Miller, Johann Martin: Siegwart. Bd. 1. Leipzig, 1776.glücklich werden will. Anfangs erschrack der Mann, als er den Junker herein treten sah, denn er fürchtete neue Mißhandlungen. Seine Kin- der waren auch voll Angst, und erhuben ein Ge- schrey, weil ihnen gleich die Hunde wieder einfie- len, bey denen sie den Junker diesen Morgen ge- sehen hatten. Aber als der Mann die Freund- lichkeit des jungen Kronhelms sah, ward er ganz zuthätig, und wollt ihn eben um die Freylassung seiner Frau bitten, als ihm Kronhelm das Löse- geld in die Hand drückte. Er wuste nicht, was er sagen sollte, stotterte einige Worte ohne Zu- sammenhang her, drückte Kronhelms Hand, und küste sie. Ach Herr, das ist gar zu viel! Jch weiß nicht, ob ichs annehmen darf? wenn ichs nur vergelten könnte! Aber Gott vergelts, und die heilige Jungsrau! Sie haben mir auf einmal aus der Noth g'holsen. Jch saß eben da, und dachte, wo ich so viel Geld aufbringen sollte? Und meine Frau ist doch in der Haushaltung nötig. Gott vergelts tausendmal! -- Du lieber Gott, was das ein Herr ist! Ja, ja, das leibhafte Eben- bild seiner Mutter. Sie ist oft auch bey mir ge- wesen, Junler, und hat mir in der Stille aus- geholsen; denn d' Nahrung ist jetzt eben gar knapp, gluͤcklich werden will. Anfangs erſchrack der Mann, als er den Junker herein treten ſah, denn er fuͤrchtete neue Mißhandlungen. Seine Kin- der waren auch voll Angſt, und erhuben ein Ge- ſchrey, weil ihnen gleich die Hunde wieder einfie- len, bey denen ſie den Junker dieſen Morgen ge- ſehen hatten. Aber als der Mann die Freund- lichkeit des jungen Kronhelms ſah, ward er ganz zuthaͤtig, und wollt ihn eben um die Freylaſſung ſeiner Frau bitten, als ihm Kronhelm das Loͤſe- geld in die Hand druͤckte. Er wuſte nicht, was er ſagen ſollte, ſtotterte einige Worte ohne Zu- ſammenhang her, druͤckte Kronhelms Hand, und kuͤſte ſie. Ach Herr, das iſt gar zu viel! Jch weiß nicht, ob ichs annehmen darf? wenn ichs nur vergelten koͤnnte! Aber Gott vergelts, und die heilige Jungſrau! Sie haben mir auf einmal aus der Noth g’holſen. Jch ſaß eben da, und dachte, wo ich ſo viel Geld aufbringen ſollte? Und meine Frau iſt doch in der Haushaltung noͤtig. Gott vergelts tauſendmal! — Du lieber Gott, was das ein Herr iſt! Ja, ja, das leibhafte Eben- bild ſeiner Mutter. Sie iſt oft auch bey mir ge- weſen, Junler, und hat mir in der Stille aus- geholſen; denn d’ Nahrung iſt jetzt eben gar knapp, <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0279" n="275"/><milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> gluͤcklich werden will. Anfangs erſchrack der<lb/><hi rendition="#fr">Mann,</hi> als er den Junker herein treten ſah, denn<lb/> er fuͤrchtete neue Mißhandlungen. Seine Kin-<lb/> der waren auch voll Angſt, und erhuben ein Ge-<lb/> ſchrey, weil ihnen gleich die Hunde wieder einfie-<lb/> len, bey denen ſie den Junker dieſen Morgen ge-<lb/> ſehen hatten. Aber als der Mann die Freund-<lb/> lichkeit des jungen <hi rendition="#fr">Kronhelms</hi> ſah, ward er ganz<lb/> zuthaͤtig, und wollt ihn eben um die Freylaſſung<lb/> ſeiner Frau bitten, als ihm <hi rendition="#fr">Kronhelm</hi> das Loͤſe-<lb/> geld in die Hand druͤckte. Er wuſte nicht, was<lb/> er ſagen ſollte, ſtotterte einige Worte ohne Zu-<lb/> ſammenhang her, druͤckte <hi rendition="#fr">Kronhelms</hi> Hand, und<lb/> kuͤſte ſie. Ach Herr, das iſt gar zu viel! Jch<lb/> weiß nicht, ob ichs annehmen darf? wenn ichs<lb/> nur vergelten koͤnnte! Aber Gott vergelts, und<lb/> die heilige Jungſrau! Sie haben mir auf einmal<lb/> aus der Noth g’holſen. Jch ſaß eben da, und<lb/> dachte, wo ich ſo viel Geld aufbringen ſollte? Und<lb/> meine Frau iſt doch in der Haushaltung noͤtig.<lb/> Gott vergelts tauſendmal! — Du lieber Gott,<lb/> was das ein Herr iſt! Ja, ja, das leibhafte Eben-<lb/> bild ſeiner Mutter. Sie iſt oft auch bey mir ge-<lb/> weſen, Junler, und hat mir in der Stille aus-<lb/> geholſen; denn d’ Nahrung iſt jetzt eben gar knapp,<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [275/0279]
gluͤcklich werden will. Anfangs erſchrack der
Mann, als er den Junker herein treten ſah, denn
er fuͤrchtete neue Mißhandlungen. Seine Kin-
der waren auch voll Angſt, und erhuben ein Ge-
ſchrey, weil ihnen gleich die Hunde wieder einfie-
len, bey denen ſie den Junker dieſen Morgen ge-
ſehen hatten. Aber als der Mann die Freund-
lichkeit des jungen Kronhelms ſah, ward er ganz
zuthaͤtig, und wollt ihn eben um die Freylaſſung
ſeiner Frau bitten, als ihm Kronhelm das Loͤſe-
geld in die Hand druͤckte. Er wuſte nicht, was
er ſagen ſollte, ſtotterte einige Worte ohne Zu-
ſammenhang her, druͤckte Kronhelms Hand, und
kuͤſte ſie. Ach Herr, das iſt gar zu viel! Jch
weiß nicht, ob ichs annehmen darf? wenn ichs
nur vergelten koͤnnte! Aber Gott vergelts, und
die heilige Jungſrau! Sie haben mir auf einmal
aus der Noth g’holſen. Jch ſaß eben da, und
dachte, wo ich ſo viel Geld aufbringen ſollte? Und
meine Frau iſt doch in der Haushaltung noͤtig.
Gott vergelts tauſendmal! — Du lieber Gott,
was das ein Herr iſt! Ja, ja, das leibhafte Eben-
bild ſeiner Mutter. Sie iſt oft auch bey mir ge-
weſen, Junler, und hat mir in der Stille aus-
geholſen; denn d’ Nahrung iſt jetzt eben gar knapp,
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