Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Miller, Johann Martin: Siegwart. Bd. 1. Leipzig, 1776.

Bild:
<< vorherige Seite



ob sie wol nicht von Adel war, so bekam sie
doch in seinen Augen dadurch einen Wehrt, daß
sie die Beyschläferinn eines Edelmanns war.
Baron Striebel und Silberling hatten einen
Streit, ob der Pfälzische oder Baierische Hof
vorzüglicher sey? Silberling behauptete, daß, nach
dem Kaiserlichen, kein Hof in der Welt dem Baie-
rischen gleich komme. -- Silberling hat Recht,
schrie Junker Veit drein, denn am Münchner
Hof sind zu meiner Zeit allein 500 Jagdhund er-
nährt worden; jetzt werdens ihrer hoffentlich noch
mehr seyn. Silberling machte zur Danksagung
einen tiefen Bükling gegen Veit. Als das Ge-
spräch wieder auf die Jagd kam, und allgemeiner
wurde, zeigte Siegwart so viele Kenntniß und
Einsicht, daß die Hasenjäger alle drob erstaun-
ten. Junker Veit sprang auf, und sagte: Mei-
ner Seel, dir fehlt auf der ganzen Welt nichts,
als der Adel; du bist ein goldner Junge! Aus'm
meinen wird nichts, das seh ich schon! Sitzt er
nicht da, wie ein Stück Holz? und spricht kein
Wort, wenn's auf d' Hauptsach kommt. Du
hättest sollen mein Junge werden; wir hätten
z'sammen taugt. 'S ist ein Trost im Alter, wenn
man so ein Kind hat. -- Wenn mein Fritz ein-



ob ſie wol nicht von Adel war, ſo bekam ſie
doch in ſeinen Augen dadurch einen Wehrt, daß
ſie die Beyſchlaͤferinn eines Edelmanns war.
Baron Striebel und Silberling hatten einen
Streit, ob der Pfaͤlziſche oder Baieriſche Hof
vorzuͤglicher ſey? Silberling behauptete, daß, nach
dem Kaiſerlichen, kein Hof in der Welt dem Baie-
riſchen gleich komme. — Silberling hat Recht,
ſchrie Junker Veit drein, denn am Muͤnchner
Hof ſind zu meiner Zeit allein 500 Jagdhund er-
naͤhrt worden; jetzt werdens ihrer hoffentlich noch
mehr ſeyn. Silberling machte zur Dankſagung
einen tiefen Buͤkling gegen Veit. Als das Ge-
ſpraͤch wieder auf die Jagd kam, und allgemeiner
wurde, zeigte Siegwart ſo viele Kenntniß und
Einſicht, daß die Haſenjaͤger alle drob erſtaun-
ten. Junker Veit ſprang auf, und ſagte: Mei-
ner Seel, dir fehlt auf der ganzen Welt nichts,
als der Adel; du biſt ein goldner Junge! Aus’m
meinen wird nichts, das ſeh ich ſchon! Sitzt er
nicht da, wie ein Stuͤck Holz? und ſpricht kein
Wort, wenn’s auf d’ Hauptſach kommt. Du
haͤtteſt ſollen mein Junge werden; wir haͤtten
z’ſammen taugt. ’S iſt ein Troſt im Alter, wenn
man ſo ein Kind hat. — Wenn mein Fritz ein-

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0259" n="255"/><milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
ob &#x017F;ie wol nicht von Adel war, &#x017F;o bekam &#x017F;ie<lb/>
doch in &#x017F;einen Augen dadurch einen Wehrt, daß<lb/>
&#x017F;ie die Bey&#x017F;chla&#x0364;ferinn eines Edelmanns war.<lb/>
Baron <hi rendition="#fr">Striebel</hi> und <hi rendition="#fr">Silberling</hi> hatten einen<lb/>
Streit, ob der Pfa&#x0364;lzi&#x017F;che oder Baieri&#x017F;che Hof<lb/>
vorzu&#x0364;glicher &#x017F;ey? <hi rendition="#fr">Silberling</hi> behauptete, daß, nach<lb/>
dem Kai&#x017F;erlichen, kein Hof in der Welt dem Baie-<lb/>
ri&#x017F;chen gleich komme. &#x2014; <hi rendition="#fr">Silberling</hi> hat Recht,<lb/>
&#x017F;chrie Junker <hi rendition="#fr">Veit</hi> drein, denn am Mu&#x0364;nchner<lb/>
Hof &#x017F;ind zu meiner Zeit allein 500 Jagdhund er-<lb/>
na&#x0364;hrt worden; jetzt werdens ihrer hoffentlich noch<lb/>
mehr &#x017F;eyn. <hi rendition="#fr">Silberling</hi> machte zur Dank&#x017F;agung<lb/>
einen tiefen Bu&#x0364;kling gegen <hi rendition="#fr">Veit.</hi> Als das Ge-<lb/>
&#x017F;pra&#x0364;ch wieder auf die Jagd kam, und allgemeiner<lb/>
wurde, zeigte <hi rendition="#fr">Siegwart</hi> &#x017F;o viele Kenntniß und<lb/>
Ein&#x017F;icht, daß die Ha&#x017F;enja&#x0364;ger alle drob er&#x017F;taun-<lb/>
ten. Junker <hi rendition="#fr">Veit</hi> &#x017F;prang auf, und &#x017F;agte: Mei-<lb/>
ner Seel, dir fehlt auf der ganzen Welt nichts,<lb/>
als der Adel; du bi&#x017F;t ein goldner Junge! Aus&#x2019;m<lb/>
meinen wird nichts, das &#x017F;eh ich &#x017F;chon! Sitzt er<lb/>
nicht da, wie ein Stu&#x0364;ck Holz? und &#x017F;pricht kein<lb/>
Wort, wenn&#x2019;s auf d&#x2019; Haupt&#x017F;ach kommt. Du<lb/>
ha&#x0364;tte&#x017F;t &#x017F;ollen mein Junge werden; wir ha&#x0364;tten<lb/>
z&#x2019;&#x017F;ammen taugt. &#x2019;S i&#x017F;t ein Tro&#x017F;t im Alter, wenn<lb/>
man &#x017F;o ein Kind hat. &#x2014; Wenn mein <hi rendition="#fr">Fritz</hi> ein-<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[255/0259] ob ſie wol nicht von Adel war, ſo bekam ſie doch in ſeinen Augen dadurch einen Wehrt, daß ſie die Beyſchlaͤferinn eines Edelmanns war. Baron Striebel und Silberling hatten einen Streit, ob der Pfaͤlziſche oder Baieriſche Hof vorzuͤglicher ſey? Silberling behauptete, daß, nach dem Kaiſerlichen, kein Hof in der Welt dem Baie- riſchen gleich komme. — Silberling hat Recht, ſchrie Junker Veit drein, denn am Muͤnchner Hof ſind zu meiner Zeit allein 500 Jagdhund er- naͤhrt worden; jetzt werdens ihrer hoffentlich noch mehr ſeyn. Silberling machte zur Dankſagung einen tiefen Buͤkling gegen Veit. Als das Ge- ſpraͤch wieder auf die Jagd kam, und allgemeiner wurde, zeigte Siegwart ſo viele Kenntniß und Einſicht, daß die Haſenjaͤger alle drob erſtaun- ten. Junker Veit ſprang auf, und ſagte: Mei- ner Seel, dir fehlt auf der ganzen Welt nichts, als der Adel; du biſt ein goldner Junge! Aus’m meinen wird nichts, das ſeh ich ſchon! Sitzt er nicht da, wie ein Stuͤck Holz? und ſpricht kein Wort, wenn’s auf d’ Hauptſach kommt. Du haͤtteſt ſollen mein Junge werden; wir haͤtten z’ſammen taugt. ’S iſt ein Troſt im Alter, wenn man ſo ein Kind hat. — Wenn mein Fritz ein-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/miller_siegwart01_1776
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/miller_siegwart01_1776/259
Zitationshilfe: Miller, Johann Martin: Siegwart. Bd. 1. Leipzig, 1776, S. 255. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/miller_siegwart01_1776/259>, abgerufen am 25.11.2024.