Als sie in der späten Dämmerung zu Hau- se wieder ankamen, setzten sie sich vor dem Abend- essen noch im Zimmer neben einander. Kron- helm hatte seine Hand in Theresens Hand ge- legt, und sprach nichts. Es ward immer dunkler um ihn her, sein Blick ward trüber, und sein Herz schwerer. Er dachte viel, und dachte nichts. Weinen könnt er nicht; sein Herz war gespannt, und wollte bersten. Zuweilen kam ein Seufzer aus dem Jnnersten, hub die Brust hoch auf, zit- terte herauf, und brach mit Gewalt hervor. Dann drückte Therese ihm mit Heftigkeit die Hand. Jhr war die Wohlthat der Thränen nicht versagt, und sie rieselten häufig über ihre blassen Wangen. Zuletzt konnte sich Kronhelm nicht mehr halten; er stand auf, gieng im Zimmer hef- tig hin und her; warf sich in der Ecke des Zim- mers auf einen Stuhl; stand wieder auf, und setzte sich wieder zu Theresen. Sie saß mit dem Kopf rückwärts an die Lehne des Stuhls gelehnt; ihre schönen Augen waren in die Höhe gerichtet, und die helle Thräne glänzte drinn. -- Ach! daß wir uns verlassen müssen! sagte er. Sie schwieg. Sie legte ihre Hand wieder in die sei- nige; sah ihn an, und wieder auf die Seite. Jhr
Als ſie in der ſpaͤten Daͤmmerung zu Hau- ſe wieder ankamen, ſetzten ſie ſich vor dem Abend- eſſen noch im Zimmer neben einander. Kron- helm hatte ſeine Hand in Thereſens Hand ge- legt, und ſprach nichts. Es ward immer dunkler um ihn her, ſein Blick ward truͤber, und ſein Herz ſchwerer. Er dachte viel, und dachte nichts. Weinen koͤnnt er nicht; ſein Herz war geſpannt, und wollte berſten. Zuweilen kam ein Seufzer aus dem Jnnerſten, hub die Bruſt hoch auf, zit- terte herauf, und brach mit Gewalt hervor. Dann druͤckte Thereſe ihm mit Heftigkeit die Hand. Jhr war die Wohlthat der Thraͤnen nicht verſagt, und ſie rieſelten haͤufig uͤber ihre blaſſen Wangen. Zuletzt konnte ſich Kronhelm nicht mehr halten; er ſtand auf, gieng im Zimmer hef- tig hin und her; warf ſich in der Ecke des Zim- mers auf einen Stuhl; ſtand wieder auf, und ſetzte ſich wieder zu Thereſen. Sie ſaß mit dem Kopf ruͤckwaͤrts an die Lehne des Stuhls gelehnt; ihre ſchoͤnen Augen waren in die Hoͤhe gerichtet, und die helle Thraͤne glaͤnzte drinn. — Ach! daß wir uns verlaſſen muͤſſen! ſagte er. Sie ſchwieg. Sie legte ihre Hand wieder in die ſei- nige; ſah ihn an, und wieder auf die Seite. Jhr
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Als ſie in der ſpaͤten Daͤmmerung zu Hau-
ſe wieder ankamen, ſetzten ſie ſich vor dem Abend-
eſſen noch im Zimmer neben einander. Kron-
helm hatte ſeine Hand in Thereſens Hand ge-
legt, und ſprach nichts. Es ward immer dunkler
um ihn her, ſein Blick ward truͤber, und ſein
Herz ſchwerer. Er dachte viel, und dachte nichts.
Weinen koͤnnt er nicht; ſein Herz war geſpannt,
und wollte berſten. Zuweilen kam ein Seufzer
aus dem Jnnerſten, hub die Bruſt hoch auf, zit-
terte herauf, und brach mit Gewalt hervor.
Dann druͤckte Thereſe ihm mit Heftigkeit die
Hand. Jhr war die Wohlthat der Thraͤnen nicht
verſagt, und ſie rieſelten haͤufig uͤber ihre blaſſen
Wangen. Zuletzt konnte ſich Kronhelm nicht
mehr halten; er ſtand auf, gieng im Zimmer hef-
tig hin und her; warf ſich in der Ecke des Zim-
mers auf einen Stuhl; ſtand wieder auf, und
ſetzte ſich wieder zu Thereſen. Sie ſaß mit dem
Kopf ruͤckwaͤrts an die Lehne des Stuhls gelehnt;
ihre ſchoͤnen Augen waren in die Hoͤhe gerichtet,
und die helle Thraͤne glaͤnzte drinn. — Ach!
daß wir uns verlaſſen muͤſſen! ſagte er. Sie
ſchwieg. Sie legte ihre Hand wieder in die ſei-
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Miller, Johann Martin: Siegwart. Bd. 1. Leipzig, 1776, S. 416. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/miller_siegwart01_1776/420>, abgerufen am 24.11.2024.
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