Miller, Johann Martin: Siegwart. Bd. 1. Leipzig, 1776.ihre Freundschaft nicht aufs neue verscherzest, und dich mit einem andern zu weit einlässest! denn die Beyden meynens gewiß recht ehrlich mit dir. Denk, wie unglücklich du durch Kreutznern hät- test werden können! Papa wird dir auch drüber schreiben. Unsre Salome ist seit vier Wochen wieder hier. Jch mag nicht gerne klagen, sonst könnt ich dir gar viel anführen, wie sie mir im- mer so zuwider ist. Sie sagt, daß sie vom künf- tigen Herbst an ganz in München bleiben will. Jch habe nichts dawider, denn mit mir und dem Landleben scheint sie sich einmal nicht vertragen zu können; ob ich ihr gleich gewiß nichts wissent- lich zu leide thu. Karl will des Amtmanns in Dollingen Tochter heyrathen; ich weiß nicht, ob du sie kennst? Sie hat uns einmal, schon vor drey Jahren, besucht. Jch kenne sie nicht genug, um dir meine Meynung über sie sagen zu kön- nen. Das weiß ich, daß sie reich und geitzig ist; mich sah sie nicht viel an, als sie neulich hier war; es scheint, ich bin ihr zu munter; denn sie sieht immer sehr verdrüßlich aus, und thut so altklug. Karl daurt mich, wenn er sie kriegt; freylich sieht er auch aufs Geld; aber ich dächte, nach meiner einfältigen Meynung, das wäre ihre Freundſchaft nicht aufs neue verſcherzeſt, und dich mit einem andern zu weit einlaͤſſeſt! denn die Beyden meynens gewiß recht ehrlich mit dir. Denk, wie ungluͤcklich du durch Kreutznern haͤt- teſt werden koͤnnen! Papa wird dir auch druͤber ſchreiben. Unſre Salome iſt ſeit vier Wochen wieder hier. Jch mag nicht gerne klagen, ſonſt koͤnnt ich dir gar viel anfuͤhren, wie ſie mir im- mer ſo zuwider iſt. Sie ſagt, daß ſie vom kuͤnf- tigen Herbſt an ganz in Muͤnchen bleiben will. Jch habe nichts dawider, denn mit mir und dem Landleben ſcheint ſie ſich einmal nicht vertragen zu koͤnnen; ob ich ihr gleich gewiß nichts wiſſent- lich zu leide thu. Karl will des Amtmanns in Dollingen Tochter heyrathen; ich weiß nicht, ob du ſie kennſt? Sie hat uns einmal, ſchon vor drey Jahren, beſucht. Jch kenne ſie nicht genug, um dir meine Meynung uͤber ſie ſagen zu koͤn- nen. Das weiß ich, daß ſie reich und geitzig iſt; mich ſah ſie nicht viel an, als ſie neulich hier war; es ſcheint, ich bin ihr zu munter; denn ſie ſieht immer ſehr verdruͤßlich aus, und thut ſo altklug. Karl daurt mich, wenn er ſie kriegt; freylich ſieht er auch aufs Geld; aber ich daͤchte, nach meiner einfaͤltigen Meynung, das waͤre <TEI> <text> <body> <div n="1"> <floatingText> <body> <div type="letter"> <p><pb facs="#f0216" n="212"/><milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> ihre Freundſchaft nicht aufs neue verſcherzeſt,<lb/> und dich mit einem andern zu weit einlaͤſſeſt! denn<lb/> die Beyden meynens gewiß recht ehrlich mit dir.<lb/> Denk, wie ungluͤcklich du durch <hi rendition="#fr">Kreutznern</hi> haͤt-<lb/> teſt werden koͤnnen! Papa wird dir auch druͤber<lb/> ſchreiben. Unſre <hi rendition="#fr">Salome</hi> iſt ſeit vier Wochen<lb/> wieder hier. Jch mag nicht gerne klagen, ſonſt<lb/> koͤnnt ich dir gar viel anfuͤhren, wie ſie mir im-<lb/> mer ſo zuwider iſt. Sie ſagt, daß ſie vom kuͤnf-<lb/> tigen Herbſt an ganz in <hi rendition="#fr">Muͤnchen</hi> bleiben will.<lb/> Jch habe nichts dawider, denn mit mir und dem<lb/> Landleben ſcheint ſie ſich einmal nicht vertragen<lb/> zu koͤnnen; ob ich ihr gleich gewiß nichts wiſſent-<lb/> lich zu leide thu. Karl will des Amtmanns in<lb/><hi rendition="#fr">Dollingen</hi> Tochter heyrathen; ich weiß nicht, ob<lb/> du ſie kennſt? Sie hat uns einmal, ſchon vor<lb/> drey Jahren, beſucht. Jch kenne ſie nicht genug,<lb/> um dir meine Meynung uͤber ſie ſagen zu koͤn-<lb/> nen. Das weiß ich, daß ſie reich und geitzig iſt;<lb/> mich ſah ſie nicht viel an, als ſie neulich hier<lb/> war; es ſcheint, ich bin ihr zu munter; denn ſie<lb/> ſieht immer ſehr verdruͤßlich aus, und thut ſo<lb/> altklug. <hi rendition="#fr">Karl</hi> daurt mich, wenn er ſie kriegt;<lb/> freylich ſieht er auch aufs Geld; aber ich daͤchte,<lb/> nach meiner einfaͤltigen Meynung, das waͤre<lb/></p> </div> </body> </floatingText> </div> </body> </text> </TEI> [212/0216]
ihre Freundſchaft nicht aufs neue verſcherzeſt,
und dich mit einem andern zu weit einlaͤſſeſt! denn
die Beyden meynens gewiß recht ehrlich mit dir.
Denk, wie ungluͤcklich du durch Kreutznern haͤt-
teſt werden koͤnnen! Papa wird dir auch druͤber
ſchreiben. Unſre Salome iſt ſeit vier Wochen
wieder hier. Jch mag nicht gerne klagen, ſonſt
koͤnnt ich dir gar viel anfuͤhren, wie ſie mir im-
mer ſo zuwider iſt. Sie ſagt, daß ſie vom kuͤnf-
tigen Herbſt an ganz in Muͤnchen bleiben will.
Jch habe nichts dawider, denn mit mir und dem
Landleben ſcheint ſie ſich einmal nicht vertragen
zu koͤnnen; ob ich ihr gleich gewiß nichts wiſſent-
lich zu leide thu. Karl will des Amtmanns in
Dollingen Tochter heyrathen; ich weiß nicht, ob
du ſie kennſt? Sie hat uns einmal, ſchon vor
drey Jahren, beſucht. Jch kenne ſie nicht genug,
um dir meine Meynung uͤber ſie ſagen zu koͤn-
nen. Das weiß ich, daß ſie reich und geitzig iſt;
mich ſah ſie nicht viel an, als ſie neulich hier
war; es ſcheint, ich bin ihr zu munter; denn ſie
ſieht immer ſehr verdruͤßlich aus, und thut ſo
altklug. Karl daurt mich, wenn er ſie kriegt;
freylich ſieht er auch aufs Geld; aber ich daͤchte,
nach meiner einfaͤltigen Meynung, das waͤre
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |