Miller, Johann Martin: Siegwart. Bd. 2. Leipzig, 1776.und ihn hinaufrief. Gutsried, der die Fischerin auch liebte, blieb im Fenster liegen, als Siegwart auf das Zimmer kam, und rief ihn, um neben ihm hinaus zu sehen. -- Das ist die Fischerin, sagte er, und seufzte, indem sie eben in der Stube nah am Fenster stand, und ihre Kirchenkleider auszog. Sie warf einen Blick herüber, und gieng weg, indem sie die beyden Jüng- linge erblickte. Siegwart zitterte, ward feuerroth, und konnte kein Wort sprechen. Nun wards ihm erst auf Einmal wichtig, und ein Stachel im Herzen, was er schon so lang gewust hatte, daß sein Freund des Hofraths Tochter liebe. Er gieng einigemal im Zimmer auf und ab, wollte gern noch mehr von ihr erfahren, und hielt hundertmal die Frage, die ihm schon auf der Zunge lag, wie- der zurück. Endlich stieß er hastig und erschrocken die Frage heraus: Es ist wohl ein gutes Mädchen, die Fischerin? und lehnte sich ans Fenster, damit sein Freund sein Gesicht nicht sehen möchte, denn es glühte. -- O, sie ist ein ausserordentliches Frau- enzimmer, sagte Gutfried, zu deren Lob man ei- gentlich nichts sagen sollte, weil man doch immer nur zu wenig sagt, und ich kanns am wenigsten. Jch kenne sie nun über zwey Jahre, und jeden Tag wird sie artiger und schöner. Sie hat das und ihn hinaufrief. Gutſried, der die Fiſcherin auch liebte, blieb im Fenſter liegen, als Siegwart auf das Zimmer kam, und rief ihn, um neben ihm hinaus zu ſehen. — Das iſt die Fiſcherin, ſagte er, und ſeufzte, indem ſie eben in der Stube nah am Fenſter ſtand, und ihre Kirchenkleider auszog. Sie warf einen Blick heruͤber, und gieng weg, indem ſie die beyden Juͤng- linge erblickte. Siegwart zitterte, ward feuerroth, und konnte kein Wort ſprechen. Nun wards ihm erſt auf Einmal wichtig, und ein Stachel im Herzen, was er ſchon ſo lang gewuſt hatte, daß ſein Freund des Hofraths Tochter liebe. Er gieng einigemal im Zimmer auf und ab, wollte gern noch mehr von ihr erfahren, und hielt hundertmal die Frage, die ihm ſchon auf der Zunge lag, wie- der zuruͤck. Endlich ſtieß er haſtig und erſchrocken die Frage heraus: Es iſt wohl ein gutes Maͤdchen, die Fiſcherin? und lehnte ſich ans Fenſter, damit ſein Freund ſein Geſicht nicht ſehen moͤchte, denn es gluͤhte. — O, ſie iſt ein auſſerordentliches Frau- enzimmer, ſagte Gutfried, zu deren Lob man ei- gentlich nichts ſagen ſollte, weil man doch immer nur zu wenig ſagt, und ich kanns am wenigſten. Jch kenne ſie nun uͤber zwey Jahre, und jeden Tag wird ſie artiger und ſchoͤner. Sie hat das <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0175" n="595"/><milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> und ihn hinaufrief. Gutſried, der die Fiſcherin auch<lb/> liebte, blieb im Fenſter liegen, als Siegwart auf das<lb/> Zimmer kam, und rief ihn, um neben ihm hinaus zu<lb/> ſehen. — Das iſt die Fiſcherin, ſagte er, und ſeufzte,<lb/> indem ſie eben in der Stube nah am Fenſter ſtand,<lb/> und ihre Kirchenkleider auszog. Sie warf einen Blick<lb/> heruͤber, und gieng weg, indem ſie die beyden Juͤng-<lb/> linge erblickte. Siegwart zitterte, ward feuerroth,<lb/> und konnte kein Wort ſprechen. Nun wards ihm<lb/> erſt auf Einmal wichtig, und ein Stachel im<lb/> Herzen, was er ſchon ſo lang gewuſt hatte, daß<lb/> ſein Freund des Hofraths Tochter liebe. Er gieng<lb/> einigemal im Zimmer auf und ab, wollte gern<lb/> noch mehr von ihr erfahren, und hielt hundertmal<lb/> die Frage, die ihm ſchon auf der Zunge lag, wie-<lb/> der zuruͤck. Endlich ſtieß er haſtig und erſchrocken<lb/> die Frage heraus: Es iſt wohl ein gutes Maͤdchen,<lb/> die Fiſcherin? und lehnte ſich ans Fenſter, damit<lb/> ſein Freund ſein Geſicht nicht ſehen moͤchte, denn<lb/> es gluͤhte. — O, ſie iſt ein auſſerordentliches Frau-<lb/> enzimmer, ſagte Gutfried, zu deren Lob man ei-<lb/> gentlich nichts ſagen ſollte, weil man doch immer<lb/> nur zu wenig ſagt, und ich kanns am wenigſten.<lb/> Jch kenne ſie nun uͤber zwey Jahre, und jeden<lb/> Tag wird ſie artiger und ſchoͤner. Sie hat das<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [595/0175]
und ihn hinaufrief. Gutſried, der die Fiſcherin auch
liebte, blieb im Fenſter liegen, als Siegwart auf das
Zimmer kam, und rief ihn, um neben ihm hinaus zu
ſehen. — Das iſt die Fiſcherin, ſagte er, und ſeufzte,
indem ſie eben in der Stube nah am Fenſter ſtand,
und ihre Kirchenkleider auszog. Sie warf einen Blick
heruͤber, und gieng weg, indem ſie die beyden Juͤng-
linge erblickte. Siegwart zitterte, ward feuerroth,
und konnte kein Wort ſprechen. Nun wards ihm
erſt auf Einmal wichtig, und ein Stachel im
Herzen, was er ſchon ſo lang gewuſt hatte, daß
ſein Freund des Hofraths Tochter liebe. Er gieng
einigemal im Zimmer auf und ab, wollte gern
noch mehr von ihr erfahren, und hielt hundertmal
die Frage, die ihm ſchon auf der Zunge lag, wie-
der zuruͤck. Endlich ſtieß er haſtig und erſchrocken
die Frage heraus: Es iſt wohl ein gutes Maͤdchen,
die Fiſcherin? und lehnte ſich ans Fenſter, damit
ſein Freund ſein Geſicht nicht ſehen moͤchte, denn
es gluͤhte. — O, ſie iſt ein auſſerordentliches Frau-
enzimmer, ſagte Gutfried, zu deren Lob man ei-
gentlich nichts ſagen ſollte, weil man doch immer
nur zu wenig ſagt, und ich kanns am wenigſten.
Jch kenne ſie nun uͤber zwey Jahre, und jeden
Tag wird ſie artiger und ſchoͤner. Sie hat das
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