wart! Seht, ich leg sie ineinander .. Bleibt Freunde! .. und wandelt auf dem Weg der Recht- schaffenheit dem Himmel zu! .. Vergest euren treuen Lehrer, Freund, und Bruder nicht! ... Nun möcht ich wol ein Bischen allein seyn! .. Jch bin so matt -- --
Die beyden Freunde wankten aus dem Zim- mer auf das ihrige; Jeder warf sich auf einen Stuhl, sah den andern an, und sprach kein Wort. -- Gott! sagte Siegwart, was ist der Mensch? Jst denn nichts, als Elend auf der Welt? Wenn ich nur mit ihm stürbe! Und du auch, Kron- helm! -- Dieser, der von Natur gelassener war, und sich mehr gleich blieb, ob sich gleich seine See- le tief verwundet fühlte, suchte seinen Freund zu trösten, und von seiner Ungeduld abzubringen. Endlich fiengen aber doch beyde wieder mit einan- der an zu weinen. Nach einer halben Stunde schlichen sie sich an das Krankenzimmer, und sa- hen, weil die Thüre halb offen war, hinein. P. Johann winkte ihnen; sie traten leise an das Bette; und der Fromme, mit dem blassen, einge- fallenen Gesicht, lag in ruhigem Schlummer da, und lächelte zuweilen; ein paarmal streckte er die
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wart! Seht, ich leg ſie ineinander .. Bleibt Freunde! .. und wandelt auf dem Weg der Recht- ſchaffenheit dem Himmel zu! .. Vergeſt euren treuen Lehrer, Freund, und Bruder nicht! … Nun moͤcht ich wol ein Bischen allein ſeyn! .. Jch bin ſo matt — —
Die beyden Freunde wankten aus dem Zim- mer auf das ihrige; Jeder warf ſich auf einen Stuhl, ſah den andern an, und ſprach kein Wort. — Gott! ſagte Siegwart, was iſt der Menſch? Jſt denn nichts, als Elend auf der Welt? Wenn ich nur mit ihm ſtuͤrbe! Und du auch, Kron- helm! — Dieſer, der von Natur gelaſſener war, und ſich mehr gleich blieb, ob ſich gleich ſeine See- le tief verwundet fuͤhlte, ſuchte ſeinen Freund zu troͤſten, und von ſeiner Ungeduld abzubringen. Endlich fiengen aber doch beyde wieder mit einan- der an zu weinen. Nach einer halben Stunde ſchlichen ſie ſich an das Krankenzimmer, und ſa- hen, weil die Thuͤre halb offen war, hinein. P. Johann winkte ihnen; ſie traten leiſe an das Bette; und der Fromme, mit dem blaſſen, einge- fallenen Geſicht, lag in ruhigem Schlummer da, und laͤchelte zuweilen; ein paarmal ſtreckte er die
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wart! Seht, ich leg ſie ineinander .. Bleibt
Freunde! .. und wandelt auf dem Weg der Recht-
ſchaffenheit dem Himmel zu! .. Vergeſt euren
treuen Lehrer, Freund, und Bruder nicht! …
Nun moͤcht ich wol ein Bischen allein ſeyn! ..
Jch bin ſo matt — —
Die beyden Freunde wankten aus dem Zim-
mer auf das ihrige; Jeder warf ſich auf einen
Stuhl, ſah den andern an, und ſprach kein Wort.
— Gott! ſagte Siegwart, was iſt der Menſch?
Jſt denn nichts, als Elend auf der Welt? Wenn
ich nur mit ihm ſtuͤrbe! Und du auch, Kron-
helm! — Dieſer, der von Natur gelaſſener war,
und ſich mehr gleich blieb, ob ſich gleich ſeine See-
le tief verwundet fuͤhlte, ſuchte ſeinen Freund zu
troͤſten, und von ſeiner Ungeduld abzubringen.
Endlich fiengen aber doch beyde wieder mit einan-
der an zu weinen. Nach einer halben Stunde
ſchlichen ſie ſich an das Krankenzimmer, und ſa-
hen, weil die Thuͤre halb offen war, hinein. P.
Johann winkte ihnen; ſie traten leiſe an das
Bette; und der Fromme, mit dem blaſſen, einge-
fallenen Geſicht, lag in ruhigem Schlummer da,
und laͤchelte zuweilen; ein paarmal ſtreckte er die
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Miller, Johann Martin: Siegwart. Bd. 1. Leipzig, 1776, S. 305. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/miller_siegwart01_1776/309>, abgerufen am 25.11.2024.
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