Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Miller, Johann Martin: Siegwart. Bd. 1. Leipzig, 1776.

Bild:
<< vorherige Seite



Seilberg Regine leuchtete die Treppen hinun-
ter, nahm von Kronhelm besonders freundlich
Abschied, und hielt noch das Licht vor die Thür
hinaus, um ihn länger reiten zu sehen.

Es war ein Glück für den Junker Veit,
daß sein Pferd müde war, und der Mond helle
schien, sonst wär er zwanzigmal gestürzt; er war
brav betrunken, wackelte auf seinem Pferd hin und
her, und schlief endlich ein.

Um halb zwölf Uhr kamen sie in Steinfeld
an, und giengen, weil alle recht müde waren,
bald zu Bette. Siegwart und der junge Kron-
helm
schliefen bey einander auf einem Zimmer.
Sie besprachen sich noch eine Zeitlang miteinan-
der, und Kronhelm suchte besonders die Tollhei-
ten seines Vaters zu entschuldigen; Siegwart
aber sagte, daß er das nicht nöthig habe; er ken-
ne mehr solche Edelleute, und wisse sich recht gut
in ihren Ton zu schicken. Bald darauf schliefen
beyde vor Müdigkeit ein. -- Den andern Mor-
gen um sechs Uhr ward an ihrer Kammerthür
ein gräßliches Gepolter gemacht. Junker Veit
war draussen, und rief: Holla hoh! Auf, ihr
faulen Jungens! Wollt ihr denn den schönen Tag

R



Seilberg Regine leuchtete die Treppen hinun-
ter, nahm von Kronhelm beſonders freundlich
Abſchied, und hielt noch das Licht vor die Thuͤr
hinaus, um ihn laͤnger reiten zu ſehen.

Es war ein Gluͤck fuͤr den Junker Veit,
daß ſein Pferd muͤde war, und der Mond helle
ſchien, ſonſt waͤr er zwanzigmal geſtuͤrzt; er war
brav betrunken, wackelte auf ſeinem Pferd hin und
her, und ſchlief endlich ein.

Um halb zwoͤlf Uhr kamen ſie in Steinfeld
an, und giengen, weil alle recht muͤde waren,
bald zu Bette. Siegwart und der junge Kron-
helm
ſchliefen bey einander auf einem Zimmer.
Sie beſprachen ſich noch eine Zeitlang miteinan-
der, und Kronhelm ſuchte beſonders die Tollhei-
ten ſeines Vaters zu entſchuldigen; Siegwart
aber ſagte, daß er das nicht noͤthig habe; er ken-
ne mehr ſolche Edelleute, und wiſſe ſich recht gut
in ihren Ton zu ſchicken. Bald darauf ſchliefen
beyde vor Muͤdigkeit ein. — Den andern Mor-
gen um ſechs Uhr ward an ihrer Kammerthuͤr
ein graͤßliches Gepolter gemacht. Junker Veit
war drauſſen, und rief: Holla hoh! Auf, ihr
faulen Jungens! Wollt ihr denn den ſchoͤnen Tag

R
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0261" n="257"/><milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
Seilberg Regine leuchtete die Treppen hinun-<lb/>
ter, nahm von <hi rendition="#fr">Kronhelm</hi> be&#x017F;onders freundlich<lb/>
Ab&#x017F;chied, und hielt noch das Licht vor die Thu&#x0364;r<lb/>
hinaus, um ihn la&#x0364;nger reiten zu &#x017F;ehen.</p><lb/>
        <p>Es war ein Glu&#x0364;ck fu&#x0364;r den Junker <hi rendition="#fr">Veit,</hi><lb/>
daß &#x017F;ein Pferd mu&#x0364;de war, und der Mond helle<lb/>
&#x017F;chien, &#x017F;on&#x017F;t wa&#x0364;r er zwanzigmal ge&#x017F;tu&#x0364;rzt; er war<lb/>
brav betrunken, wackelte auf &#x017F;einem Pferd hin und<lb/>
her, und &#x017F;chlief endlich ein.</p><lb/>
        <p>Um halb zwo&#x0364;lf Uhr kamen &#x017F;ie in Steinfeld<lb/>
an, und giengen, weil alle recht mu&#x0364;de waren,<lb/>
bald zu Bette. <hi rendition="#fr">Siegwart</hi> und der junge <hi rendition="#fr">Kron-<lb/>
helm</hi> &#x017F;chliefen bey einander auf einem Zimmer.<lb/>
Sie be&#x017F;prachen &#x017F;ich noch eine Zeitlang miteinan-<lb/>
der, und <hi rendition="#fr">Kronhelm</hi> &#x017F;uchte be&#x017F;onders die Tollhei-<lb/>
ten &#x017F;eines Vaters zu ent&#x017F;chuldigen; <hi rendition="#fr">Siegwart</hi><lb/>
aber &#x017F;agte, daß er das nicht no&#x0364;thig habe; er ken-<lb/>
ne mehr &#x017F;olche Edelleute, und wi&#x017F;&#x017F;e &#x017F;ich recht gut<lb/>
in ihren Ton zu &#x017F;chicken. Bald darauf &#x017F;chliefen<lb/>
beyde vor <hi rendition="#fr">Mu&#x0364;digkeit</hi> ein. &#x2014; Den andern Mor-<lb/>
gen um &#x017F;echs Uhr ward an ihrer Kammerthu&#x0364;r<lb/>
ein gra&#x0364;ßliches Gepolter gemacht. Junker <hi rendition="#fr">Veit</hi><lb/>
war drau&#x017F;&#x017F;en, und rief: Holla hoh! Auf, ihr<lb/>
faulen Jungens! Wollt ihr denn den &#x017F;cho&#x0364;nen Tag<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">R</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[257/0261] Seilberg Regine leuchtete die Treppen hinun- ter, nahm von Kronhelm beſonders freundlich Abſchied, und hielt noch das Licht vor die Thuͤr hinaus, um ihn laͤnger reiten zu ſehen. Es war ein Gluͤck fuͤr den Junker Veit, daß ſein Pferd muͤde war, und der Mond helle ſchien, ſonſt waͤr er zwanzigmal geſtuͤrzt; er war brav betrunken, wackelte auf ſeinem Pferd hin und her, und ſchlief endlich ein. Um halb zwoͤlf Uhr kamen ſie in Steinfeld an, und giengen, weil alle recht muͤde waren, bald zu Bette. Siegwart und der junge Kron- helm ſchliefen bey einander auf einem Zimmer. Sie beſprachen ſich noch eine Zeitlang miteinan- der, und Kronhelm ſuchte beſonders die Tollhei- ten ſeines Vaters zu entſchuldigen; Siegwart aber ſagte, daß er das nicht noͤthig habe; er ken- ne mehr ſolche Edelleute, und wiſſe ſich recht gut in ihren Ton zu ſchicken. Bald darauf ſchliefen beyde vor Muͤdigkeit ein. — Den andern Mor- gen um ſechs Uhr ward an ihrer Kammerthuͤr ein graͤßliches Gepolter gemacht. Junker Veit war drauſſen, und rief: Holla hoh! Auf, ihr faulen Jungens! Wollt ihr denn den ſchoͤnen Tag R

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/miller_siegwart01_1776
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/miller_siegwart01_1776/261
Zitationshilfe: Miller, Johann Martin: Siegwart. Bd. 1. Leipzig, 1776, S. 257. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/miller_siegwart01_1776/261>, abgerufen am 22.11.2024.