Miller, Johann Martin: Siegwart. Bd. 1. Leipzig, 1776.als mit ihr. Aber da kann ich ja nichts dafür. Sie sagt, ich hänge mich an den Ketzer, und sey in ihn verliebt. Das ist ja lächerlich, da er ei- ne Braut hat. Oder soll ich nicht mit ihm spre- chen, weil er ein Ketzer ist? Er ist doch so ar- tig, und hat ein recht gutes Gemüth, so gut als ein Katholik. -- Jch hab dir dießmal recht viel geschrieben, Bruder; das macht, weil ich dich so lieb habe, und dir gern alle Kleinigkeiten erzähle, die mich angehn. Der Herr Hauptmann weiß es auch, daß ich dich so lieb habe, und läßt dich vielmals grüssen. Er sagt, du solltest nur kein Mönch werden. Leb recht wohl, herzliebster Bru- der, und gib mir bald Nachricht, wie's dir geht? Empfiehl mich dem Herrn P. Philipp, und dem Herrn von Kronhelm aufs beste! Jch verbleibe lebenslang Deine getreuste Schwester Therese. Siegwart gieng gleich mit diesem Brief als mit ihr. Aber da kann ich ja nichts dafuͤr. Sie ſagt, ich haͤnge mich an den Ketzer, und ſey in ihn verliebt. Das iſt ja laͤcherlich, da er ei- ne Braut hat. Oder ſoll ich nicht mit ihm ſpre- chen, weil er ein Ketzer iſt? Er iſt doch ſo ar- tig, und hat ein recht gutes Gemuͤth, ſo gut als ein Katholik. — Jch hab dir dießmal recht viel geſchrieben, Bruder; das macht, weil ich dich ſo lieb habe, und dir gern alle Kleinigkeiten erzaͤhle, die mich angehn. Der Herr Hauptmann weiß es auch, daß ich dich ſo lieb habe, und laͤßt dich vielmals gruͤſſen. Er ſagt, du ſollteſt nur kein Moͤnch werden. Leb recht wohl, herzliebſter Bru- der, und gib mir bald Nachricht, wie’s dir geht? Empfiehl mich dem Herrn P. Philipp, und dem Herrn von Kronhelm aufs beſte! Jch verbleibe lebenslang Deine getreuſte Schweſter Thereſe. Siegwart gieng gleich mit dieſem Brief <TEI> <text> <body> <div n="1"> <floatingText> <body> <div type="letter"> <p><pb facs="#f0220" n="216"/><milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> als mit ihr. Aber da kann ich ja nichts dafuͤr.<lb/> Sie ſagt, ich haͤnge mich an den Ketzer, und ſey<lb/> in ihn verliebt. Das iſt ja laͤcherlich, da er ei-<lb/> ne Braut hat. Oder ſoll ich nicht mit ihm ſpre-<lb/> chen, weil er ein Ketzer iſt? Er iſt doch ſo ar-<lb/> tig, und hat ein recht gutes Gemuͤth, ſo gut als<lb/> ein Katholik. — Jch hab dir dießmal recht viel<lb/> geſchrieben, Bruder; das macht, weil ich dich ſo<lb/> lieb habe, und dir gern alle Kleinigkeiten erzaͤhle,<lb/> die mich angehn. Der Herr Hauptmann weiß<lb/> es auch, daß ich dich ſo lieb habe, und laͤßt dich<lb/> vielmals gruͤſſen. Er ſagt, du ſollteſt nur kein<lb/> Moͤnch werden. Leb recht wohl, herzliebſter Bru-<lb/> der, und gib mir bald Nachricht, wie’s dir geht?<lb/> Empfiehl mich dem Herrn P. <hi rendition="#fr">Philipp,</hi> und dem<lb/> Herrn von <hi rendition="#fr">Kronhelm</hi> aufs beſte! Jch verbleibe<lb/> lebenslang</p><lb/> <closer> <salute> <hi rendition="#et">Deine getreuſte Schweſter<lb/><hi rendition="#fr">Thereſe.</hi></hi> </salute> </closer> </div> </body> </floatingText><lb/> <p><hi rendition="#fr">Siegwart</hi> gieng gleich mit dieſem Brief<lb/> auf <hi rendition="#fr">Kronhelms</hi> Zimmer, und las ihn ihm vor.<lb/><hi rendition="#fr">Kronhelm</hi> war uͤber die ſchoͤne Einfalt des Maͤd-<lb/> chens ganz entzuͤckt, und nun mußte ihm <hi rendition="#fr">Sieg-<lb/> wart</hi> den ganzen Abend durch von ihr erzaͤlen.<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [216/0220]
als mit ihr. Aber da kann ich ja nichts dafuͤr.
Sie ſagt, ich haͤnge mich an den Ketzer, und ſey
in ihn verliebt. Das iſt ja laͤcherlich, da er ei-
ne Braut hat. Oder ſoll ich nicht mit ihm ſpre-
chen, weil er ein Ketzer iſt? Er iſt doch ſo ar-
tig, und hat ein recht gutes Gemuͤth, ſo gut als
ein Katholik. — Jch hab dir dießmal recht viel
geſchrieben, Bruder; das macht, weil ich dich ſo
lieb habe, und dir gern alle Kleinigkeiten erzaͤhle,
die mich angehn. Der Herr Hauptmann weiß
es auch, daß ich dich ſo lieb habe, und laͤßt dich
vielmals gruͤſſen. Er ſagt, du ſollteſt nur kein
Moͤnch werden. Leb recht wohl, herzliebſter Bru-
der, und gib mir bald Nachricht, wie’s dir geht?
Empfiehl mich dem Herrn P. Philipp, und dem
Herrn von Kronhelm aufs beſte! Jch verbleibe
lebenslang
Deine getreuſte Schweſter
Thereſe.
Siegwart gieng gleich mit dieſem Brief
auf Kronhelms Zimmer, und las ihn ihm vor.
Kronhelm war uͤber die ſchoͤne Einfalt des Maͤd-
chens ganz entzuͤckt, und nun mußte ihm Sieg-
wart den ganzen Abend durch von ihr erzaͤlen.
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