Miller, Johann Martin: Siegwart. Bd. 1. Leipzig, 1776.zeichnen anfieng. Vor ihnen floß die grüne Donau ruhig; nur hie und da, wo grosse Kiesel lagen, warf sie Wellen. Am jenseitigen Ufer, welches sandig, und nur hin und wieder mit Wei- den bewachsen war, standen Kühe halb im Wasser, und tranken. Diesseits des Ufers, welches eine grüne Wiese bedeckte, sassen einige Knaben, die sich eben zum Baden auszogen. Siegwart und Kronhelm setzten sich eine Strecke weit vom P. Philipp unter einen Tannenbaum, um ihn im Zeich- nen nicht zu stören. Erst bewunderten sie die schöne mannigfaltige Gegend, und lasen dann zusammen eine Ekloge im Virgil, den Kronhelm zu sich ge- steckt hatte. Plötzlich entstand unten an der Do- nau ein Geschrey; denn einer von den Knaben, welche badeten, wollte eben untersinken. Unsre beyden Jünglinge liessen den Virgil, den sie ge- meinschaftlich hielten, fallen, daß er vor ihnen den Berg hinunter holperte, und sprangen in vollem Trab den Berg hinab. Weil das Ufer steil und san- dig war, daß der Sand unter den Füssen wegwich, so stürzte Kronhelm über und über, bis er unten lag. Siegwart aber sah und hörte nichts, als den Knaben in der Donau, und sprang, so, wie er war, hinein, um ihn zu retten. Kronhelm raff- zeichnen anfieng. Vor ihnen floß die gruͤne Donau ruhig; nur hie und da, wo groſſe Kieſel lagen, warf ſie Wellen. Am jenſeitigen Ufer, welches ſandig, und nur hin und wieder mit Wei- den bewachſen war, ſtanden Kuͤhe halb im Waſſer, und tranken. Dieſſeits des Ufers, welches eine gruͤne Wieſe bedeckte, ſaſſen einige Knaben, die ſich eben zum Baden auszogen. Siegwart und Kronhelm ſetzten ſich eine Strecke weit vom P. Philipp unter einen Tannenbaum, um ihn im Zeich- nen nicht zu ſtoͤren. Erſt bewunderten ſie die ſchoͤne mannigfaltige Gegend, und laſen dann zuſammen eine Ekloge im Virgil, den Kronhelm zu ſich ge- ſteckt hatte. Ploͤtzlich entſtand unten an der Do- nau ein Geſchrey; denn einer von den Knaben, welche badeten, wollte eben unterſinken. Unſre beyden Juͤnglinge lieſſen den Virgil, den ſie ge- meinſchaftlich hielten, fallen, daß er vor ihnen den Berg hinunter holperte, und ſprangen in vollem Trab den Berg hinab. Weil das Ufer ſteil und ſan- dig war, daß der Sand unter den Fuͤſſen wegwich, ſo ſtuͤrzte Kronhelm uͤber und uͤber, bis er unten lag. Siegwart aber ſah und hoͤrte nichts, als den Knaben in der Donau, und ſprang, ſo, wie er war, hinein, um ihn zu retten. Kronhelm raff- <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0232" n="228"/><milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> zeichnen anfieng. Vor ihnen floß die gruͤne<lb/> Donau ruhig; nur hie und da, wo groſſe Kieſel<lb/> lagen, warf ſie Wellen. Am jenſeitigen Ufer,<lb/> welches ſandig, und nur hin und wieder mit Wei-<lb/> den bewachſen war, ſtanden Kuͤhe halb im Waſſer,<lb/> und tranken. Dieſſeits des Ufers, welches<lb/> eine gruͤne Wieſe bedeckte, ſaſſen einige Knaben,<lb/> die ſich eben zum Baden auszogen. <hi rendition="#fr">Siegwart</hi> und<lb/><hi rendition="#fr">Kronhelm</hi> ſetzten ſich eine Strecke weit vom P.<lb/><hi rendition="#fr">Philipp</hi> unter einen Tannenbaum, um ihn im Zeich-<lb/> nen nicht zu ſtoͤren. Erſt bewunderten ſie die ſchoͤne<lb/> mannigfaltige Gegend, und laſen dann zuſammen<lb/> eine Ekloge im <hi rendition="#fr">Virgil,</hi> den <hi rendition="#fr">Kronhelm</hi> zu ſich ge-<lb/> ſteckt hatte. Ploͤtzlich entſtand unten an der Do-<lb/> nau ein Geſchrey; denn einer von den Knaben,<lb/> welche badeten, wollte eben unterſinken. Unſre<lb/> beyden Juͤnglinge lieſſen den <hi rendition="#fr">Virgil,</hi> den ſie ge-<lb/> meinſchaftlich hielten, fallen, daß er vor ihnen den<lb/> Berg hinunter holperte, und ſprangen in vollem<lb/> Trab den Berg hinab. Weil das Ufer ſteil und ſan-<lb/> dig war, daß der Sand unter den Fuͤſſen wegwich,<lb/> ſo ſtuͤrzte <hi rendition="#fr">Kronhelm</hi> uͤber und uͤber, bis er unten<lb/> lag. <hi rendition="#fr">Siegwart</hi> aber ſah und hoͤrte nichts, als<lb/> den Knaben in der Donau, und ſprang, ſo, wie er<lb/> war, hinein, um ihn zu retten. <hi rendition="#fr">Kronhelm</hi> raff-<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [228/0232]
zeichnen anfieng. Vor ihnen floß die gruͤne
Donau ruhig; nur hie und da, wo groſſe Kieſel
lagen, warf ſie Wellen. Am jenſeitigen Ufer,
welches ſandig, und nur hin und wieder mit Wei-
den bewachſen war, ſtanden Kuͤhe halb im Waſſer,
und tranken. Dieſſeits des Ufers, welches
eine gruͤne Wieſe bedeckte, ſaſſen einige Knaben,
die ſich eben zum Baden auszogen. Siegwart und
Kronhelm ſetzten ſich eine Strecke weit vom P.
Philipp unter einen Tannenbaum, um ihn im Zeich-
nen nicht zu ſtoͤren. Erſt bewunderten ſie die ſchoͤne
mannigfaltige Gegend, und laſen dann zuſammen
eine Ekloge im Virgil, den Kronhelm zu ſich ge-
ſteckt hatte. Ploͤtzlich entſtand unten an der Do-
nau ein Geſchrey; denn einer von den Knaben,
welche badeten, wollte eben unterſinken. Unſre
beyden Juͤnglinge lieſſen den Virgil, den ſie ge-
meinſchaftlich hielten, fallen, daß er vor ihnen den
Berg hinunter holperte, und ſprangen in vollem
Trab den Berg hinab. Weil das Ufer ſteil und ſan-
dig war, daß der Sand unter den Fuͤſſen wegwich,
ſo ſtuͤrzte Kronhelm uͤber und uͤber, bis er unten
lag. Siegwart aber ſah und hoͤrte nichts, als
den Knaben in der Donau, und ſprang, ſo, wie er
war, hinein, um ihn zu retten. Kronhelm raff-
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