Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Miller, Johann Martin: Siegwart. Bd. 2. Leipzig, 1776.

Bild:
<< vorherige Seite



erschrack Siegwart auf Einmal, weil er jetzt erst
wahrnahm, wie blaß und mager Kronhelm aussah.
Du bist doch gesund? sagte er. So ziemlich; war die
Antwort. Und nun stunden dem armen Kronhelm
die Thränen in den Augen, denn er dachte sich sei-
ne Therese lebhaft, und erkannte sie in den Zügen
ihres Bruders ganz wieder. Hast du mir nichts
mitgebracht? sagte er. -- Nichts als Grüsse von
dort her, und vom P. Philipp. Kronhelm schwieg
eine Zeitlang, und versank in tiefe Wehmuth.

Gutfried mischte sich nun auch ins Gespräch.
Kronhelm wunderte sich, daß sie sich nicht schon
früher hätten genauer kennen lernen, da er so viel
Gleichheit in ihrer Denkungsart wahrnahm, und
da dieses Siegwart noch mehr bestätigte. Er bat
ihn zu sich, und versprach, ihn öfters zu besuchen,
und ihm alle Bücher zu leihen, die er hätte. Kir-
ner hänselte indessen den jungen Kaspar, der sich
alles gefallen ließ, und nun froh war, daß er das
Ende der Reise vor sich sah. Der Kapuziner freu-
te sich innerlich recht herzlich über die Freundschaft
der beyden Jünglinge, und über die Freude, die
sie an einander hatten. Das ist schön, sagte er, wenn
man einander so recht gut ist. Jch weis, daß
mein P. Jgnatz auch viel Freude haben wird,



erſchrack Siegwart auf Einmal, weil er jetzt erſt
wahrnahm, wie blaß und mager Kronhelm ausſah.
Du biſt doch geſund? ſagte er. So ziemlich; war die
Antwort. Und nun ſtunden dem armen Kronhelm
die Thraͤnen in den Augen, denn er dachte ſich ſei-
ne Thereſe lebhaft, und erkannte ſie in den Zuͤgen
ihres Bruders ganz wieder. Haſt du mir nichts
mitgebracht? ſagte er. — Nichts als Gruͤſſe von
dort her, und vom P. Philipp. Kronhelm ſchwieg
eine Zeitlang, und verſank in tiefe Wehmuth.

Gutfried miſchte ſich nun auch ins Geſpraͤch.
Kronhelm wunderte ſich, daß ſie ſich nicht ſchon
fruͤher haͤtten genauer kennen lernen, da er ſo viel
Gleichheit in ihrer Denkungsart wahrnahm, und
da dieſes Siegwart noch mehr beſtaͤtigte. Er bat
ihn zu ſich, und verſprach, ihn oͤfters zu beſuchen,
und ihm alle Buͤcher zu leihen, die er haͤtte. Kir-
ner haͤnſelte indeſſen den jungen Kaſpar, der ſich
alles gefallen ließ, und nun froh war, daß er das
Ende der Reiſe vor ſich ſah. Der Kapuziner freu-
te ſich innerlich recht herzlich uͤber die Freundſchaft
der beyden Juͤnglinge, und uͤber die Freude, die
ſie an einander hatten. Das iſt ſchoͤn, ſagte er, wenn
man einander ſo recht gut iſt. Jch weis, daß
mein P. Jgnatz auch viel Freude haben wird,

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0134" n="554"/><milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
er&#x017F;chrack Siegwart auf Einmal, weil er jetzt er&#x017F;t<lb/>
wahrnahm, wie blaß und mager Kronhelm aus&#x017F;ah.<lb/>
Du bi&#x017F;t doch ge&#x017F;und? &#x017F;agte er. So ziemlich; war die<lb/>
Antwort. Und nun &#x017F;tunden dem armen Kronhelm<lb/>
die Thra&#x0364;nen in den Augen, denn er dachte &#x017F;ich &#x017F;ei-<lb/>
ne There&#x017F;e lebhaft, und erkannte &#x017F;ie in den Zu&#x0364;gen<lb/>
ihres Bruders ganz wieder. Ha&#x017F;t du mir nichts<lb/>
mitgebracht? &#x017F;agte er. &#x2014; Nichts als Gru&#x0364;&#x017F;&#x017F;e von<lb/>
dort her, und vom P. Philipp. Kronhelm &#x017F;chwieg<lb/>
eine Zeitlang, und ver&#x017F;ank in tiefe Wehmuth.</p><lb/>
        <p><hi rendition="#fr">Gutfried</hi> mi&#x017F;chte &#x017F;ich nun auch ins Ge&#x017F;pra&#x0364;ch.<lb/>
Kronhelm wunderte &#x017F;ich, daß &#x017F;ie &#x017F;ich nicht &#x017F;chon<lb/>
fru&#x0364;her ha&#x0364;tten genauer kennen lernen, da er &#x017F;o viel<lb/>
Gleichheit in ihrer Denkungsart wahrnahm, und<lb/>
da die&#x017F;es Siegwart noch mehr be&#x017F;ta&#x0364;tigte. Er bat<lb/>
ihn zu &#x017F;ich, und ver&#x017F;prach, ihn o&#x0364;fters zu be&#x017F;uchen,<lb/>
und ihm alle Bu&#x0364;cher zu leihen, die er ha&#x0364;tte. Kir-<lb/>
ner ha&#x0364;n&#x017F;elte inde&#x017F;&#x017F;en den jungen Ka&#x017F;par, der &#x017F;ich<lb/>
alles gefallen ließ, und nun froh war, daß er das<lb/>
Ende der Rei&#x017F;e vor &#x017F;ich &#x017F;ah. Der Kapuziner freu-<lb/>
te &#x017F;ich innerlich recht herzlich u&#x0364;ber die Freund&#x017F;chaft<lb/>
der beyden Ju&#x0364;nglinge, und u&#x0364;ber die Freude, die<lb/>
&#x017F;ie an einander hatten. Das i&#x017F;t &#x017F;cho&#x0364;n, &#x017F;agte er, wenn<lb/>
man einander &#x017F;o recht gut i&#x017F;t. Jch weis, daß<lb/>
mein P. Jgnatz auch viel Freude haben wird,<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[554/0134] erſchrack Siegwart auf Einmal, weil er jetzt erſt wahrnahm, wie blaß und mager Kronhelm ausſah. Du biſt doch geſund? ſagte er. So ziemlich; war die Antwort. Und nun ſtunden dem armen Kronhelm die Thraͤnen in den Augen, denn er dachte ſich ſei- ne Thereſe lebhaft, und erkannte ſie in den Zuͤgen ihres Bruders ganz wieder. Haſt du mir nichts mitgebracht? ſagte er. — Nichts als Gruͤſſe von dort her, und vom P. Philipp. Kronhelm ſchwieg eine Zeitlang, und verſank in tiefe Wehmuth. Gutfried miſchte ſich nun auch ins Geſpraͤch. Kronhelm wunderte ſich, daß ſie ſich nicht ſchon fruͤher haͤtten genauer kennen lernen, da er ſo viel Gleichheit in ihrer Denkungsart wahrnahm, und da dieſes Siegwart noch mehr beſtaͤtigte. Er bat ihn zu ſich, und verſprach, ihn oͤfters zu beſuchen, und ihm alle Buͤcher zu leihen, die er haͤtte. Kir- ner haͤnſelte indeſſen den jungen Kaſpar, der ſich alles gefallen ließ, und nun froh war, daß er das Ende der Reiſe vor ſich ſah. Der Kapuziner freu- te ſich innerlich recht herzlich uͤber die Freundſchaft der beyden Juͤnglinge, und uͤber die Freude, die ſie an einander hatten. Das iſt ſchoͤn, ſagte er, wenn man einander ſo recht gut iſt. Jch weis, daß mein P. Jgnatz auch viel Freude haben wird,

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/miller_siegwart02_1776
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/miller_siegwart02_1776/134
Zitationshilfe: Miller, Johann Martin: Siegwart. Bd. 2. Leipzig, 1776, S. 554. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/miller_siegwart02_1776/134>, abgerufen am 26.11.2024.