Miller, Johann Martin: Siegwart. Bd. 2. Leipzig, 1776.wir vergehen. -- Hier stürzten ihm die Thränen häufiger von den Augen. Er sah seinen Kron- helm ein paarmal mit unausprechlicher Zärtlichkeit an. Es war ihm, als ob er dießmal reden, und sein Herz ausschütten müste. Aber Furchtsamkeit hielt ihn immer wieder wie eine geheime, unsichtbare Gewalt zurück. Gutfried und Dahlmund kamen, und riefen sie wieder zum Trinken. -- Wir wol- len eins singen! sagte Dahlmund, und fieng das Lied von Kleist an: Freund, versäume nicht zu le- ben etc. Endlich sangen sie auch das Studenten- lied: Was den Musen soll gefallen etc. das sich schliest: Vivat deine -- -- hoch! wo zwischen den zwey letzten Worten jeder den Namen eines Mädchens singen muß. Dahlmund sang: Elise; Kronhelm: Therese; und Gutfried: Mariane. Nun kam die Reihe auch an Siegwart. Er stund an, und wuste nicht, welchen Namen er singen soll- te? Er entschuldigte sich, er habe ja kein Mäd- chen. -- Ey, du must eins haben, sagte Kronhelm, du bist ja unaufhörlich traurig. Siegwart erröthe- te, und wollte sich entschuldigen. -- Nun, schon gut! versetzte Kronhelm, wir wissens ja! Sing, was du willst: Susanne, oder Kunigunde! Sieg- wart sang: Susanne! -- Diese Rede Kronhelms wir vergehen. — Hier ſtuͤrzten ihm die Thraͤnen haͤufiger von den Augen. Er ſah ſeinen Kron- helm ein paarmal mit unausprechlicher Zaͤrtlichkeit an. Es war ihm, als ob er dießmal reden, und ſein Herz ausſchuͤtten muͤſte. Aber Furchtſamkeit hielt ihn immer wieder wie eine geheime, unſichtbare Gewalt zuruͤck. Gutfried und Dahlmund kamen, und riefen ſie wieder zum Trinken. — Wir wol- len eins ſingen! ſagte Dahlmund, und fieng das Lied von Kleiſt an: Freund, verſaͤume nicht zu le- ben ꝛc. Endlich ſangen ſie auch das Studenten- lied: Was den Muſen ſoll gefallen ꝛc. das ſich ſchlieſt: Vivat deine — — hoch! wo zwiſchen den zwey letzten Worten jeder den Namen eines Maͤdchens ſingen muß. Dahlmund ſang: Eliſe; Kronhelm: Thereſe; und Gutfried: Mariane. Nun kam die Reihe auch an Siegwart. Er ſtund an, und wuſte nicht, welchen Namen er ſingen ſoll- te? Er entſchuldigte ſich, er habe ja kein Maͤd- chen. — Ey, du muſt eins haben, ſagte Kronhelm, du biſt ja unaufhoͤrlich traurig. Siegwart erroͤthe- te, und wollte ſich entſchuldigen. — Nun, ſchon gut! verſetzte Kronhelm, wir wiſſens ja! Sing, was du willſt: Suſanne, oder Kunigunde! Sieg- wart ſang: Suſanne! — Dieſe Rede Kronhelms <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0182" n="602"/><milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> wir vergehen. — Hier ſtuͤrzten ihm die Thraͤnen<lb/> haͤufiger von den Augen. Er ſah ſeinen Kron-<lb/> helm ein paarmal mit unausprechlicher Zaͤrtlichkeit<lb/> an. Es war ihm, als ob er dießmal reden, und ſein<lb/> Herz ausſchuͤtten muͤſte. Aber Furchtſamkeit hielt<lb/> ihn immer wieder wie eine geheime, unſichtbare<lb/> Gewalt zuruͤck. Gutfried und Dahlmund kamen,<lb/> und riefen ſie wieder zum Trinken. — Wir wol-<lb/> len eins ſingen! ſagte Dahlmund, und fieng das<lb/> Lied von Kleiſt an: Freund, verſaͤume nicht zu le-<lb/> ben ꝛc. Endlich ſangen ſie auch das Studenten-<lb/> lied: Was den Muſen ſoll gefallen ꝛc. das ſich<lb/> ſchlieſt: Vivat deine — — hoch! wo zwiſchen<lb/> den zwey letzten Worten jeder den Namen eines<lb/> Maͤdchens ſingen muß. Dahlmund ſang: Eliſe;<lb/> Kronhelm: <hi rendition="#fr">Thereſe;</hi> und Gutfried: Mariane.<lb/> Nun kam die Reihe auch an Siegwart. Er ſtund<lb/> an, und wuſte nicht, welchen Namen er ſingen ſoll-<lb/> te? Er entſchuldigte ſich, er habe ja kein Maͤd-<lb/> chen. — Ey, du muſt eins haben, ſagte Kronhelm,<lb/> du biſt ja unaufhoͤrlich traurig. Siegwart erroͤthe-<lb/> te, und wollte ſich entſchuldigen. — Nun, ſchon<lb/> gut! verſetzte Kronhelm, wir wiſſens ja! Sing,<lb/> was du willſt: <hi rendition="#fr">Suſanne,</hi> oder <hi rendition="#fr">Kunigunde!</hi> Sieg-<lb/> wart ſang: <hi rendition="#fr">Suſanne!</hi> — Dieſe Rede Kronhelms<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [602/0182]
wir vergehen. — Hier ſtuͤrzten ihm die Thraͤnen
haͤufiger von den Augen. Er ſah ſeinen Kron-
helm ein paarmal mit unausprechlicher Zaͤrtlichkeit
an. Es war ihm, als ob er dießmal reden, und ſein
Herz ausſchuͤtten muͤſte. Aber Furchtſamkeit hielt
ihn immer wieder wie eine geheime, unſichtbare
Gewalt zuruͤck. Gutfried und Dahlmund kamen,
und riefen ſie wieder zum Trinken. — Wir wol-
len eins ſingen! ſagte Dahlmund, und fieng das
Lied von Kleiſt an: Freund, verſaͤume nicht zu le-
ben ꝛc. Endlich ſangen ſie auch das Studenten-
lied: Was den Muſen ſoll gefallen ꝛc. das ſich
ſchlieſt: Vivat deine — — hoch! wo zwiſchen
den zwey letzten Worten jeder den Namen eines
Maͤdchens ſingen muß. Dahlmund ſang: Eliſe;
Kronhelm: Thereſe; und Gutfried: Mariane.
Nun kam die Reihe auch an Siegwart. Er ſtund
an, und wuſte nicht, welchen Namen er ſingen ſoll-
te? Er entſchuldigte ſich, er habe ja kein Maͤd-
chen. — Ey, du muſt eins haben, ſagte Kronhelm,
du biſt ja unaufhoͤrlich traurig. Siegwart erroͤthe-
te, und wollte ſich entſchuldigen. — Nun, ſchon
gut! verſetzte Kronhelm, wir wiſſens ja! Sing,
was du willſt: Suſanne, oder Kunigunde! Sieg-
wart ſang: Suſanne! — Dieſe Rede Kronhelms
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