aber nur ganz dunkel, und im Jnnersten des Her- zens: Möchte mich der Engel lieben!
Auf den folgenden Tag ward ein Besuch beym Prediger in Windenheim festgesetzt. Den Morgen vorher waren sie viel im Garten, wo Therese, weil es wolkigt war, und den Anschein zu einem Regen hatte, Salat pflanzte, den ihr Kronhelm reichte. Er sah hundertmal nach dem Himmel, ob er sich nicht aufheitre? Jedes neu- aufsteigende Wölkchen erschröckte ihn. Er fragte Siegwart und Theresen mehr, als zwanzigmal, ob das Wetter wol gut werden werde? Er that ost zweiselhaft, und sagte: nun würds gleich zu regnen anfangen. Aber er sagte es nur in der Absicht, daß man ihm wiedersprechen möchte. Therese, die das merkte, gab sich das Ansehen einer grossen Wetterkennerinn; nahm eine zwey- deutige Mine an, und erschröckte ihn alle Augen- blicke mit der Nachricht, daß der Regen vor der Thür sey. Kronhelm jammerte, daß sie nun nicht zum Prediger gehen könnten, und er habe sich doch schon so lange drauf gefreut. Endlich trieb ein schneller Ostwind die Wolken weg, und der Himmel wurde heiter. Mit ihm heiterte sich Kronhelms Gesicht merklich auf. Ja, wenn der
aber nur ganz dunkel, und im Jnnerſten des Her- zens: Moͤchte mich der Engel lieben!
Auf den folgenden Tag ward ein Beſuch beym Prediger in Windenheim feſtgeſetzt. Den Morgen vorher waren ſie viel im Garten, wo Thereſe, weil es wolkigt war, und den Anſchein zu einem Regen hatte, Salat pflanzte, den ihr Kronhelm reichte. Er ſah hundertmal nach dem Himmel, ob er ſich nicht aufheitre? Jedes neu- aufſteigende Woͤlkchen erſchroͤckte ihn. Er fragte Siegwart und Thereſen mehr, als zwanzigmal, ob das Wetter wol gut werden werde? Er that oſt zweiſelhaft, und ſagte: nun wuͤrds gleich zu regnen anfangen. Aber er ſagte es nur in der Abſicht, daß man ihm wiederſprechen moͤchte. Thereſe, die das merkte, gab ſich das Anſehen einer groſſen Wetterkennerinn; nahm eine zwey- deutige Mine an, und erſchroͤckte ihn alle Augen- blicke mit der Nachricht, daß der Regen vor der Thuͤr ſey. Kronhelm jammerte, daß ſie nun nicht zum Prediger gehen koͤnnten, und er habe ſich doch ſchon ſo lange drauf gefreut. Endlich trieb ein ſchneller Oſtwind die Wolken weg, und der Himmel wurde heiter. Mit ihm heiterte ſich Kronhelms Geſicht merklich auf. Ja, wenn der
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aber nur ganz dunkel, und im Jnnerſten des Her-
zens: Moͤchte mich der Engel lieben!
Auf den folgenden Tag ward ein Beſuch
beym Prediger in Windenheim feſtgeſetzt. Den
Morgen vorher waren ſie viel im Garten, wo
Thereſe, weil es wolkigt war, und den Anſchein
zu einem Regen hatte, Salat pflanzte, den ihr
Kronhelm reichte. Er ſah hundertmal nach dem
Himmel, ob er ſich nicht aufheitre? Jedes neu-
aufſteigende Woͤlkchen erſchroͤckte ihn. Er fragte
Siegwart und Thereſen mehr, als zwanzigmal,
ob das Wetter wol gut werden werde? Er that
oſt zweiſelhaft, und ſagte: nun wuͤrds gleich zu
regnen anfangen. Aber er ſagte es nur in der
Abſicht, daß man ihm wiederſprechen moͤchte.
Thereſe, die das merkte, gab ſich das Anſehen
einer groſſen Wetterkennerinn; nahm eine zwey-
deutige Mine an, und erſchroͤckte ihn alle Augen-
blicke mit der Nachricht, daß der Regen vor der
Thuͤr ſey. Kronhelm jammerte, daß ſie nun
nicht zum Prediger gehen koͤnnten, und er habe
ſich doch ſchon ſo lange drauf gefreut. Endlich
trieb ein ſchneller Oſtwind die Wolken weg, und
der Himmel wurde heiter. Mit ihm heiterte ſich
Kronhelms Geſicht merklich auf. Ja, wenn der
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Miller, Johann Martin: Siegwart. Bd. 1. Leipzig, 1776, S. 348. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/miller_siegwart01_1776/352>, abgerufen am 22.11.2024.
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