Miller, Johann Martin: Siegwart. Bd. 1. Leipzig, 1776.sie's ihren Mann entgelten, und fieng einen gros- sen Lerm im Haus an. Aus deiner Schwester wird was schönes werden! sagte sie. Das Mä- del thut so stolz, als ob sie schon eine gnädige Frau wäre, und ihren kahlen Junker schon hätte. Ja! sie mag sichs nur einbilden! Der Junker wird sie prellen, wie's die Leute immer machen. Es ist eine Schande, daß ihn dein Vater so ein- setzt! Aber heut will ich ihms sagen, und ihn gutmeynend warnen, daß er auf sein Mädel acht gibt, und ihr die Träumereyen aus dem Kopf bringt! Karl schien weniger böse gegen seine Schwe- ster zu seyn; denn er dachte: wenn sie einen rei- chen Junker kriegt, so wird sie von ihrem väter- lichen Vermögen nichts haben wollen. Er hielt also ihre Partie, und ließ sich von seiner Frau brav ausschelten. Nach Tisch fuhren die jungen Leute zum Amtmann in Belldorf. Karls Frau war der Gegenstand ihres Gesprächs; sie bedaur- ten ihren Mann, und sie selbst, indem sie ihres Lebens und Vermögens gar nicht froh ward; denn der Geiz machte ihr jeden Bissen, den sie, oder andere genossen, bitter. Jn Belldorf, sag- te Therese zu Kronhelm, werden Sie auch eine sonderbare Frau von einer andern Gattung an- ſie’s ihren Mann entgelten, und fieng einen groſ- ſen Lerm im Haus an. Aus deiner Schweſter wird was ſchoͤnes werden! ſagte ſie. Das Maͤ- del thut ſo ſtolz, als ob ſie ſchon eine gnaͤdige Frau waͤre, und ihren kahlen Junker ſchon haͤtte. Ja! ſie mag ſichs nur einbilden! Der Junker wird ſie prellen, wie’s die Leute immer machen. Es iſt eine Schande, daß ihn dein Vater ſo ein- ſetzt! Aber heut will ich ihms ſagen, und ihn gutmeynend warnen, daß er auf ſein Maͤdel acht gibt, und ihr die Traͤumereyen aus dem Kopf bringt! Karl ſchien weniger boͤſe gegen ſeine Schwe- ſter zu ſeyn; denn er dachte: wenn ſie einen rei- chen Junker kriegt, ſo wird ſie von ihrem vaͤter- lichen Vermoͤgen nichts haben wollen. Er hielt alſo ihre Partie, und ließ ſich von ſeiner Frau brav ausſchelten. Nach Tiſch fuhren die jungen Leute zum Amtmann in Belldorf. Karls Frau war der Gegenſtand ihres Geſpraͤchs; ſie bedaur- ten ihren Mann, und ſie ſelbſt, indem ſie ihres Lebens und Vermoͤgens gar nicht froh ward; denn der Geiz machte ihr jeden Biſſen, den ſie, oder andere genoſſen, bitter. Jn Belldorf, ſag- te Thereſe zu Kronhelm, werden Sie auch eine ſonderbare Frau von einer andern Gattung an- <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0376" n="362"/><milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> ſie’s ihren Mann entgelten, und fieng einen groſ-<lb/> ſen Lerm im Haus an. Aus deiner Schweſter<lb/> wird was ſchoͤnes werden! ſagte ſie. Das Maͤ-<lb/> del thut ſo ſtolz, als ob ſie ſchon eine gnaͤdige<lb/> Frau waͤre, und ihren kahlen Junker ſchon haͤtte.<lb/> Ja! ſie mag ſichs nur einbilden! Der Junker<lb/> wird ſie prellen, wie’s die Leute immer machen.<lb/> Es iſt eine Schande, daß ihn dein Vater ſo ein-<lb/> ſetzt! Aber heut will ich ihms ſagen, und ihn<lb/> gutmeynend warnen, daß er auf ſein Maͤdel acht<lb/> gibt, und ihr die Traͤumereyen aus dem Kopf<lb/> bringt! <hi rendition="#fr">Karl</hi> ſchien weniger boͤſe gegen ſeine Schwe-<lb/> ſter zu ſeyn; denn er dachte: wenn ſie einen rei-<lb/> chen Junker kriegt, ſo wird ſie von ihrem vaͤter-<lb/> lichen Vermoͤgen nichts haben wollen. Er hielt<lb/> alſo ihre Partie, und ließ ſich von ſeiner Frau<lb/> brav ausſchelten. Nach Tiſch fuhren die jungen<lb/> Leute zum Amtmann in <hi rendition="#fr">Belldorf. Karls</hi> Frau<lb/> war der Gegenſtand ihres Geſpraͤchs; ſie bedaur-<lb/> ten ihren Mann, und ſie ſelbſt, indem ſie ihres<lb/> Lebens und Vermoͤgens gar nicht froh ward;<lb/> denn der Geiz machte ihr jeden Biſſen, den ſie,<lb/> oder andere genoſſen, bitter. Jn <hi rendition="#fr">Belldorf,</hi> ſag-<lb/> te <hi rendition="#fr">Thereſe</hi> zu <hi rendition="#fr">Kronhelm,</hi> werden Sie auch eine<lb/> ſonderbare Frau von einer andern Gattung an-<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [362/0376]
ſie’s ihren Mann entgelten, und fieng einen groſ-
ſen Lerm im Haus an. Aus deiner Schweſter
wird was ſchoͤnes werden! ſagte ſie. Das Maͤ-
del thut ſo ſtolz, als ob ſie ſchon eine gnaͤdige
Frau waͤre, und ihren kahlen Junker ſchon haͤtte.
Ja! ſie mag ſichs nur einbilden! Der Junker
wird ſie prellen, wie’s die Leute immer machen.
Es iſt eine Schande, daß ihn dein Vater ſo ein-
ſetzt! Aber heut will ich ihms ſagen, und ihn
gutmeynend warnen, daß er auf ſein Maͤdel acht
gibt, und ihr die Traͤumereyen aus dem Kopf
bringt! Karl ſchien weniger boͤſe gegen ſeine Schwe-
ſter zu ſeyn; denn er dachte: wenn ſie einen rei-
chen Junker kriegt, ſo wird ſie von ihrem vaͤter-
lichen Vermoͤgen nichts haben wollen. Er hielt
alſo ihre Partie, und ließ ſich von ſeiner Frau
brav ausſchelten. Nach Tiſch fuhren die jungen
Leute zum Amtmann in Belldorf. Karls Frau
war der Gegenſtand ihres Geſpraͤchs; ſie bedaur-
ten ihren Mann, und ſie ſelbſt, indem ſie ihres
Lebens und Vermoͤgens gar nicht froh ward;
denn der Geiz machte ihr jeden Biſſen, den ſie,
oder andere genoſſen, bitter. Jn Belldorf, ſag-
te Thereſe zu Kronhelm, werden Sie auch eine
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