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Miller, Johann Martin: Siegwart. Bd. 1. Leipzig, 1776.

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Linden drum herum; und dann lesen wir im
Klopstock und im Kleist. Die andern Bücher
werfen wir, bis auf etliche, ins Feuer. Auch ei-
nen kleinen Altar von Rasen richt' ich auf und
da halten wir Morgens und des Sonntags Got-
tesdienst dabey! Jch will Priester seyn! Pater
Anton soll auch zu uns kommen, wenn er noch
lebt! Auch etlich andre redliche Leute! Wir sel-
ber gehen nie in die Welt; da haben wir einen
Boten, der uns das Nöthigsie herausholt. O, es
soll herrlich werden!

So träumten sie fort, und bildeten den
Traum immer mehr aus, bis sie an des alten
Pfarrers Wohnung kamen. Siegwarten brachte
seine lebhafte Einbildungskraft so weit, das er al-
les für Ernst, und nicht mehr für einen Traum
hielt. Die ganze Sache schien ihm zum Aus-
führen sehr leicht zu seyn, und er dachte immer
hin und her, das Jdeal noch vollkommener zu
machen. Er ward beynahe böse, wenn er sah,
daß Kronhelm und seine Schwester zuweilen noch
Scherz mit einmischten.

Der Prediger, der sie schon im Hof unten
hatte sprechen hören, kam ihnen an der Thür ent-

Z



Linden drum herum; und dann leſen wir im
Klopſtock und im Kleiſt. Die andern Buͤcher
werfen wir, bis auf etliche, ins Feuer. Auch ei-
nen kleinen Altar von Raſen richt’ ich auf und
da halten wir Morgens und des Sonntags Got-
tesdienſt dabey! Jch will Prieſter ſeyn! Pater
Anton ſoll auch zu uns kommen, wenn er noch
lebt! Auch etlich andre redliche Leute! Wir ſel-
ber gehen nie in die Welt; da haben wir einen
Boten, der uns das Noͤthigſie herausholt. O, es
ſoll herrlich werden!

So traͤumten ſie fort, und bildeten den
Traum immer mehr aus, bis ſie an des alten
Pfarrers Wohnung kamen. Siegwarten brachte
ſeine lebhafte Einbildungskraft ſo weit, das er al-
les fuͤr Ernſt, und nicht mehr fuͤr einen Traum
hielt. Die ganze Sache ſchien ihm zum Aus-
fuͤhren ſehr leicht zu ſeyn, und er dachte immer
hin und her, das Jdeal noch vollkommener zu
machen. Er ward beynahe boͤſe, wenn er ſah,
daß Kronhelm und ſeine Schweſter zuweilen noch
Scherz mit einmiſchten.

Der Prediger, der ſie ſchon im Hof unten
hatte ſprechen hoͤren, kam ihnen an der Thuͤr ent-

Z
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[353/0357] Linden drum herum; und dann leſen wir im Klopſtock und im Kleiſt. Die andern Buͤcher werfen wir, bis auf etliche, ins Feuer. Auch ei- nen kleinen Altar von Raſen richt’ ich auf und da halten wir Morgens und des Sonntags Got- tesdienſt dabey! Jch will Prieſter ſeyn! Pater Anton ſoll auch zu uns kommen, wenn er noch lebt! Auch etlich andre redliche Leute! Wir ſel- ber gehen nie in die Welt; da haben wir einen Boten, der uns das Noͤthigſie herausholt. O, es ſoll herrlich werden! So traͤumten ſie fort, und bildeten den Traum immer mehr aus, bis ſie an des alten Pfarrers Wohnung kamen. Siegwarten brachte ſeine lebhafte Einbildungskraft ſo weit, das er al- les fuͤr Ernſt, und nicht mehr fuͤr einen Traum hielt. Die ganze Sache ſchien ihm zum Aus- fuͤhren ſehr leicht zu ſeyn, und er dachte immer hin und her, das Jdeal noch vollkommener zu machen. Er ward beynahe boͤſe, wenn er ſah, daß Kronhelm und ſeine Schweſter zuweilen noch Scherz mit einmiſchten. Der Prediger, der ſie ſchon im Hof unten hatte ſprechen hoͤren, kam ihnen an der Thuͤr ent- Z

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Zitationshilfe: Miller, Johann Martin: Siegwart. Bd. 1. Leipzig, 1776, S. 353. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/miller_siegwart01_1776/357>, abgerufen am 23.11.2024.