Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Miller, Johann Martin: Siegwart. Bd. 1. Leipzig, 1776.

Bild:
<< vorherige Seite



terschlag behütet, und man denkt, man darfs nun
schneiden und heimführen; wenn da so ein Rudel
Hirsche kommt, und frißt alles weg, oder d' Schwein
wühlen einem alles um. Meiner Seel'! 's Herz
im Leib weint einem, wenn ein armer Mann auf
den Acker kommt, und siehts, und schlägt d' Händ
überm Kopf zusammen, und flucht auf die Leut, die
's Wild so hegen. Bey Gott! da möcht ich der
Fürst nicht seyn, über den die Flüch, und die Zäh-
ren schreyen. Lieber wollt ich da kein Wildpret
essen! Jagen könnt er doch, das würd ihm kein
Mensch verwehren. Seht ihr, Schulz! So ists
gemeynt!

Wirth. Jhr versteht das nicht, Gerg! Jhr
könnt Nachts hinausgehn aufs Feld, könnt da wa-
chen, und 's Wild abtreiben.

Gerg. Beym Blitz! Was das wieder g'spro-
chen heißt? Seyd ihr auch ein Baur, Herr?
Man sieht wohl, daß ihr immer nur daheim sitzt,
und am Bierkrug zapft! Da schafft mir einmal
einen Tag über, in der Sonnenhitz, von Morgens
vier an, bis Nachts achte; und dann geht mir aufs
Feld hinaus, und wacht, um 's Wild abzutreiben!
Weiß Gott, wir sind doch auch Menschen, und
keine Hund! Wollt sehen, wo der Fürst blieb, wenn



terſchlag behuͤtet, und man denkt, man darfs nun
ſchneiden und heimfuͤhren; wenn da ſo ein Rudel
Hirſche kommt, und frißt alles weg, oder d’ Schwein
wuͤhlen einem alles um. Meiner Seel’! ’s Herz
im Leib weint einem, wenn ein armer Mann auf
den Acker kommt, und ſiehts, und ſchlaͤgt d’ Haͤnd
uͤberm Kopf zuſammen, und flucht auf die Leut, die
’s Wild ſo hegen. Bey Gott! da moͤcht ich der
Fuͤrſt nicht ſeyn, uͤber den die Fluͤch, und die Zaͤh-
ren ſchreyen. Lieber wollt ich da kein Wildpret
eſſen! Jagen koͤnnt er doch, das wuͤrd ihm kein
Menſch verwehren. Seht ihr, Schulz! So iſts
gemeynt!

Wirth. Jhr verſteht das nicht, Gerg! Jhr
koͤnnt Nachts hinausgehn aufs Feld, koͤnnt da wa-
chen, und ’s Wild abtreiben.

Gerg. Beym Blitz! Was das wieder g’ſpro-
chen heißt? Seyd ihr auch ein Baur, Herr?
Man ſieht wohl, daß ihr immer nur daheim ſitzt,
und am Bierkrug zapft! Da ſchafft mir einmal
einen Tag uͤber, in der Sonnenhitz, von Morgens
vier an, bis Nachts achte; und dann geht mir aufs
Feld hinaus, und wacht, um ’s Wild abzutreiben!
Weiß Gott, wir ſind doch auch Menſchen, und
keine Hund! Wollt ſehen, wo der Fuͤrſt blieb, wenn

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0175" n="171"/><milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
ter&#x017F;chlag behu&#x0364;tet, und man denkt, man darfs nun<lb/>
&#x017F;chneiden und heimfu&#x0364;hren; wenn da &#x017F;o ein Rudel<lb/>
Hir&#x017F;che kommt, und frißt alles weg, oder d&#x2019; Schwein<lb/>
wu&#x0364;hlen einem alles um. Meiner Seel&#x2019;! &#x2019;s Herz<lb/>
im Leib weint einem, wenn ein armer Mann auf<lb/>
den Acker kommt, und &#x017F;iehts, und &#x017F;chla&#x0364;gt d&#x2019; Ha&#x0364;nd<lb/>
u&#x0364;berm Kopf zu&#x017F;ammen, und flucht auf die Leut, die<lb/>
&#x2019;s Wild &#x017F;o hegen. Bey Gott! da mo&#x0364;cht ich der<lb/>
Fu&#x0364;r&#x017F;t nicht &#x017F;eyn, u&#x0364;ber den die Flu&#x0364;ch, und die Za&#x0364;h-<lb/>
ren &#x017F;chreyen. Lieber wollt ich da kein Wildpret<lb/>
e&#x017F;&#x017F;en! Jagen ko&#x0364;nnt er doch, das wu&#x0364;rd ihm kein<lb/>
Men&#x017F;ch verwehren. Seht ihr, Schulz! So i&#x017F;ts<lb/>
gemeynt!</p><lb/>
        <p><hi rendition="#fr">Wirth.</hi> Jhr ver&#x017F;teht das nicht, Gerg! Jhr<lb/>
ko&#x0364;nnt Nachts hinausgehn aufs Feld, ko&#x0364;nnt da wa-<lb/>
chen, und &#x2019;s Wild abtreiben.</p><lb/>
        <p><hi rendition="#fr">Gerg.</hi> Beym Blitz! Was das wieder g&#x2019;&#x017F;pro-<lb/>
chen heißt? Seyd ihr auch ein Baur, Herr?<lb/>
Man &#x017F;ieht wohl, daß ihr immer nur daheim &#x017F;itzt,<lb/>
und am Bierkrug zapft! Da &#x017F;chafft mir einmal<lb/>
einen Tag u&#x0364;ber, in der Sonnenhitz, von Morgens<lb/>
vier an, bis Nachts achte; und dann geht mir aufs<lb/>
Feld hinaus, und wacht, um &#x2019;s Wild abzutreiben!<lb/>
Weiß Gott, wir &#x017F;ind doch auch Men&#x017F;chen, und<lb/>
keine Hund! Wollt &#x017F;ehen, wo der Fu&#x0364;r&#x017F;t blieb, wenn<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[171/0175] terſchlag behuͤtet, und man denkt, man darfs nun ſchneiden und heimfuͤhren; wenn da ſo ein Rudel Hirſche kommt, und frißt alles weg, oder d’ Schwein wuͤhlen einem alles um. Meiner Seel’! ’s Herz im Leib weint einem, wenn ein armer Mann auf den Acker kommt, und ſiehts, und ſchlaͤgt d’ Haͤnd uͤberm Kopf zuſammen, und flucht auf die Leut, die ’s Wild ſo hegen. Bey Gott! da moͤcht ich der Fuͤrſt nicht ſeyn, uͤber den die Fluͤch, und die Zaͤh- ren ſchreyen. Lieber wollt ich da kein Wildpret eſſen! Jagen koͤnnt er doch, das wuͤrd ihm kein Menſch verwehren. Seht ihr, Schulz! So iſts gemeynt! Wirth. Jhr verſteht das nicht, Gerg! Jhr koͤnnt Nachts hinausgehn aufs Feld, koͤnnt da wa- chen, und ’s Wild abtreiben. Gerg. Beym Blitz! Was das wieder g’ſpro- chen heißt? Seyd ihr auch ein Baur, Herr? Man ſieht wohl, daß ihr immer nur daheim ſitzt, und am Bierkrug zapft! Da ſchafft mir einmal einen Tag uͤber, in der Sonnenhitz, von Morgens vier an, bis Nachts achte; und dann geht mir aufs Feld hinaus, und wacht, um ’s Wild abzutreiben! Weiß Gott, wir ſind doch auch Menſchen, und keine Hund! Wollt ſehen, wo der Fuͤrſt blieb, wenn

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/miller_siegwart01_1776
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/miller_siegwart01_1776/175
Zitationshilfe: Miller, Johann Martin: Siegwart. Bd. 1. Leipzig, 1776, S. 171. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/miller_siegwart01_1776/175>, abgerufen am 24.11.2024.