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Miller, Johann Martin: Siegwart. Bd. 2. Leipzig, 1776.

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Geschichte, und vom Kloster; zuweilen seufzte er,
aber nur verstohlen, und furchtsam, über die Stren-
ge seines Ordens. Die liebenswürdige Einfalt, und
die fast kindische Unerfahrenheit im Lauf der Welt,
besonders in der Bosheit der Menschen, die
der Pater alle Augenblick äusserte, nahm un-
sern Siegwart, der seine idealische Vorstellungen
hier so lebendig vor sich sah, sehr für ihn ein.
Mit Gutfried, an dem er sehr viel edles fand:
ward er auch bald Freund.

Den andern Tag, als sie noch drittehalb Stun-
den weit von Jngolstadt entfernt waren, kam
Kronhelm hergeritten. Seine, und Siegwarts
Freude war unbeschreiblich. Jeder fühle sie mit
mir, der seinen Freund, den er so zärtlich liebt,
wie Siegwart seinen Kronhelm, nach einer Jahr-
langen Trennung wieder umarmt, und nun wie-
der ganz sein ist! Boling erbot sich, zu reiten,
und Kronhelm setzte sich in den Wagen. Anfangs
sprachen sie wenig, und hielten sich nur bey der
Hand fest. Sie fragten sich tausend Dinge, be-
antworteten die Fragen nur halb, und fiengen so-
gleich wieder eine neue an. Als sie einander steif,
und mit dem seelenvollsten Ausdruck ansahen,

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Geſchichte, und vom Kloſter; zuweilen ſeufzte er,
aber nur verſtohlen, und furchtſam, uͤber die Stren-
ge ſeines Ordens. Die liebenswuͤrdige Einfalt, und
die faſt kindiſche Unerfahrenheit im Lauf der Welt,
beſonders in der Bosheit der Menſchen, die
der Pater alle Augenblick aͤuſſerte, nahm un-
ſern Siegwart, der ſeine idealiſche Vorſtellungen
hier ſo lebendig vor ſich ſah, ſehr fuͤr ihn ein.
Mit Gutfried, an dem er ſehr viel edles fand:
ward er auch bald Freund.

Den andern Tag, als ſie noch drittehalb Stun-
den weit von Jngolſtadt entfernt waren, kam
Kronhelm hergeritten. Seine, und Siegwarts
Freude war unbeſchreiblich. Jeder fuͤhle ſie mit
mir, der ſeinen Freund, den er ſo zaͤrtlich liebt,
wie Siegwart ſeinen Kronhelm, nach einer Jahr-
langen Trennung wieder umarmt, und nun wie-
der ganz ſein iſt! Boling erbot ſich, zu reiten,
und Kronhelm ſetzte ſich in den Wagen. Anfangs
ſprachen ſie wenig, und hielten ſich nur bey der
Hand feſt. Sie fragten ſich tauſend Dinge, be-
antworteten die Fragen nur halb, und fiengen ſo-
gleich wieder eine neue an. Als ſie einander ſteif,
und mit dem ſeelenvollſten Ausdruck anſahen,

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[553/0133] Geſchichte, und vom Kloſter; zuweilen ſeufzte er, aber nur verſtohlen, und furchtſam, uͤber die Stren- ge ſeines Ordens. Die liebenswuͤrdige Einfalt, und die faſt kindiſche Unerfahrenheit im Lauf der Welt, beſonders in der Bosheit der Menſchen, die der Pater alle Augenblick aͤuſſerte, nahm un- ſern Siegwart, der ſeine idealiſche Vorſtellungen hier ſo lebendig vor ſich ſah, ſehr fuͤr ihn ein. Mit Gutfried, an dem er ſehr viel edles fand: ward er auch bald Freund. Den andern Tag, als ſie noch drittehalb Stun- den weit von Jngolſtadt entfernt waren, kam Kronhelm hergeritten. Seine, und Siegwarts Freude war unbeſchreiblich. Jeder fuͤhle ſie mit mir, der ſeinen Freund, den er ſo zaͤrtlich liebt, wie Siegwart ſeinen Kronhelm, nach einer Jahr- langen Trennung wieder umarmt, und nun wie- der ganz ſein iſt! Boling erbot ſich, zu reiten, und Kronhelm ſetzte ſich in den Wagen. Anfangs ſprachen ſie wenig, und hielten ſich nur bey der Hand feſt. Sie fragten ſich tauſend Dinge, be- antworteten die Fragen nur halb, und fiengen ſo- gleich wieder eine neue an. Als ſie einander ſteif, und mit dem ſeelenvollſten Ausdruck anſahen, N n

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Zitationshilfe: Miller, Johann Martin: Siegwart. Bd. 2. Leipzig, 1776, S. 553. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/miller_siegwart02_1776/133>, abgerufen am 26.11.2024.