Miller, Johann Martin: Siegwart. Bd. 1. Leipzig, 1776.
inn ers weiter gebracht hatte, als mancher Pro- fessor auf der Universität. Er besaß noch von sei- nem Vater her, der eben diese Wissenschaften ge- trieben hatte, eine schöne Anzahl von den herrlichsten Jnstrumenten, Zirkeln, Quadranten, Sehröhren und Büchern mit Kupfern, die viel Gelds werth wa- ren. Diese machten seine einzige Freude auf der Welt aus. Ganze Tage durch saß er bey den Bü- chern und rechnete; und Abends, wenn der Him- mel hell war, sah er bis um Mitternacht, und oft noch länger durch sein Sehrohr nach den Sternen und dem Mond. Jch weiß noch, was er Anno 44. für eine Freude hatte, als der grosse Komet am Himmel stand; wie er uns alles erklärte, und vorrechnete, wann der Wunderstern wieder kommen werde. Vor ungefähr zwanzig Jahren kriegte er von seiner Mutter, die im Frankenlande wohnte, Nachricht, daß sie nicht nur ihr ganzes ansehnli- ches Vermögen verlohren habe, sondern auch noch in eine ziemliche Schuldenlast gesteckt worden sey, weil ihr zweyter Sohn, ein liederlicher Mensch, alles durchgebracht, Schulden gemacht, und zulezt sich von den Kaiserlichen habe anwerben lassen. Unser Pater Martin gieng einige Tage lang ganz schwermüthig herum, vermied allen Umgang, und inn ers weiter gebracht hatte, als mancher Pro- feſſor auf der Univerſitaͤt. Er beſaß noch von ſei- nem Vater her, der eben dieſe Wiſſenſchaften ge- trieben hatte, eine ſchoͤne Anzahl von den herrlichſten Jnſtrumenten, Zirkeln, Quadranten, Sehroͤhren und Buͤchern mit Kupfern, die viel Gelds werth wa- ren. Dieſe machten ſeine einzige Freude auf der Welt aus. Ganze Tage durch ſaß er bey den Buͤ- chern und rechnete; und Abends, wenn der Him- mel hell war, ſah er bis um Mitternacht, und oft noch laͤnger durch ſein Sehrohr nach den Sternen und dem Mond. Jch weiß noch, was er Anno 44. fuͤr eine Freude hatte, als der groſſe Komet am Himmel ſtand; wie er uns alles erklaͤrte, und vorrechnete, wann der Wunderſtern wieder kommen werde. Vor ungefaͤhr zwanzig Jahren kriegte er von ſeiner Mutter, die im Frankenlande wohnte, Nachricht, daß ſie nicht nur ihr ganzes anſehnli- ches Vermoͤgen verlohren habe, ſondern auch noch in eine ziemliche Schuldenlaſt geſteckt worden ſey, weil ihr zweyter Sohn, ein liederlicher Menſch, alles durchgebracht, Schulden gemacht, und zulezt ſich von den Kaiſerlichen habe anwerben laſſen. Unſer Pater Martin gieng einige Tage lang ganz ſchwermuͤthig herum, vermied allen Umgang, und <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0094" n="90"/><milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> inn ers weiter gebracht hatte, als mancher Pro-<lb/> feſſor auf der Univerſitaͤt. Er beſaß noch von ſei-<lb/> nem Vater her, der eben dieſe Wiſſenſchaften ge-<lb/> trieben hatte, eine ſchoͤne Anzahl von den herrlichſten<lb/> Jnſtrumenten, Zirkeln, Quadranten, Sehroͤhren und<lb/> Buͤchern mit Kupfern, die viel Gelds werth wa-<lb/> ren. Dieſe machten ſeine einzige Freude auf der<lb/> Welt aus. Ganze Tage durch ſaß er bey den Buͤ-<lb/> chern und rechnete; und Abends, wenn der Him-<lb/> mel hell war, ſah er bis um Mitternacht, und oft<lb/> noch laͤnger durch ſein Sehrohr nach den Sternen<lb/> und dem Mond. Jch weiß noch, was er <hi rendition="#aq">Anno</hi><lb/> 44. fuͤr eine Freude hatte, als der groſſe Komet<lb/> am Himmel ſtand; wie er uns alles erklaͤrte, und<lb/> vorrechnete, wann der Wunderſtern wieder kommen<lb/> werde. Vor ungefaͤhr zwanzig Jahren kriegte er<lb/> von ſeiner Mutter, die im Frankenlande wohnte,<lb/> Nachricht, daß ſie nicht nur ihr ganzes anſehnli-<lb/> ches Vermoͤgen verlohren habe, ſondern auch noch<lb/> in eine ziemliche Schuldenlaſt geſteckt worden ſey,<lb/> weil ihr zweyter Sohn, ein liederlicher Menſch,<lb/> alles durchgebracht, Schulden gemacht, und zulezt<lb/> ſich von den Kaiſerlichen habe anwerben laſſen.<lb/> Unſer Pater <hi rendition="#fr">Martin</hi> gieng einige Tage lang ganz<lb/> ſchwermuͤthig herum, vermied allen Umgang, und<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [90/0094]
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feſſor auf der Univerſitaͤt. Er beſaß noch von ſei-
nem Vater her, der eben dieſe Wiſſenſchaften ge-
trieben hatte, eine ſchoͤne Anzahl von den herrlichſten
Jnſtrumenten, Zirkeln, Quadranten, Sehroͤhren und
Buͤchern mit Kupfern, die viel Gelds werth wa-
ren. Dieſe machten ſeine einzige Freude auf der
Welt aus. Ganze Tage durch ſaß er bey den Buͤ-
chern und rechnete; und Abends, wenn der Him-
mel hell war, ſah er bis um Mitternacht, und oft
noch laͤnger durch ſein Sehrohr nach den Sternen
und dem Mond. Jch weiß noch, was er Anno
44. fuͤr eine Freude hatte, als der groſſe Komet
am Himmel ſtand; wie er uns alles erklaͤrte, und
vorrechnete, wann der Wunderſtern wieder kommen
werde. Vor ungefaͤhr zwanzig Jahren kriegte er
von ſeiner Mutter, die im Frankenlande wohnte,
Nachricht, daß ſie nicht nur ihr ganzes anſehnli-
ches Vermoͤgen verlohren habe, ſondern auch noch
in eine ziemliche Schuldenlaſt geſteckt worden ſey,
weil ihr zweyter Sohn, ein liederlicher Menſch,
alles durchgebracht, Schulden gemacht, und zulezt
ſich von den Kaiſerlichen habe anwerben laſſen.
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| Zitationshilfe: | Miller, Johann Martin: Siegwart. Bd. 1. Leipzig, 1776, S. 90. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/miller_siegwart01_1776/94>, abgerufen am 22.11.2024. |
