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Miller, Johann Martin: Siegwart. Bd. 1. Leipzig, 1776.

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glauben, du habest sonst kein anders Kleid? Den
Augenblick! -- Der Mann lief stillschweigend
weg, um sich umzukleiden. Nach vielen Kom-
plimenten setzte sie sich nieder, spielte mit dem Fä-
cher, und gab ihren Töchtern einen Wink, sich
zu entfernen, und sich umzukleiden. Als sie
Kronhelms Namen hörte, und daß er von Adel
sey, stand sie wieder auf; fieng von neuem ihre
Komplimente an; und schätzte sich doppelt glück-
lich, einen Kavalier in ihrem Haus zu haben.
Nur bedaurte sie aufs neu, daß er alles so in
Unordnung angetroffen habe. Es ist ein trau-
riges Leben auf dem Lande! sagte sie. Man
mag auch noch so sehr auf Nettigkeit und Ord-
nung sehen, man kanns doch nie ganz erhalten;
es kommt einem hundertley dazwischen; wenns
auch nur die Fliegen wären, die sich haufenweis
auf alles hinsetzen, und es beschmutzen. Da ists
in meinem lieben Augspurg ganz anders; da ist
alles so reinlich, und so nett; da glänzt alles;
kein Stäubchen darf man im Zimmer sehn; und
Fliegen sieht man auch beynahe gar nicht. Jch
kanns meinem Papa und meiner Mama noch
nicht vergeben, daß sie mich aufs Land verheyra-
thet haben! Man ist von allem abgesondert und



glauben, du habeſt ſonſt kein anders Kleid? Den
Augenblick! — Der Mann lief ſtillſchweigend
weg, um ſich umzukleiden. Nach vielen Kom-
plimenten ſetzte ſie ſich nieder, ſpielte mit dem Faͤ-
cher, und gab ihren Toͤchtern einen Wink, ſich
zu entfernen, und ſich umzukleiden. Als ſie
Kronhelms Namen hoͤrte, und daß er von Adel
ſey, ſtand ſie wieder auf; fieng von neuem ihre
Komplimente an; und ſchaͤtzte ſich doppelt gluͤck-
lich, einen Kavalier in ihrem Haus zu haben.
Nur bedaurte ſie aufs neu, daß er alles ſo in
Unordnung angetroffen habe. Es iſt ein trau-
riges Leben auf dem Lande! ſagte ſie. Man
mag auch noch ſo ſehr auf Nettigkeit und Ord-
nung ſehen, man kanns doch nie ganz erhalten;
es kommt einem hundertley dazwiſchen; wenns
auch nur die Fliegen waͤren, die ſich haufenweis
auf alles hinſetzen, und es beſchmutzen. Da iſts
in meinem lieben Augſpurg ganz anders; da iſt
alles ſo reinlich, und ſo nett; da glaͤnzt alles;
kein Staͤubchen darf man im Zimmer ſehn; und
Fliegen ſieht man auch beynahe gar nicht. Jch
kanns meinem Papa und meiner Mama noch
nicht vergeben, daß ſie mich aufs Land verheyra-
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[377/0381] glauben, du habeſt ſonſt kein anders Kleid? Den Augenblick! — Der Mann lief ſtillſchweigend weg, um ſich umzukleiden. Nach vielen Kom- plimenten ſetzte ſie ſich nieder, ſpielte mit dem Faͤ- cher, und gab ihren Toͤchtern einen Wink, ſich zu entfernen, und ſich umzukleiden. Als ſie Kronhelms Namen hoͤrte, und daß er von Adel ſey, ſtand ſie wieder auf; fieng von neuem ihre Komplimente an; und ſchaͤtzte ſich doppelt gluͤck- lich, einen Kavalier in ihrem Haus zu haben. Nur bedaurte ſie aufs neu, daß er alles ſo in Unordnung angetroffen habe. Es iſt ein trau- riges Leben auf dem Lande! ſagte ſie. Man mag auch noch ſo ſehr auf Nettigkeit und Ord- nung ſehen, man kanns doch nie ganz erhalten; es kommt einem hundertley dazwiſchen; wenns auch nur die Fliegen waͤren, die ſich haufenweis auf alles hinſetzen, und es beſchmutzen. Da iſts in meinem lieben Augſpurg ganz anders; da iſt alles ſo reinlich, und ſo nett; da glaͤnzt alles; kein Staͤubchen darf man im Zimmer ſehn; und Fliegen ſieht man auch beynahe gar nicht. Jch kanns meinem Papa und meiner Mama noch nicht vergeben, daß ſie mich aufs Land verheyra- thet haben! Man iſt von allem abgeſondert und

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Zitationshilfe: Miller, Johann Martin: Siegwart. Bd. 1. Leipzig, 1776, S. 377. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/miller_siegwart01_1776/381>, abgerufen am 24.11.2024.