Therese. Ja Papa! Jch seh es ein, und dank Jhnen (sie küßte ihm die Hand) und will thun, was ich kann!
Siegwart. Nur behutsam! Du must ihn nicht beleidigen! Das hat er um uns nicht ver- dient! Xaver kann bey Gelegenheit mit ihm da- von reden; aber jetzt noch nicht! -- Sieh nur, daß du nicht viel mit ihm allein bist! Denk nicht ans Gegenwärtige! Das ist angenehm; Sondern an die Zukunft! Die ist traurig für dich und ihn, wenn ihr nicht gleich jetzt lieber leidet. -- Es ist traurig genug, daß es solche Verhältnisse in der Welt gibt! Sonst könntet ihr sehr glücklich seyn! -- Jch werde dir nie in dieser Sache etwas vorschreiben, oder dir einen Mann auforingen; da bewahre mich Gott vor! Ein rechtschaffener Vater kann nichts, als die Neigung seiner Kin- der lenken, aber ohne Zwang. Nur, wenn er sie einem Abgrund entgegen eilen sieht, dann wird ihms kein Mensch übel nehmen, daß er seine Kin- der zurückhält! -- Jch verlasse mich auf deine Klugheit, meine Tochter! Gott stärcke dich, und heile dein verwundetes Herz! -- Mit diesen Wor- ten fieng er selber an, zu weinen. Therese schluchzte laut, und küßte ihm die Hand. Xaver
Thereſe. Ja Papa! Jch ſeh es ein, und dank Jhnen (ſie kuͤßte ihm die Hand) und will thun, was ich kann!
Siegwart. Nur behutſam! Du muſt ihn nicht beleidigen! Das hat er um uns nicht ver- dient! Xaver kann bey Gelegenheit mit ihm da- von reden; aber jetzt noch nicht! — Sieh nur, daß du nicht viel mit ihm allein biſt! Denk nicht ans Gegenwaͤrtige! Das iſt angenehm; Sondern an die Zukunft! Die iſt traurig fuͤr dich und ihn, wenn ihr nicht gleich jetzt lieber leidet. — Es iſt traurig genug, daß es ſolche Verhaͤltniſſe in der Welt gibt! Sonſt koͤnntet ihr ſehr gluͤcklich ſeyn! — Jch werde dir nie in dieſer Sache etwas vorſchreiben, oder dir einen Mann auforingen; da bewahre mich Gott vor! Ein rechtſchaffener Vater kann nichts, als die Neigung ſeiner Kin- der lenken, aber ohne Zwang. Nur, wenn er ſie einem Abgrund entgegen eilen ſieht, dann wird ihms kein Menſch uͤbel nehmen, daß er ſeine Kin- der zuruͤckhaͤlt! — Jch verlaſſe mich auf deine Klugheit, meine Tochter! Gott ſtaͤrcke dich, und heile dein verwundetes Herz! — Mit dieſen Wor- ten fieng er ſelber an, zu weinen. Thereſe ſchluchzte laut, und kuͤßte ihm die Hand. Xaver
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Thereſe. Ja Papa! Jch ſeh es ein, und
dank Jhnen (ſie kuͤßte ihm die Hand) und will
thun, was ich kann!
Siegwart. Nur behutſam! Du muſt ihn
nicht beleidigen! Das hat er um uns nicht ver-
dient! Xaver kann bey Gelegenheit mit ihm da-
von reden; aber jetzt noch nicht! — Sieh nur,
daß du nicht viel mit ihm allein biſt! Denk nicht
ans Gegenwaͤrtige! Das iſt angenehm; Sondern
an die Zukunft! Die iſt traurig fuͤr dich und ihn,
wenn ihr nicht gleich jetzt lieber leidet. — Es iſt
traurig genug, daß es ſolche Verhaͤltniſſe in der
Welt gibt! Sonſt koͤnntet ihr ſehr gluͤcklich ſeyn!
— Jch werde dir nie in dieſer Sache etwas
vorſchreiben, oder dir einen Mann auforingen;
da bewahre mich Gott vor! Ein rechtſchaffener
Vater kann nichts, als die Neigung ſeiner Kin-
der lenken, aber ohne Zwang. Nur, wenn er ſie
einem Abgrund entgegen eilen ſieht, dann wird
ihms kein Menſch uͤbel nehmen, daß er ſeine Kin-
der zuruͤckhaͤlt! — Jch verlaſſe mich auf deine
Klugheit, meine Tochter! Gott ſtaͤrcke dich, und
heile dein verwundetes Herz! — Mit dieſen Wor-
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ſchluchzte laut, und kuͤßte ihm die Hand. Xaver
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Miller, Johann Martin: Siegwart. Bd. 1. Leipzig, 1776, S. 395. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/miller_siegwart01_1776/399>, abgerufen am 22.11.2024.
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