mit Büchern geschickt bekam, rief er ihm, und sagte: sieh, das sind wieder Geschenke eines armen Vaters, um Gnade für den Sohn zu erbetteln. Kreutzner hatte eben Geld von Haus bekommen, und da zälte er Siegwarten einen Theil seiner Schuld wieder ab; also fiel auch der Verdacht von Eigennutz auf Kreutzners Seite weg.
Dieß alles, und noch zwanzig andre Neben- umstände zusammen genommen, machte Sieg- warts Herz gegen P. Philipp und Kronhelm ziemlich lau; er besuchte sie seltener, und that im- mer sehr zurückhaltend. Die beyden, die das merk- ten, emzogen ihm auch in etwas ihr Vertrauen, und so waren sie in kurzer Zeit fast wie getrennt. Sie bedauerten den leichtgläubigen und unvorsichtigen Jüngling in der Stille, und wünschten nur, daß sein Jrrthum nicht von langer Dauer seyn, und sich ihm nicht zu seinem Schaden aufklären möge! Auforingen mochten sie sich ihm nicht.
Der Umgang mit Kreutznern machte nach und nach unsern Siegwart in manchen Stücken leichtsinniger, eh ers selber an sich wahrnahm. Sie machten sich oft mit einander über ihre Lehrer und Mitschüler lustig, und liessen das Studieren ziem- lich liegen. Sie ersannen tausend Ausreden bey
mit Buͤchern geſchickt bekam, rief er ihm, und ſagte: ſieh, das ſind wieder Geſchenke eines armen Vaters, um Gnade fuͤr den Sohn zu erbetteln. Kreutzner hatte eben Geld von Haus bekommen, und da zaͤlte er Siegwarten einen Theil ſeiner Schuld wieder ab; alſo fiel auch der Verdacht von Eigennutz auf Kreutzners Seite weg.
Dieß alles, und noch zwanzig andre Neben- umſtaͤnde zuſammen genommen, machte Sieg- warts Herz gegen P. Philipp und Kronhelm ziemlich lau; er beſuchte ſie ſeltener, und that im- mer ſehr zuruͤckhaltend. Die beyden, die das merk- ten, emzogen ihm auch in etwas ihr Vertrauen, und ſo waren ſie in kurzer Zeit faſt wie getrennt. Sie bedauerten den leichtglaͤubigen und unvorſichtigen Juͤngling in der Stille, und wuͤnſchten nur, daß ſein Jrrthum nicht von langer Dauer ſeyn, und ſich ihm nicht zu ſeinem Schaden aufklaͤren moͤge! Auforingen mochten ſie ſich ihm nicht.
Der Umgang mit Kreutznern machte nach und nach unſern Siegwart in manchen Stuͤcken leichtſinniger, eh ers ſelber an ſich wahrnahm. Sie machten ſich oft mit einander uͤber ihre Lehrer und Mitſchuͤler luſtig, und lieſſen das Studieren ziem- lich liegen. Sie erſannen tauſend Ausreden bey
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0202"n="198"/><milestonerendition="#hr"unit="section"/><lb/>
mit Buͤchern geſchickt bekam, rief er ihm, und<lb/>ſagte: ſieh, das ſind wieder Geſchenke eines armen<lb/>
Vaters, um Gnade fuͤr den Sohn zu erbetteln.<lb/><hirendition="#fr">Kreutzner</hi> hatte eben Geld von Haus bekommen,<lb/>
und da zaͤlte er <hirendition="#fr">Siegwarten</hi> einen Theil ſeiner<lb/>
Schuld wieder ab; alſo fiel auch der Verdacht von<lb/>
Eigennutz auf <hirendition="#fr">Kreutzners</hi> Seite weg.</p><lb/><p>Dieß alles, und noch zwanzig andre Neben-<lb/>
umſtaͤnde zuſammen genommen, machte Sieg-<lb/>
warts Herz gegen P. <hirendition="#fr">Philipp</hi> und <hirendition="#fr">Kronhelm</hi><lb/>
ziemlich lau; er beſuchte ſie ſeltener, und that im-<lb/>
mer ſehr zuruͤckhaltend. Die beyden, die das merk-<lb/>
ten, emzogen ihm auch in etwas ihr Vertrauen, und<lb/>ſo waren ſie in kurzer Zeit faſt wie getrennt. Sie<lb/>
bedauerten den leichtglaͤubigen und unvorſichtigen<lb/>
Juͤngling in der Stille, und wuͤnſchten nur, daß<lb/>ſein Jrrthum nicht von langer Dauer ſeyn, und<lb/>ſich ihm nicht zu ſeinem Schaden aufklaͤren moͤge!<lb/>
Auforingen mochten ſie ſich ihm nicht.</p><lb/><p>Der Umgang mit <hirendition="#fr">Kreutznern</hi> machte nach<lb/>
und nach unſern <hirendition="#fr">Siegwart</hi> in manchen Stuͤcken<lb/>
leichtſinniger, eh ers ſelber an ſich wahrnahm. Sie<lb/>
machten ſich oft mit einander uͤber ihre Lehrer und<lb/>
Mitſchuͤler luſtig, und lieſſen das Studieren ziem-<lb/>
lich liegen. Sie erſannen tauſend Ausreden bey<lb/></p></div></body></text></TEI>
[198/0202]
mit Buͤchern geſchickt bekam, rief er ihm, und
ſagte: ſieh, das ſind wieder Geſchenke eines armen
Vaters, um Gnade fuͤr den Sohn zu erbetteln.
Kreutzner hatte eben Geld von Haus bekommen,
und da zaͤlte er Siegwarten einen Theil ſeiner
Schuld wieder ab; alſo fiel auch der Verdacht von
Eigennutz auf Kreutzners Seite weg.
Dieß alles, und noch zwanzig andre Neben-
umſtaͤnde zuſammen genommen, machte Sieg-
warts Herz gegen P. Philipp und Kronhelm
ziemlich lau; er beſuchte ſie ſeltener, und that im-
mer ſehr zuruͤckhaltend. Die beyden, die das merk-
ten, emzogen ihm auch in etwas ihr Vertrauen, und
ſo waren ſie in kurzer Zeit faſt wie getrennt. Sie
bedauerten den leichtglaͤubigen und unvorſichtigen
Juͤngling in der Stille, und wuͤnſchten nur, daß
ſein Jrrthum nicht von langer Dauer ſeyn, und
ſich ihm nicht zu ſeinem Schaden aufklaͤren moͤge!
Auforingen mochten ſie ſich ihm nicht.
Der Umgang mit Kreutznern machte nach
und nach unſern Siegwart in manchen Stuͤcken
leichtſinniger, eh ers ſelber an ſich wahrnahm. Sie
machten ſich oft mit einander uͤber ihre Lehrer und
Mitſchuͤler luſtig, und lieſſen das Studieren ziem-
lich liegen. Sie erſannen tauſend Ausreden bey
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Miller, Johann Martin: Siegwart. Bd. 1. Leipzig, 1776, S. 198. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/miller_siegwart01_1776/202>, abgerufen am 24.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.