Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Miller, Johann Martin: Siegwart. Bd. 1. Leipzig, 1776.

Bild:
<< vorherige Seite



lipps Beyspiel, welchen Einfluß sie auf die Güte
eines Menschen haben kann, und spürte ihre heil-
same Wirkung eben so lebendig an sich selbst.

Zuweilen gieng er noch mit Kronhelm, ohne
den er überhaupt fast keinen Schritt aus dem
Kloster that, zu einem Jüngling, Namens
Grünbach, der auch auf die Schule gieng, aber
bey seinen Eltern in der Stadt wohnte. Es war
dieß ein Mensch von einem ernsthaften, aber hef-
tigen Charakter. Er hatte viel Kopf und eben so
viel Ehrbegierde. Wenn er sich vornahm, etwas
zu lernen, so ließ er nicht nach, bis ers ganz in-
ne hatte. Er eiferte unserm Kronhelm und
Siegwart nach, weil sie die besten auf der Schu-
le waren. Jn kurzer Zeit brachte er es auf der
Violine so weit, daß er mit ihnen spielen konnte,
und nun machten sie sehr schöne Trios zusam-
men. Unsre beyden Jünglinge wären noch öfter
zu Grünbach gegangen, wenn er nicht so gerne.
besonders über Religionssätze, gestritten hätte; und
diesen Streit liebten sie durchaus nicht. Sein Va-
ter war ein reicher Krämer, der sich auf seinen
Sohn sehr viel zu gute that. Er schaffte ihm alles
an, was er haben wollte, Bücher, Kleider, Musi-
kalien und dergleichen. Sobald jemand zu seinem



lipps Beyſpiel, welchen Einfluß ſie auf die Guͤte
eines Menſchen haben kann, und ſpuͤrte ihre heil-
ſame Wirkung eben ſo lebendig an ſich ſelbſt.

Zuweilen gieng er noch mit Kronhelm, ohne
den er uͤberhaupt faſt keinen Schritt aus dem
Kloſter that, zu einem Juͤngling, Namens
Gruͤnbach, der auch auf die Schule gieng, aber
bey ſeinen Eltern in der Stadt wohnte. Es war
dieß ein Menſch von einem ernſthaften, aber hef-
tigen Charakter. Er hatte viel Kopf und eben ſo
viel Ehrbegierde. Wenn er ſich vornahm, etwas
zu lernen, ſo ließ er nicht nach, bis ers ganz in-
ne hatte. Er eiferte unſerm Kronhelm und
Siegwart nach, weil ſie die beſten auf der Schu-
le waren. Jn kurzer Zeit brachte er es auf der
Violine ſo weit, daß er mit ihnen ſpielen konnte,
und nun machten ſie ſehr ſchoͤne Trios zuſam-
men. Unſre beyden Juͤnglinge waͤren noch oͤfter
zu Gruͤnbach gegangen, wenn er nicht ſo gerne.
beſonders uͤber Religionsſaͤtze, geſtritten haͤtte; und
dieſen Streit liebten ſie durchaus nicht. Sein Va-
ter war ein reicher Kraͤmer, der ſich auf ſeinen
Sohn ſehr viel zu gute that. Er ſchaffte ihm alles
an, was er haben wollte, Buͤcher, Kleider, Muſi-
kalien und dergleichen. Sobald jemand zu ſeinem

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><hi rendition="#fr"><pb facs="#f0316" n="312"/><milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
lipps</hi> Bey&#x017F;piel, welchen Einfluß &#x017F;ie auf die Gu&#x0364;te<lb/>
eines Men&#x017F;chen haben kann, und &#x017F;pu&#x0364;rte ihre heil-<lb/>
&#x017F;ame Wirkung eben &#x017F;o lebendig an &#x017F;ich &#x017F;elb&#x017F;t.</p><lb/>
        <p>Zuweilen gieng er noch mit <hi rendition="#fr">Kronhelm,</hi> ohne<lb/>
den er u&#x0364;berhaupt fa&#x017F;t keinen Schritt aus dem<lb/>
Klo&#x017F;ter that, zu einem Ju&#x0364;ngling, Namens<lb/><hi rendition="#fr">Gru&#x0364;nbach,</hi> der auch auf die Schule gieng, aber<lb/>
bey &#x017F;einen Eltern in der Stadt wohnte. Es war<lb/>
dieß ein Men&#x017F;ch von einem ern&#x017F;thaften, aber hef-<lb/>
tigen Charakter. Er hatte viel Kopf und eben &#x017F;o<lb/>
viel Ehrbegierde. Wenn er &#x017F;ich vornahm, etwas<lb/>
zu lernen, &#x017F;o ließ er nicht nach, bis ers ganz in-<lb/>
ne hatte. Er eiferte un&#x017F;erm <hi rendition="#fr">Kronhelm</hi> und<lb/><hi rendition="#fr">Siegwart</hi> nach, weil &#x017F;ie die be&#x017F;ten auf der Schu-<lb/>
le waren. Jn kurzer Zeit brachte er es auf der<lb/>
Violine &#x017F;o weit, daß er mit ihnen &#x017F;pielen konnte,<lb/>
und nun machten &#x017F;ie &#x017F;ehr &#x017F;cho&#x0364;ne Trios zu&#x017F;am-<lb/>
men. Un&#x017F;re beyden Ju&#x0364;nglinge wa&#x0364;ren noch o&#x0364;fter<lb/>
zu <hi rendition="#fr">Gru&#x0364;nbach</hi> gegangen, wenn er nicht &#x017F;o gerne.<lb/>
be&#x017F;onders u&#x0364;ber Religions&#x017F;a&#x0364;tze, ge&#x017F;tritten ha&#x0364;tte; und<lb/>
die&#x017F;en Streit liebten &#x017F;ie durchaus nicht. Sein Va-<lb/>
ter war ein reicher Kra&#x0364;mer, der &#x017F;ich auf &#x017F;einen<lb/>
Sohn &#x017F;ehr viel zu gute that. Er &#x017F;chaffte ihm alles<lb/>
an, was er haben wollte, Bu&#x0364;cher, Kleider, Mu&#x017F;i-<lb/>
kalien und dergleichen. Sobald jemand zu &#x017F;einem<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[312/0316] lipps Beyſpiel, welchen Einfluß ſie auf die Guͤte eines Menſchen haben kann, und ſpuͤrte ihre heil- ſame Wirkung eben ſo lebendig an ſich ſelbſt. Zuweilen gieng er noch mit Kronhelm, ohne den er uͤberhaupt faſt keinen Schritt aus dem Kloſter that, zu einem Juͤngling, Namens Gruͤnbach, der auch auf die Schule gieng, aber bey ſeinen Eltern in der Stadt wohnte. Es war dieß ein Menſch von einem ernſthaften, aber hef- tigen Charakter. Er hatte viel Kopf und eben ſo viel Ehrbegierde. Wenn er ſich vornahm, etwas zu lernen, ſo ließ er nicht nach, bis ers ganz in- ne hatte. Er eiferte unſerm Kronhelm und Siegwart nach, weil ſie die beſten auf der Schu- le waren. Jn kurzer Zeit brachte er es auf der Violine ſo weit, daß er mit ihnen ſpielen konnte, und nun machten ſie ſehr ſchoͤne Trios zuſam- men. Unſre beyden Juͤnglinge waͤren noch oͤfter zu Gruͤnbach gegangen, wenn er nicht ſo gerne. beſonders uͤber Religionsſaͤtze, geſtritten haͤtte; und dieſen Streit liebten ſie durchaus nicht. Sein Va- ter war ein reicher Kraͤmer, der ſich auf ſeinen Sohn ſehr viel zu gute that. Er ſchaffte ihm alles an, was er haben wollte, Buͤcher, Kleider, Muſi- kalien und dergleichen. Sobald jemand zu ſeinem

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/miller_siegwart01_1776
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/miller_siegwart01_1776/316
Zitationshilfe: Miller, Johann Martin: Siegwart. Bd. 1. Leipzig, 1776, S. 312. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/miller_siegwart01_1776/316>, abgerufen am 25.11.2024.