Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Miller, Johann Martin: Siegwart. Bd. 1. Leipzig, 1776.

Bild:
<< vorherige Seite



nichts an! -- Sieh, dort liegt das Kloster schon;
bey den Tannenbäumen dort! --

Sie waren nun, ausserhalb dem Wald' auf
eine Anhöhe gekommen, an deren Fuß das Klo-
ster gebaut war. Rechterhand an einem Eichen-
walde gieng die Sonne ganz golden unter. Sie
spielte noch auf den umgebognen Spitzen der
Saat, die vor ihnen, wie ein sanfter Strom da-
hin schwamm. Drüber hin waren Gespinnste von
Spinneweben wie ein Teppich ausgebreitet, die
im Stral der Sonne alle Regenbogensarben tru-
gen. Hoch in der Luft sangen noch die Lerchen,
deren Flügel, wenn sie sich ein Bischen wende-
ten, wie Gold glänzten. Ein Arm der Donau,
der ganz still zwischen Weiden hin floß, faßte das
Bild des rothen Abendhimmels auf, und man
konnte die ganze rotdämmernde Gegend drin-
nen sehen. Zur linken Seite ward der Himmel
schon dunkler; unten am Tannenwalde war er grau,
und oben gelbroth. Vor ihnen lag das Kloster
in ruhiger Stille. Die, mit weissem Blech beleg-
ten Dachkuppeln glänzten noch ein wenig; hinter
dem Gebäude erhuben sich zwanzig oder dreißig ho-
he schwarzgrüne Tannen; alles war jezt still, da
die feyerliche harmonische Bethglocke erklang, und



nichts an! — Sieh, dort liegt das Kloſter ſchon;
bey den Tannenbaͤumen dort! —

Sie waren nun, auſſerhalb dem Wald’ auf
eine Anhoͤhe gekommen, an deren Fuß das Klo-
ſter gebaut war. Rechterhand an einem Eichen-
walde gieng die Sonne ganz golden unter. Sie
ſpielte noch auf den umgebognen Spitzen der
Saat, die vor ihnen, wie ein ſanfter Strom da-
hin ſchwamm. Druͤber hin waren Geſpinnſte von
Spinneweben wie ein Teppich ausgebreitet, die
im Stral der Sonne alle Regenbogenſarben tru-
gen. Hoch in der Luft ſangen noch die Lerchen,
deren Fluͤgel, wenn ſie ſich ein Bischen wende-
ten, wie Gold glaͤnzten. Ein Arm der Donau,
der ganz ſtill zwiſchen Weiden hin floß, faßte das
Bild des rothen Abendhimmels auf, und man
konnte die ganze rotdaͤmmernde Gegend drin-
nen ſehen. Zur linken Seite ward der Himmel
ſchon dunkler; unten am Tannenwalde war er grau,
und oben gelbroth. Vor ihnen lag das Kloſter
in ruhiger Stille. Die, mit weiſſem Blech beleg-
ten Dachkuppeln glaͤnzten noch ein wenig; hinter
dem Gebaͤude erhuben ſich zwanzig oder dreißig ho-
he ſchwarzgruͤne Tannen; alles war jezt ſtill, da
die feyerliche harmoniſche Bethglocke erklang, und

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0017" n="13"/><milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
nichts an! &#x2014; Sieh, dort liegt das Klo&#x017F;ter &#x017F;chon;<lb/>
bey den Tannenba&#x0364;umen dort! &#x2014;</p><lb/>
        <p>Sie waren nun, au&#x017F;&#x017F;erhalb dem Wald&#x2019; auf<lb/>
eine Anho&#x0364;he gekommen, an deren Fuß das Klo-<lb/>
&#x017F;ter gebaut war. Rechterhand an einem Eichen-<lb/>
walde gieng die Sonne ganz golden unter. Sie<lb/>
&#x017F;pielte noch auf den umgebognen Spitzen der<lb/>
Saat, die vor ihnen, wie ein &#x017F;anfter Strom da-<lb/>
hin &#x017F;chwamm. Dru&#x0364;ber hin waren Ge&#x017F;pinn&#x017F;te von<lb/>
Spinneweben wie ein Teppich ausgebreitet, die<lb/>
im Stral der Sonne alle Regenbogen&#x017F;arben tru-<lb/>
gen. Hoch in der Luft &#x017F;angen noch die Lerchen,<lb/>
deren Flu&#x0364;gel, wenn &#x017F;ie &#x017F;ich ein Bischen wende-<lb/>
ten, wie Gold gla&#x0364;nzten. Ein Arm der Donau,<lb/>
der ganz &#x017F;till zwi&#x017F;chen Weiden hin floß, faßte das<lb/>
Bild des rothen Abendhimmels auf, und man<lb/>
konnte die ganze rotda&#x0364;mmernde Gegend drin-<lb/>
nen &#x017F;ehen. Zur linken Seite ward der Himmel<lb/>
&#x017F;chon dunkler; unten am Tannenwalde war er grau,<lb/>
und oben gelbroth. Vor ihnen lag das Klo&#x017F;ter<lb/>
in ruhiger Stille. Die, mit wei&#x017F;&#x017F;em Blech beleg-<lb/>
ten Dachkuppeln gla&#x0364;nzten noch ein wenig; hinter<lb/>
dem Geba&#x0364;ude erhuben &#x017F;ich zwanzig oder dreißig ho-<lb/>
he &#x017F;chwarzgru&#x0364;ne Tannen; alles war jezt &#x017F;till, da<lb/>
die feyerliche harmoni&#x017F;che Bethglocke erklang, und<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[13/0017] nichts an! — Sieh, dort liegt das Kloſter ſchon; bey den Tannenbaͤumen dort! — Sie waren nun, auſſerhalb dem Wald’ auf eine Anhoͤhe gekommen, an deren Fuß das Klo- ſter gebaut war. Rechterhand an einem Eichen- walde gieng die Sonne ganz golden unter. Sie ſpielte noch auf den umgebognen Spitzen der Saat, die vor ihnen, wie ein ſanfter Strom da- hin ſchwamm. Druͤber hin waren Geſpinnſte von Spinneweben wie ein Teppich ausgebreitet, die im Stral der Sonne alle Regenbogenſarben tru- gen. Hoch in der Luft ſangen noch die Lerchen, deren Fluͤgel, wenn ſie ſich ein Bischen wende- ten, wie Gold glaͤnzten. Ein Arm der Donau, der ganz ſtill zwiſchen Weiden hin floß, faßte das Bild des rothen Abendhimmels auf, und man konnte die ganze rotdaͤmmernde Gegend drin- nen ſehen. Zur linken Seite ward der Himmel ſchon dunkler; unten am Tannenwalde war er grau, und oben gelbroth. Vor ihnen lag das Kloſter in ruhiger Stille. Die, mit weiſſem Blech beleg- ten Dachkuppeln glaͤnzten noch ein wenig; hinter dem Gebaͤude erhuben ſich zwanzig oder dreißig ho- he ſchwarzgruͤne Tannen; alles war jezt ſtill, da die feyerliche harmoniſche Bethglocke erklang, und

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/miller_siegwart01_1776
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/miller_siegwart01_1776/17
Zitationshilfe: Miller, Johann Martin: Siegwart. Bd. 1. Leipzig, 1776, S. 13. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/miller_siegwart01_1776/17>, abgerufen am 21.11.2024.