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Miller, Johann Martin: Siegwart. Bd. 1. Leipzig, 1776.

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schön! -- Jndem kam ein Krüppel zu ihnen, und
bettelte. Sie gaben ihm. -- So ein Anblick,
sagte Philipp, kann einen freylich wieder trau-
rig machen. Man leidet soviel, wenn man an-
dre leiden sieht. Aber, lieber Gott, wer wollte
dich drüber zur Rede stellen? Und dort, dort (in-
dem er zum Himmel wies) gibts keine Krüppel
und Lahme mehr! Dieß ist alles, was man sagen
kann; und allenfalls, daß dergleichen Leute nach
dem Glück nicht so sehr schmachten, was sie nicht
kennen, und mit kleinerm Labsal vorlieb nehmen,
als wir. Vielleicht sind auch ihre Empfindungen
schwächer. Das beste ist, das Gute, das man
hat, mit Dank annehmen und geniessen, und dem
Unglücklichen sein Elend so viel erleichtern, als
man kann! -- Sie giengen vergnügt wieder nach
Haus.

Zween Tage drauf fiengen die Schulstunden
wieder an. Siegwart wurde, mit Einstimmung
aller Lehrer, seiner besondern Zunahme in den
Wissenschaften wegen, in eine höhere Ordnung
befördert. Jm Lateinischen las man hier vorzüg-
lich den Cäsar vom gallischen Krieg. P. Phi-
lipp
schenkte ihm eine schöne Ausgabe von diesem
Schriftsteller, und zeigte ihm, mit welchem Gei-



ſchoͤn! — Jndem kam ein Kruͤppel zu ihnen, und
bettelte. Sie gaben ihm. — So ein Anblick,
ſagte Philipp, kann einen freylich wieder trau-
rig machen. Man leidet ſoviel, wenn man an-
dre leiden ſieht. Aber, lieber Gott, wer wollte
dich druͤber zur Rede ſtellen? Und dort, dort (in-
dem er zum Himmel wies) gibts keine Kruͤppel
und Lahme mehr! Dieß iſt alles, was man ſagen
kann; und allenfalls, daß dergleichen Leute nach
dem Gluͤck nicht ſo ſehr ſchmachten, was ſie nicht
kennen, und mit kleinerm Labſal vorlieb nehmen,
als wir. Vielleicht ſind auch ihre Empfindungen
ſchwaͤcher. Das beſte iſt, das Gute, das man
hat, mit Dank annehmen und genieſſen, und dem
Ungluͤcklichen ſein Elend ſo viel erleichtern, als
man kann! — Sie giengen vergnuͤgt wieder nach
Haus.

Zween Tage drauf fiengen die Schulſtunden
wieder an. Siegwart wurde, mit Einſtimmung
aller Lehrer, ſeiner beſondern Zunahme in den
Wiſſenſchaften wegen, in eine hoͤhere Ordnung
befoͤrdert. Jm Lateiniſchen las man hier vorzuͤg-
lich den Caͤſar vom galliſchen Krieg. P. Phi-
lipp
ſchenkte ihm eine ſchoͤne Ausgabe von dieſem
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[309/0313] ſchoͤn! — Jndem kam ein Kruͤppel zu ihnen, und bettelte. Sie gaben ihm. — So ein Anblick, ſagte Philipp, kann einen freylich wieder trau- rig machen. Man leidet ſoviel, wenn man an- dre leiden ſieht. Aber, lieber Gott, wer wollte dich druͤber zur Rede ſtellen? Und dort, dort (in- dem er zum Himmel wies) gibts keine Kruͤppel und Lahme mehr! Dieß iſt alles, was man ſagen kann; und allenfalls, daß dergleichen Leute nach dem Gluͤck nicht ſo ſehr ſchmachten, was ſie nicht kennen, und mit kleinerm Labſal vorlieb nehmen, als wir. Vielleicht ſind auch ihre Empfindungen ſchwaͤcher. Das beſte iſt, das Gute, das man hat, mit Dank annehmen und genieſſen, und dem Ungluͤcklichen ſein Elend ſo viel erleichtern, als man kann! — Sie giengen vergnuͤgt wieder nach Haus. Zween Tage drauf fiengen die Schulſtunden wieder an. Siegwart wurde, mit Einſtimmung aller Lehrer, ſeiner beſondern Zunahme in den Wiſſenſchaften wegen, in eine hoͤhere Ordnung befoͤrdert. Jm Lateiniſchen las man hier vorzuͤg- lich den Caͤſar vom galliſchen Krieg. P. Phi- lipp ſchenkte ihm eine ſchoͤne Ausgabe von dieſem Schriftſteller, und zeigte ihm, mit welchem Gei-

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Zitationshilfe: Miller, Johann Martin: Siegwart. Bd. 1. Leipzig, 1776, S. 309. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/miller_siegwart01_1776/313>, abgerufen am 25.11.2024.