war sie immer um ihn. Er hörte nichts, was der Lehrer sagte. Er zwang sich, aufzumerken, aber nur vergeblich. So gieng die ganze Woche hin. Zuweilen dachte er minder lebhaft an sie; aber tau- senderley Dinge zogen ihn wieder zu ihr zurück. Wenn er in Gesellschaft sie auf einige Augenblicke vergaß, so wachte er plötzlich wieder, wie vom Schlummer, auf. Wenn er nur das Wort: Mäd- chen, aussprechen hörte, so stand sein Mädchen wie- der vor ihm. Nie war sein Geist in der Gesell- schaft seiner Freunde ganz gegenwärtig; immer schwebte er in der Kirche vor dem Altar, oder er wuste selbst nicht, wo? Er war immer zu Thrä- nen gestimmt, und muste oft aufstehn, um seine Wehmuth vor seinen Freunden zu verbergen. Sie riethen hin und her, was ihm fehlen möchte? Auf Liebe fielen sie gar nicht, da er bey jeder Gelegen- heit dagegen eiferte. Endlich wusten sie seiner Zer- streuung keine andere Ursach zu geben, als sein lan- ges Aufsitzen bey Nacht. Kronhelm bat ihn sehn- lich, es zu unterlassen, und seine Gesundheit zu schonen! Er war über die zärtliche Besorgniß sei- nes Freundes sehr gerührt, und versprach, es zu thun. Den künftigen Sonntag konnte er kaum erwarten. Da dachte er, das Mädchen wieder in
war ſie immer um ihn. Er hoͤrte nichts, was der Lehrer ſagte. Er zwang ſich, aufzumerken, aber nur vergeblich. So gieng die ganze Woche hin. Zuweilen dachte er minder lebhaft an ſie; aber tau- ſenderley Dinge zogen ihn wieder zu ihr zuruͤck. Wenn er in Geſellſchaft ſie auf einige Augenblicke vergaß, ſo wachte er ploͤtzlich wieder, wie vom Schlummer, auf. Wenn er nur das Wort: Maͤd- chen, ausſprechen hoͤrte, ſo ſtand ſein Maͤdchen wie- der vor ihm. Nie war ſein Geiſt in der Geſell- ſchaft ſeiner Freunde ganz gegenwaͤrtig; immer ſchwebte er in der Kirche vor dem Altar, oder er wuſte ſelbſt nicht, wo? Er war immer zu Thraͤ- nen geſtimmt, und muſte oft aufſtehn, um ſeine Wehmuth vor ſeinen Freunden zu verbergen. Sie riethen hin und her, was ihm fehlen moͤchte? Auf Liebe fielen ſie gar nicht, da er bey jeder Gelegen- heit dagegen eiferte. Endlich wuſten ſie ſeiner Zer- ſtreuung keine andere Urſach zu geben, als ſein lan- ges Aufſitzen bey Nacht. Kronhelm bat ihn ſehn- lich, es zu unterlaſſen, und ſeine Geſundheit zu ſchonen! Er war uͤber die zaͤrtliche Beſorgniß ſei- nes Freundes ſehr geruͤhrt, und verſprach, es zu thun. Den kuͤnftigen Sonntag konnte er kaum erwarten. Da dachte er, das Maͤdchen wieder in
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war ſie immer um ihn. Er hoͤrte nichts, was der
Lehrer ſagte. Er zwang ſich, aufzumerken, aber
nur vergeblich. So gieng die ganze Woche hin.
Zuweilen dachte er minder lebhaft an ſie; aber tau-
ſenderley Dinge zogen ihn wieder zu ihr zuruͤck.
Wenn er in Geſellſchaft ſie auf einige Augenblicke
vergaß, ſo wachte er ploͤtzlich wieder, wie vom
Schlummer, auf. Wenn er nur das Wort: Maͤd-
chen, ausſprechen hoͤrte, ſo ſtand ſein Maͤdchen wie-
der vor ihm. Nie war ſein Geiſt in der Geſell-
ſchaft ſeiner Freunde ganz gegenwaͤrtig; immer
ſchwebte er in der Kirche vor dem Altar, oder er
wuſte ſelbſt nicht, wo? Er war immer zu Thraͤ-
nen geſtimmt, und muſte oft aufſtehn, um ſeine
Wehmuth vor ſeinen Freunden zu verbergen. Sie
riethen hin und her, was ihm fehlen moͤchte? Auf
Liebe fielen ſie gar nicht, da er bey jeder Gelegen-
heit dagegen eiferte. Endlich wuſten ſie ſeiner Zer-
ſtreuung keine andere Urſach zu geben, als ſein lan-
ges Aufſitzen bey Nacht. Kronhelm bat ihn ſehn-
lich, es zu unterlaſſen, und ſeine Geſundheit zu
ſchonen! Er war uͤber die zaͤrtliche Beſorgniß ſei-
nes Freundes ſehr geruͤhrt, und verſprach, es zu
thun. Den kuͤnftigen Sonntag konnte er kaum
erwarten. Da dachte er, das Maͤdchen wieder in
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Miller, Johann Martin: Siegwart. Bd. 2. Leipzig, 1776, S. 568. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/miller_siegwart02_1776/148>, abgerufen am 16.07.2024.
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