Siegwart hatte schon lang in das Kapu- zinerkloster gehen wollen, das dicht am Städt- chen lag, und war immer dran verhindert wor- den. Endlich gieng er an einem Heiligentage mit Kronhelm hinaus, in die Predigt. Er hörte eine höchstfabelhafte und abgeschmackte Lobrede auf den heiligen Bischof Martin, bey der das Lachen weit natürlicher war, als Andacht und Er- bauung. Nach diesem gieng er im Klostergarten spatzieren, in der Absicht, mit einem, oder dem andern Pater bekannt zu werden. Endlich rede- te er einen an, der ihm aber sehr kurz antwor- tete. Ein andrer, den er drauf antraf, war weit freundlicher, und freute sich sehr über die Nach- richt, daß er auch ein Kapuziner werden wolle. Er versprach, dieß seinen übrigen Brüdern zu sagen, und setzte hinzu: Wir werden ihn bald einmal zum Essen bitten lassen. Besuch er mich indessen mit seinem Freunde, wenn er will! Es soll mich immer freuen. Nach acht Tagen wurde Siegwart zum Essen eingeladen. Die Patres alle empfiengen ihn sehr freundschaftlich. Ueber Tische fieng der Prior an: Aber, Monsieur Sieg- wart, es ist löblich und uns allen sehr erfreulich, daß er in unsern heiligen Orden eintreten will;
Siegwart hatte ſchon lang in das Kapu- zinerkloſter gehen wollen, das dicht am Staͤdt- chen lag, und war immer dran verhindert wor- den. Endlich gieng er an einem Heiligentage mit Kronhelm hinaus, in die Predigt. Er hoͤrte eine hoͤchſtfabelhafte und abgeſchmackte Lobrede auf den heiligen Biſchof Martin, bey der das Lachen weit natuͤrlicher war, als Andacht und Er- bauung. Nach dieſem gieng er im Kloſtergarten ſpatzieren, in der Abſicht, mit einem, oder dem andern Pater bekannt zu werden. Endlich rede- te er einen an, der ihm aber ſehr kurz antwor- tete. Ein andrer, den er drauf antraf, war weit freundlicher, und freute ſich ſehr uͤber die Nach- richt, daß er auch ein Kapuziner werden wolle. Er verſprach, dieß ſeinen uͤbrigen Bruͤdern zu ſagen, und ſetzte hinzu: Wir werden ihn bald einmal zum Eſſen bitten laſſen. Beſuch er mich indeſſen mit ſeinem Freunde, wenn er will! Es ſoll mich immer freuen. Nach acht Tagen wurde Siegwart zum Eſſen eingeladen. Die Patres alle empfiengen ihn ſehr freundſchaftlich. Ueber Tiſche fieng der Prior an: Aber, Monſieur Sieg- wart, es iſt loͤblich und uns allen ſehr erfreulich, daß er in unſern heiligen Orden eintreten will;
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Siegwart hatte ſchon lang in das Kapu-
zinerkloſter gehen wollen, das dicht am Staͤdt-
chen lag, und war immer dran verhindert wor-
den. Endlich gieng er an einem Heiligentage mit
Kronhelm hinaus, in die Predigt. Er hoͤrte
eine hoͤchſtfabelhafte und abgeſchmackte Lobrede
auf den heiligen Biſchof Martin, bey der das
Lachen weit natuͤrlicher war, als Andacht und Er-
bauung. Nach dieſem gieng er im Kloſtergarten
ſpatzieren, in der Abſicht, mit einem, oder dem
andern Pater bekannt zu werden. Endlich rede-
te er einen an, der ihm aber ſehr kurz antwor-
tete. Ein andrer, den er drauf antraf, war weit
freundlicher, und freute ſich ſehr uͤber die Nach-
richt, daß er auch ein Kapuziner werden wolle.
Er verſprach, dieß ſeinen uͤbrigen Bruͤdern zu
ſagen, und ſetzte hinzu: Wir werden ihn bald
einmal zum Eſſen bitten laſſen. Beſuch er mich
indeſſen mit ſeinem Freunde, wenn er will! Es
ſoll mich immer freuen. Nach acht Tagen wurde
Siegwart zum Eſſen eingeladen. Die Patres
alle empfiengen ihn ſehr freundſchaftlich. Ueber
Tiſche fieng der Prior an: Aber, Monſieur Sieg-
wart, es iſt loͤblich und uns allen ſehr erfreulich,
daß er in unſern heiligen Orden eintreten will;
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Miller, Johann Martin: Siegwart. Bd. 1. Leipzig, 1776, S. 317. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/miller_siegwart01_1776/321>, abgerufen am 25.11.2024.
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