Miller, Johann Martin: Siegwart. Bd. 2. Leipzig, 1776.Kronhelm zu erkundigen, wagte er gar nicht. Als sie ausserhalb der Stadt waren, so fieng Kronhelm an: Du bist ja ganz ausser dir gewesen in der Kir- che, und hast mich nicht bemerkt, ob ich gleich eine halbe Viertelstunde neben dir kniete. -- Wer? Jch? ... stotterte Siegwart. Recht! ich war so in der Andacht; weil ich an meinen Vater dachte... Weil er gesund worden ist... Und da dankt ich Gott -- -- und da konnt ich dich nicht sehen... Ja, ich war ganz vertieft... Hab dich warlich nicht bemerkt. ... Es kam gewiß nur daher... u. s. w. Der helle Herbstmorgen machte auf sein ofnes Kronhelm zu erkundigen, wagte er gar nicht. Als ſie auſſerhalb der Stadt waren, ſo fieng Kronhelm an: Du biſt ja ganz auſſer dir geweſen in der Kir- che, und haſt mich nicht bemerkt, ob ich gleich eine halbe Viertelſtunde neben dir kniete. — Wer? Jch? … ſtotterte Siegwart. Recht! ich war ſo in der Andacht; weil ich an meinen Vater dachte… Weil er geſund worden iſt… Und da dankt ich Gott — — und da konnt ich dich nicht ſehen… Ja, ich war ganz vertieft… Hab dich warlich nicht bemerkt. … Es kam gewiß nur daher… u. ſ. w. Der helle Herbſtmorgen machte auf ſein ofnes <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0159" n="579"/><milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> Kronhelm zu erkundigen, wagte er gar nicht. Als<lb/> ſie auſſerhalb der Stadt waren, ſo fieng Kronhelm<lb/> an: Du biſt ja ganz auſſer dir geweſen in der Kir-<lb/> che, und haſt mich nicht bemerkt, ob ich gleich eine<lb/> halbe Viertelſtunde neben dir kniete. — Wer? Jch?<lb/> … ſtotterte Siegwart. Recht! ich war ſo in der<lb/> Andacht; weil ich an meinen Vater dachte…<lb/> Weil er geſund worden iſt… Und da dankt ich<lb/> Gott — — und da konnt ich dich nicht ſehen…<lb/> Ja, ich war ganz vertieft… Hab dich warlich nicht<lb/> bemerkt. … Es kam gewiß nur daher… u. ſ. w.</p><lb/> <p>Der helle Herbſtmorgen machte auf ſein ofnes<lb/> Herz den tiefſten Eindruck. Die bleichgelben Blaͤt-<lb/> ter, deren eins nach dem andern von den Baͤumen<lb/> herabfiel; das Rauſchen der verdorrten Blaͤtter im<lb/> Geſtraͤuch; der halb durchſichtige Hain; die einzeln<lb/> drinn herum fliegenden Voͤgel; die, auf der Wieſe<lb/> ſparſam zerſtreuten Herbſtbluͤmchen; alles brachte<lb/> ihm das ſuͤſſe Bild des Todes in die Seele. Er<lb/> fuͤhlte eine dunkle Sehnſucht, ſich hinzulegen und<lb/> zu ſterben. Sein Herz ward erweitert, und Thraͤ-<lb/> nen ſtunden ihm in den Augen. Kronhelm hatte<lb/> eben dieſes Gefuͤhl; beyde ſchwiegen. Noch nie<lb/> hab ich ſo lebhaft und ſo ruhig an Thereſen gedacht,<lb/> fieng endlich Kronhelm an; Noch nie eine ſo ſuͤſſe<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [579/0159]
Kronhelm zu erkundigen, wagte er gar nicht. Als
ſie auſſerhalb der Stadt waren, ſo fieng Kronhelm
an: Du biſt ja ganz auſſer dir geweſen in der Kir-
che, und haſt mich nicht bemerkt, ob ich gleich eine
halbe Viertelſtunde neben dir kniete. — Wer? Jch?
… ſtotterte Siegwart. Recht! ich war ſo in der
Andacht; weil ich an meinen Vater dachte…
Weil er geſund worden iſt… Und da dankt ich
Gott — — und da konnt ich dich nicht ſehen…
Ja, ich war ganz vertieft… Hab dich warlich nicht
bemerkt. … Es kam gewiß nur daher… u. ſ. w.
Der helle Herbſtmorgen machte auf ſein ofnes
Herz den tiefſten Eindruck. Die bleichgelben Blaͤt-
ter, deren eins nach dem andern von den Baͤumen
herabfiel; das Rauſchen der verdorrten Blaͤtter im
Geſtraͤuch; der halb durchſichtige Hain; die einzeln
drinn herum fliegenden Voͤgel; die, auf der Wieſe
ſparſam zerſtreuten Herbſtbluͤmchen; alles brachte
ihm das ſuͤſſe Bild des Todes in die Seele. Er
fuͤhlte eine dunkle Sehnſucht, ſich hinzulegen und
zu ſterben. Sein Herz ward erweitert, und Thraͤ-
nen ſtunden ihm in den Augen. Kronhelm hatte
eben dieſes Gefuͤhl; beyde ſchwiegen. Noch nie
hab ich ſo lebhaft und ſo ruhig an Thereſen gedacht,
fieng endlich Kronhelm an; Noch nie eine ſo ſuͤſſe
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