤbde! Muß ins Kloſter! —<lb/> Mariane! Mariane! (indem er umher gieng, und<lb/> die Haͤnde rang) Welt! Welt! Dich verlaſſen!<lb/> Dich und alles! Dich und Marianen! — So<lb/> dachte er wild und ſtuͤrmiſch hin und her; fuͤhlte<lb/> ſich von allem losgeriſſen; wuſte nicht, woran er<lb/> ſich halten ſollte? — Bald betete er, widmete ſich<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [605/0185]
durchs Herz. Seit dem Anfang ſeiner Liebe hatte
er zwar ſeine theologiſche Kollegia immer fleiſſig
beſucht, aber zu Hauſe hatte er ſich weniger mit den
Wiſſenſchaften, und beſonders den theologiſchen ab-
gegeben. Das Andenken an ſein Maͤdchen beſchaͤf-
tigte ihn allein. Er dachte ungern ans Kloſter,
und entfernte den Gedanken von ſich, ſo bald er ſich
ihm aufdringen wollte. Jetzt ward er ſo unvorbe-
reitet dran erinnert, daß er davor zuruͤckſchauerte.
Sein voriger Enthuſiasmus fuͤr das Kloſter; die
Geluͤbde, die er ſo oft bey ſich ſelbſt Gott gethan
hatte, dahin zu gehen; P. Anton; ſein Vater —
alles fiel ihm auf Einmal ein, und beſtuͤrmte ſein
Herz. — Gott! in welchem Jrrgang bin ich!
dachte er. Was fang ich an? Was unternehm ich?
Dir ungetreu? Dir, dem ich mich widmete? Und
die Welt ſoll mich feſſeln? Die Welt, die ich ſchon
ſo verachtete? — Gott! Gott! — Nein, ich muß
es halten, mein Geluͤbde! Muß ins Kloſter! —
Mariane! Mariane! (indem er umher gieng, und
die Haͤnde rang) Welt! Welt! Dich verlaſſen!
Dich und alles! Dich und Marianen! — So
dachte er wild und ſtuͤrmiſch hin und her; fuͤhlte
ſich von allem losgeriſſen; wuſte nicht, woran er
ſich halten ſollte? — Bald betete er, widmete ſich
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