Miller, Johann Martin: Siegwart. Bd. 1. Leipzig, 1776.gegen, und bewillkommte sie. Er machte There- sen Vorwürse, daß sie ihn so lange nicht besucht habe. Sie entschuldigte sich mit der Hochzeit ih- res Bruders und mit andern Geschäften. Von Siegwart sagte er: Er sey so gewachsen, und habe sich so verändert, daß er ihn beynahe nicht mehr kenne. Kronhelms Mutter erinnerte er sich, recht wohl gekannt zu haben, weil er damals in der Nachbarschaft von ihrem Landgut Pfarrer war. Jch bin oft bey ihr gewesen, sagte er; Es war eine gar trefliche Frau. Damals, Jun- ker, waren Sie noch klein; ich kann mirs wol noch vorstellen, wie Sie in einem grünen Husa- renwamms auf dem Steckenpferd herumritten. Nicht wahr, Fritz heissen Sie? -- Ja, ja, Sie kamen einmal ins Zimmer, und wollten ein Stück Brod von der Mama haben; es sey ein Bettel- bub draussen, der sey hungrig. Das hat mir wohlgefallen an so einem jungen Herrn. Aber von der seligen Frau konnten Sies auch nicht anders lernen; sie war eine grosse Wohlthäterinn der Armuth. Wenn ich in meinem Dorf Kran- ke hatte, so gieng ich nur zu ihr; da gab sie mir guten Rath, und Hausmittelchen. Jch hab auch manch schönes Buch aus der Medicin von ihr gegen, und bewillkommte ſie. Er machte There- ſen Vorwuͤrſe, daß ſie ihn ſo lange nicht beſucht habe. Sie entſchuldigte ſich mit der Hochzeit ih- res Bruders und mit andern Geſchaͤften. Von Siegwart ſagte er: Er ſey ſo gewachſen, und habe ſich ſo veraͤndert, daß er ihn beynahe nicht mehr kenne. Kronhelms Mutter erinnerte er ſich, recht wohl gekannt zu haben, weil er damals in der Nachbarſchaft von ihrem Landgut Pfarrer war. Jch bin oft bey ihr geweſen, ſagte er; Es war eine gar trefliche Frau. Damals, Jun- ker, waren Sie noch klein; ich kann mirs wol noch vorſtellen, wie Sie in einem gruͤnen Huſa- renwamms auf dem Steckenpferd herumritten. Nicht wahr, Fritz heiſſen Sie? — Ja, ja, Sie kamen einmal ins Zimmer, und wollten ein Stuͤck Brod von der Mama haben; es ſey ein Bettel- bub drauſſen, der ſey hungrig. Das hat mir wohlgefallen an ſo einem jungen Herrn. Aber von der ſeligen Frau konnten Sies auch nicht anders lernen; ſie war eine groſſe Wohlthaͤterinn der Armuth. Wenn ich in meinem Dorf Kran- ke hatte, ſo gieng ich nur zu ihr; da gab ſie mir guten Rath, und Hausmittelchen. Jch hab auch manch ſchoͤnes Buch aus der Medicin von ihr <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0358" n="354"/><milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> gegen, und bewillkommte ſie. Er machte <hi rendition="#fr">There-<lb/> ſen</hi> Vorwuͤrſe, daß ſie ihn ſo lange nicht beſucht<lb/> habe. Sie entſchuldigte ſich mit der Hochzeit ih-<lb/> res Bruders und mit andern Geſchaͤften. Von<lb/><hi rendition="#fr">Siegwart</hi> ſagte er: Er ſey ſo gewachſen, und<lb/> habe ſich ſo veraͤndert, daß er ihn beynahe nicht<lb/> mehr kenne. <hi rendition="#fr">Kronhelms</hi> Mutter erinnerte er<lb/> ſich, recht wohl gekannt zu haben, weil er damals<lb/> in der Nachbarſchaft von ihrem Landgut Pfarrer<lb/> war. Jch bin oft bey ihr geweſen, ſagte er;<lb/> Es war eine gar trefliche Frau. Damals, Jun-<lb/> ker, waren Sie noch klein; ich kann mirs wol<lb/> noch vorſtellen, wie Sie in einem gruͤnen Huſa-<lb/> renwamms auf dem Steckenpferd herumritten.<lb/> Nicht wahr, <hi rendition="#fr">Fritz</hi> heiſſen Sie? — Ja, ja, Sie<lb/> kamen einmal ins Zimmer, und wollten ein Stuͤck<lb/> Brod von der Mama haben; es ſey ein Bettel-<lb/> bub drauſſen, der ſey hungrig. Das hat mir<lb/> wohlgefallen an ſo einem jungen Herrn. Aber<lb/> von der ſeligen Frau konnten Sies auch nicht<lb/> anders lernen; ſie war eine groſſe Wohlthaͤterinn<lb/> der Armuth. Wenn ich in meinem Dorf Kran-<lb/> ke hatte, ſo gieng ich nur zu ihr; da gab ſie mir<lb/> guten Rath, und Hausmittelchen. Jch hab auch<lb/> manch ſchoͤnes Buch aus der Medicin von ihr<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [354/0358]
gegen, und bewillkommte ſie. Er machte There-
ſen Vorwuͤrſe, daß ſie ihn ſo lange nicht beſucht
habe. Sie entſchuldigte ſich mit der Hochzeit ih-
res Bruders und mit andern Geſchaͤften. Von
Siegwart ſagte er: Er ſey ſo gewachſen, und
habe ſich ſo veraͤndert, daß er ihn beynahe nicht
mehr kenne. Kronhelms Mutter erinnerte er
ſich, recht wohl gekannt zu haben, weil er damals
in der Nachbarſchaft von ihrem Landgut Pfarrer
war. Jch bin oft bey ihr geweſen, ſagte er;
Es war eine gar trefliche Frau. Damals, Jun-
ker, waren Sie noch klein; ich kann mirs wol
noch vorſtellen, wie Sie in einem gruͤnen Huſa-
renwamms auf dem Steckenpferd herumritten.
Nicht wahr, Fritz heiſſen Sie? — Ja, ja, Sie
kamen einmal ins Zimmer, und wollten ein Stuͤck
Brod von der Mama haben; es ſey ein Bettel-
bub drauſſen, der ſey hungrig. Das hat mir
wohlgefallen an ſo einem jungen Herrn. Aber
von der ſeligen Frau konnten Sies auch nicht
anders lernen; ſie war eine groſſe Wohlthaͤterinn
der Armuth. Wenn ich in meinem Dorf Kran-
ke hatte, ſo gieng ich nur zu ihr; da gab ſie mir
guten Rath, und Hausmittelchen. Jch hab auch
manch ſchoͤnes Buch aus der Medicin von ihr
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |