Posthaus ab, und ließ sich gleich darauf in die Schule führen. Der Thorwart am Schloßhof meldete ihn an; er stand indessen zitternd in dem Hof. Man hieß ihn nach einem grossen Saal kommen, wo der oberste Professor und ein an- drer ihn erwarteten.
Nun, ist er der junge Siegwart, der das Zutrauen zu uns hat, daß er Kostgänger bey uns werden will? sagte der erste. -- Ja. -- Sey er uns vielmals willkommen! Wir haben schon viel Gutes von ihm gehört, und hoffen, daß es ihm bey uns nicht mißfallen soll. -- Siegwart neig- te sich, und that sehr furchtsam. -- Sey er nur gutes Muths, und ohne Furcht! Wir werden bald besser mit einander bekannt werden. Bruder Johann, wollen Sie ihn auf sein Zimmer bringen?
P. Johann nahm ihn bey der Hand, und führte ihn auf ein ziemlich geräumiges Zimmer, das eine freye Aussicht an die Donau, und das herum liegende Weidenufer, nebst der ganzen weiten Ebne hatte. Es war noch ein Kostgän- ger auf dem Zimmer, Namens Joseph Kreutzner, der ihn mit ausserordentlicher Höflichkeit bewill-
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Poſthaus ab, und ließ ſich gleich darauf in die Schule fuͤhren. Der Thorwart am Schloßhof meldete ihn an; er ſtand indeſſen zitternd in dem Hof. Man hieß ihn nach einem groſſen Saal kommen, wo der oberſte Profeſſor und ein an- drer ihn erwarteten.
Nun, iſt er der junge Siegwart, der das Zutrauen zu uns hat, daß er Koſtgaͤnger bey uns werden will? ſagte der erſte. — Ja. — Sey er uns vielmals willkommen! Wir haben ſchon viel Gutes von ihm gehoͤrt, und hoffen, daß es ihm bey uns nicht mißfallen ſoll. — Siegwart neig- te ſich, und that ſehr furchtſam. — Sey er nur gutes Muths, und ohne Furcht! Wir werden bald beſſer mit einander bekannt werden. Bruder Johann, wollen Sie ihn auf ſein Zimmer bringen?
P. Johann nahm ihn bey der Hand, und fuͤhrte ihn auf ein ziemlich geraͤumiges Zimmer, das eine freye Ausſicht an die Donau, und das herum liegende Weidenufer, nebſt der ganzen weiten Ebne hatte. Es war noch ein Koſtgaͤn- ger auf dem Zimmer, Namens Joſeph Kreutzner, der ihn mit auſſerordentlicher Hoͤflichkeit bewill-
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Poſthaus ab, und ließ ſich gleich darauf in die
Schule fuͤhren. Der Thorwart am Schloßhof
meldete ihn an; er ſtand indeſſen zitternd in dem
Hof. Man hieß ihn nach einem groſſen Saal
kommen, wo der oberſte Profeſſor und ein an-
drer ihn erwarteten.
Nun, iſt er der junge Siegwart, der das
Zutrauen zu uns hat, daß er Koſtgaͤnger bey uns
werden will? ſagte der erſte. — Ja. — Sey er
uns vielmals willkommen! Wir haben ſchon viel
Gutes von ihm gehoͤrt, und hoffen, daß es ihm
bey uns nicht mißfallen ſoll. — Siegwart neig-
te ſich, und that ſehr furchtſam. — Sey er nur
gutes Muths, und ohne Furcht! Wir werden bald
beſſer mit einander bekannt werden. Bruder
Johann, wollen Sie ihn auf ſein Zimmer
bringen?
P. Johann nahm ihn bey der Hand, und
fuͤhrte ihn auf ein ziemlich geraͤumiges Zimmer,
das eine freye Ausſicht an die Donau, und das
herum liegende Weidenufer, nebſt der ganzen
weiten Ebne hatte. Es war noch ein Koſtgaͤn-
ger auf dem Zimmer, Namens Joſeph Kreutzner,
der ihn mit auſſerordentlicher Hoͤflichkeit bewill-
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Miller, Johann Martin: Siegwart. Bd. 1. Leipzig, 1776, S. 177. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/miller_siegwart01_1776/181>, abgerufen am 24.11.2024.
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