Silberling. Was ist das für ein Mann, wenns erlaubt ist, Sie zu unterbrechen?
Veit. 'S ist der geheime Rath von Kron- helm, mein leiblicher Bruder.
Silberling. O, dem hab ich die Ehre, sehr speciell bekannt zu seyn.
Veit. Nun ja! 'S kann wohl seyn! Er ist sonst ein guter Kerl; aber, wenn er mit den Büchern kommt, da mag ich ihn nicht anhören. Jch sag immer: Ein Edelmann muß nicht stu- dieren, sonst wird er 'ne alte Hure. -- Aber, was ists? 'S läßt sich nun nicht ändern. Mein Fritz soll ihn einmal erben, und da muß ich sei- ne Grillen schon so gelten lassen. -- Sibylla, du bist ja so still! G'fällt dir denn der Herr? Sieh, so gehen sie in München.
Silberling. O verzeihen Sie, gnädges Fräulein! Das ist nur so mein Reithabit. Jch muß mich sehr entschuldigen, daß ich so im Negli- gee vor Jhnen erscheine!
Sibylla. O, es steht Jhnen recht gut. -- Jch möcht wol auch einmal München sehen; es muß da recht lustig seyn. Aufs Frühjahr besuch ich meine Schwester. Kennen Sie sie auch?
S
Silberling. Was iſt das fuͤr ein Mann, wenns erlaubt iſt, Sie zu unterbrechen?
Veit. ’S iſt der geheime Rath von Kron- helm, mein leiblicher Bruder.
Silberling. O, dem hab ich die Ehre, ſehr ſpeciell bekannt zu ſeyn.
Veit. Nun ja! ’S kann wohl ſeyn! Er iſt ſonſt ein guter Kerl; aber, wenn er mit den Buͤchern kommt, da mag ich ihn nicht anhoͤren. Jch ſag immer: Ein Edelmann muß nicht ſtu- dieren, ſonſt wird er ’ne alte Hure. — Aber, was iſts? ’S laͤßt ſich nun nicht aͤndern. Mein Fritz ſoll ihn einmal erben, und da muß ich ſei- ne Grillen ſchon ſo gelten laſſen. — Sibylla, du biſt ja ſo ſtill! G’faͤllt dir denn der Herr? Sieh, ſo gehen ſie in Muͤnchen.
Silberling. O verzeihen Sie, gnaͤdges Fraͤulein! Das iſt nur ſo mein Reithabit. Jch muß mich ſehr entſchuldigen, daß ich ſo im Negli- gee vor Jhnen erſcheine!
Sibylla. O, es ſteht Jhnen recht gut. — Jch moͤcht wol auch einmal Muͤnchen ſehen; es muß da recht luſtig ſeyn. Aufs Fruͤhjahr beſuch ich meine Schweſter. Kennen Sie ſie auch?
S
<TEI><text><body><divn="1"><pbfacs="#f0277"n="273"/><milestonerendition="#hr"unit="section"/><lb/><p><hirendition="#fr">Silberling.</hi> Was iſt das fuͤr ein Mann,<lb/>
wenns erlaubt iſt, Sie zu unterbrechen?</p><lb/><p><hirendition="#fr">Veit.</hi>’S iſt der geheime Rath von <hirendition="#fr">Kron-<lb/>
helm,</hi> mein leiblicher Bruder.</p><lb/><p><hirendition="#fr">Silberling.</hi> O, dem hab ich die Ehre, ſehr<lb/>ſpeciell bekannt zu ſeyn.</p><lb/><p><hirendition="#fr">Veit.</hi> Nun ja! ’S kann wohl ſeyn! Er iſt<lb/>ſonſt ein guter Kerl; aber, wenn er mit den<lb/>
Buͤchern kommt, da mag ich ihn nicht anhoͤren.<lb/>
Jch ſag immer: Ein Edelmann muß nicht ſtu-<lb/>
dieren, ſonſt wird er ’ne alte Hure. — Aber,<lb/>
was iſts? ’S laͤßt ſich nun nicht aͤndern. Mein<lb/><hirendition="#fr">Fritz</hi>ſoll ihn einmal erben, und da muß ich ſei-<lb/>
ne Grillen ſchon ſo gelten laſſen. — Sibylla,<lb/>
du biſt ja ſo ſtill! G’faͤllt dir denn der Herr?<lb/>
Sieh, ſo gehen ſie in <hirendition="#fr">Muͤnchen.</hi></p><lb/><p><hirendition="#fr">Silberling.</hi> O verzeihen Sie, gnaͤdges<lb/>
Fraͤulein! Das iſt nur ſo mein Reithabit. Jch<lb/>
muß mich ſehr entſchuldigen, daß ich ſo im Negli-<lb/>
gee vor Jhnen erſcheine!</p><lb/><p><hirendition="#fr">Sibylla.</hi> O, es ſteht Jhnen recht gut. —<lb/>
Jch moͤcht wol auch einmal <hirendition="#fr">Muͤnchen</hi>ſehen; es<lb/>
muß da recht luſtig ſeyn. Aufs Fruͤhjahr beſuch<lb/>
ich meine Schweſter. Kennen Sie ſie auch?<lb/><fwplace="bottom"type="sig">S</fw><lb/></p></div></body></text></TEI>
[273/0277]
Silberling. Was iſt das fuͤr ein Mann,
wenns erlaubt iſt, Sie zu unterbrechen?
Veit. ’S iſt der geheime Rath von Kron-
helm, mein leiblicher Bruder.
Silberling. O, dem hab ich die Ehre, ſehr
ſpeciell bekannt zu ſeyn.
Veit. Nun ja! ’S kann wohl ſeyn! Er iſt
ſonſt ein guter Kerl; aber, wenn er mit den
Buͤchern kommt, da mag ich ihn nicht anhoͤren.
Jch ſag immer: Ein Edelmann muß nicht ſtu-
dieren, ſonſt wird er ’ne alte Hure. — Aber,
was iſts? ’S laͤßt ſich nun nicht aͤndern. Mein
Fritz ſoll ihn einmal erben, und da muß ich ſei-
ne Grillen ſchon ſo gelten laſſen. — Sibylla,
du biſt ja ſo ſtill! G’faͤllt dir denn der Herr?
Sieh, ſo gehen ſie in Muͤnchen.
Silberling. O verzeihen Sie, gnaͤdges
Fraͤulein! Das iſt nur ſo mein Reithabit. Jch
muß mich ſehr entſchuldigen, daß ich ſo im Negli-
gee vor Jhnen erſcheine!
Sibylla. O, es ſteht Jhnen recht gut. —
Jch moͤcht wol auch einmal Muͤnchen ſehen; es
muß da recht luſtig ſeyn. Aufs Fruͤhjahr beſuch
ich meine Schweſter. Kennen Sie ſie auch?
S
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Miller, Johann Martin: Siegwart. Bd. 1. Leipzig, 1776, S. 273. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/miller_siegwart01_1776/277>, abgerufen am 24.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.