Junker Veit befand sich den andern Mor- gen, wegen seines Zipperleins, sehr übel; er mu- ste sich zu Bette halten, und ließ seinen Sohn und Siegwart zu sich kommen. Seht ihr, was ich für ein Hundssott bin? sagte er. Da lieg ich, wie eine alte Hirschkuh, und kann mich vor Schmerzen nicht rühren, und nicht wenden! Ja, wenn man in der Jugend alles so bedächte, da hätt ich freylich manches unterlassen können. Aber, Sakerlot! wer wird da immer an d' Gicht und ans Zipperlein denken? Fritz, ich sag dir, laß dich nicht zu viel mit den Mädels ein! 's kommt nichts g'scheides bey heraus! Sieh! daher kommt mein meistes Elend. Ja, wenn ich deiner Mut- ter immer g'solgt wär! Aber die nahm halt vie- les auch gar zu genau! Stopf mir einmal mei- ne Pfeif! Vielleicht hilfts Rauchen für die Schmer- zen; wenigstens vergißt mans drüber. -- Sieg- wart, du siehst ja ganz trübselig aus! Hast Mit- leid mit mir? Guter Jung! Aber glaub mir, ich verdiens auch; denn das Zipperlein brennt gar infam! -- Jch wollt gern ein paar Messen lesen lassen, wenns nur hülfe! Aber schaden kanns doch auch nicht. Laß dem Pfarrer sagen, Fritz, er wöcht für mich beten; aber eifrig! Hasts ghört? Zuweilen, Siegwart, kann man die Pfaffen schon
Junker Veit befand ſich den andern Mor- gen, wegen ſeines Zipperleins, ſehr uͤbel; er mu- ſte ſich zu Bette halten, und ließ ſeinen Sohn und Siegwart zu ſich kommen. Seht ihr, was ich fuͤr ein Hundsſott bin? ſagte er. Da lieg ich, wie eine alte Hirſchkuh, und kann mich vor Schmerzen nicht ruͤhren, und nicht wenden! Ja, wenn man in der Jugend alles ſo bedaͤchte, da haͤtt ich freylich manches unterlaſſen koͤnnen. Aber, Sakerlot! wer wird da immer an d’ Gicht und ans Zipperlein denken? Fritz, ich ſag dir, laß dich nicht zu viel mit den Maͤdels ein! ’s kommt nichts g’ſcheides bey heraus! Sieh! daher kommt mein meiſtes Elend. Ja, wenn ich deiner Mut- ter immer g’ſolgt waͤr! Aber die nahm halt vie- les auch gar zu genau! Stopf mir einmal mei- ne Pfeif! Vielleicht hilfts Rauchen fuͤr die Schmer- zen; wenigſtens vergißt mans druͤber. — Sieg- wart, du ſiehſt ja ganz truͤbſelig aus! Haſt Mit- leid mit mir? Guter Jung! Aber glaub mir, ich verdiens auch; denn das Zipperlein brennt gar infam! — Jch wollt gern ein paar Meſſen leſen laſſen, wenns nur huͤlfe! Aber ſchaden kanns doch auch nicht. Laß dem Pfarrer ſagen, Fritz, er woͤcht fuͤr mich beten; aber eifrig! Haſts ghoͤrt? Zuweilen, Siegwart, kann man die Pfaffen ſchon
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Junker Veit befand ſich den andern Mor-
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ſte ſich zu Bette halten, und ließ ſeinen Sohn
und Siegwart zu ſich kommen. Seht ihr, was
ich fuͤr ein Hundsſott bin? ſagte er. Da lieg
ich, wie eine alte Hirſchkuh, und kann mich vor
Schmerzen nicht ruͤhren, und nicht wenden! Ja,
wenn man in der Jugend alles ſo bedaͤchte, da
haͤtt ich freylich manches unterlaſſen koͤnnen. Aber,
Sakerlot! wer wird da immer an d’ Gicht und
ans Zipperlein denken? Fritz, ich ſag dir, laß
dich nicht zu viel mit den Maͤdels ein! ’s kommt
nichts g’ſcheides bey heraus! Sieh! daher kommt
mein meiſtes Elend. Ja, wenn ich deiner Mut-
ter immer g’ſolgt waͤr! Aber die nahm halt vie-
les auch gar zu genau! Stopf mir einmal mei-
ne Pfeif! Vielleicht hilfts Rauchen fuͤr die Schmer-
zen; wenigſtens vergißt mans druͤber. — Sieg-
wart, du ſiehſt ja ganz truͤbſelig aus! Haſt Mit-
leid mit mir? Guter Jung! Aber glaub mir, ich
verdiens auch; denn das Zipperlein brennt gar
infam! — Jch wollt gern ein paar Meſſen leſen
laſſen, wenns nur huͤlfe! Aber ſchaden kanns
doch auch nicht. Laß dem Pfarrer ſagen, Fritz,
er woͤcht fuͤr mich beten; aber eifrig! Haſts ghoͤrt?
Zuweilen, Siegwart, kann man die Pfaffen ſchon
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Miller, Johann Martin: Siegwart. Bd. 1. Leipzig, 1776, S. 296. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/miller_siegwart01_1776/300>, abgerufen am 22.11.2024.
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