Miller, Johann Martin: Siegwart. Bd. 1. Leipzig, 1776.alles ordentlich. Jch sag dirs tausendmal, Mann! sagte sie, daß du alles so herumfahren lässest, und dich nie an keine Ordnung gewöhnst! Wenn man dann einmal so vornehme Gäste bekommt, wie wir heut die Ehre haben, (hier verneigte sie sich sehr tief) da muß man ja mit Schimpf und Schande bestehen! Nehmen Sies doch nicht übel! Was werden Sie zu Hause sagen, daß ich so ein unordentliches Weib sey? Man glaubt ja, man komm in eine Baurenstube! -- Jndeß räumte der Amtmann stillschweigend auf. Sie redete ihm immer ein, und sagte: Das gehört dahin, und das dorthin u. s. w. Sie beurlaubte sich auf einige Augenblicke. Therese besprach sich in- deß mit ihren Töchtern. Der Amtmann sprach, wiewohl ängstlich, indem er immer dazwischen seine Schriften aufräumte, mit Kronhelm und mit Siegwart. Endlich, als er fertig zu seyn glaubte, setzte er sich zu ihnen, und fieng ein sehr vernünftiges Gespräch an. Allein seine Frau kam im grösten Staat, mit einem hohen Kopfputz und einem Reifrock herein, und machte eine tiefe Ver- beugung. Um Gottes Willen, Mann, sagte sie, was ist das? Du setzst dich in deinem abgeschab- ten Rock zu den Herren hin? Sollte man nicht alles ordentlich. Jch ſag dirs tauſendmal, Mann! ſagte ſie, daß du alles ſo herumfahren laͤſſeſt, und dich nie an keine Ordnung gewoͤhnſt! Wenn man dann einmal ſo vornehme Gaͤſte bekommt, wie wir heut die Ehre haben, (hier verneigte ſie ſich ſehr tief) da muß man ja mit Schimpf und Schande beſtehen! Nehmen Sies doch nicht uͤbel! Was werden Sie zu Hauſe ſagen, daß ich ſo ein unordentliches Weib ſey? Man glaubt ja, man komm in eine Baurenſtube! — Jndeß raͤumte der Amtmann ſtillſchweigend auf. Sie redete ihm immer ein, und ſagte: Das gehoͤrt dahin, und das dorthin u. ſ. w. Sie beurlaubte ſich auf einige Augenblicke. Thereſe beſprach ſich in- deß mit ihren Toͤchtern. Der Amtmann ſprach, wiewohl aͤngſtlich, indem er immer dazwiſchen ſeine Schriften aufraͤumte, mit Kronhelm und mit Siegwart. Endlich, als er fertig zu ſeyn glaubte, ſetzte er ſich zu ihnen, und fieng ein ſehr vernuͤnftiges Geſpraͤch an. Allein ſeine Frau kam im groͤſten Staat, mit einem hohen Kopfputz und einem Reifrock herein, und machte eine tiefe Ver- beugung. Um Gottes Willen, Mann, ſagte ſie, was iſt das? Du ſetzſt dich in deinem abgeſchab- ten Rock zu den Herren hin? Sollte man nicht <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0380" n="376"/><milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> alles ordentlich. Jch ſag dirs tauſendmal, Mann!<lb/> ſagte ſie, daß du alles ſo herumfahren laͤſſeſt, und<lb/> dich nie an keine Ordnung gewoͤhnſt! Wenn man<lb/> dann einmal ſo vornehme Gaͤſte bekommt, wie<lb/> wir heut die Ehre haben, (hier verneigte ſie ſich<lb/> ſehr tief) da muß man ja mit Schimpf und<lb/> Schande beſtehen! Nehmen Sies doch nicht uͤbel!<lb/> Was werden Sie zu Hauſe ſagen, daß ich ſo ein<lb/> unordentliches Weib ſey? Man glaubt ja, man<lb/> komm in eine Baurenſtube! — Jndeß raͤumte<lb/> der Amtmann ſtillſchweigend auf. Sie redete<lb/> ihm immer ein, und ſagte: Das gehoͤrt dahin,<lb/> und das dorthin u. ſ. w. Sie beurlaubte ſich<lb/> auf einige Augenblicke. <hi rendition="#fr">Thereſe</hi> beſprach ſich in-<lb/> deß mit ihren Toͤchtern. Der Amtmann ſprach,<lb/> wiewohl aͤngſtlich, indem er immer dazwiſchen<lb/> ſeine Schriften aufraͤumte, mit <hi rendition="#fr">Kronhelm</hi> und<lb/> mit <hi rendition="#fr">Siegwart.</hi> Endlich, als er fertig zu ſeyn<lb/> glaubte, ſetzte er ſich zu ihnen, und fieng ein ſehr<lb/> vernuͤnftiges Geſpraͤch an. Allein ſeine Frau kam<lb/> im groͤſten Staat, mit einem hohen Kopfputz und<lb/> einem Reifrock herein, und machte eine tiefe Ver-<lb/> beugung. Um Gottes Willen, Mann, ſagte ſie,<lb/> was iſt das? Du ſetzſt dich in deinem abgeſchab-<lb/> ten Rock zu den Herren hin? Sollte man nicht<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [376/0380]
alles ordentlich. Jch ſag dirs tauſendmal, Mann!
ſagte ſie, daß du alles ſo herumfahren laͤſſeſt, und
dich nie an keine Ordnung gewoͤhnſt! Wenn man
dann einmal ſo vornehme Gaͤſte bekommt, wie
wir heut die Ehre haben, (hier verneigte ſie ſich
ſehr tief) da muß man ja mit Schimpf und
Schande beſtehen! Nehmen Sies doch nicht uͤbel!
Was werden Sie zu Hauſe ſagen, daß ich ſo ein
unordentliches Weib ſey? Man glaubt ja, man
komm in eine Baurenſtube! — Jndeß raͤumte
der Amtmann ſtillſchweigend auf. Sie redete
ihm immer ein, und ſagte: Das gehoͤrt dahin,
und das dorthin u. ſ. w. Sie beurlaubte ſich
auf einige Augenblicke. Thereſe beſprach ſich in-
deß mit ihren Toͤchtern. Der Amtmann ſprach,
wiewohl aͤngſtlich, indem er immer dazwiſchen
ſeine Schriften aufraͤumte, mit Kronhelm und
mit Siegwart. Endlich, als er fertig zu ſeyn
glaubte, ſetzte er ſich zu ihnen, und fieng ein ſehr
vernuͤnftiges Geſpraͤch an. Allein ſeine Frau kam
im groͤſten Staat, mit einem hohen Kopfputz und
einem Reifrock herein, und machte eine tiefe Ver-
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