Therese hatte Kaffee gemacht, und schenk- te ihrem Bruder ein. Thränen, die ihr unauf- hörlich aus den Augen stürzten, liessen sie nicht reden. Er war stumm, und wie beläubt. Karl wollte auch traurig seyn, aber man sahs ihm wol an, daß es Zwang war. Der alte Siegwart stand bewegt am Fenster, und sah die Pferde an den Wagen spannen. Therese setzte sich zu ihrem Bruder, sah ihn schmachtend an, und neue Thrä- nen schossen ihr ins Auge. Sie legte seine Hand in die ihrige, und drückte sie. Xaver sah sie an, dann den Vater, dann den Bruder; suchte seinen Schmerz zu unterdrücken, und auf einmal brach er wieder mit einem lauten Seufzer aus. Xaver, sagte endlich der Vater, wenn du fertig bist, die Pferde sind angespannt. Diese Worte waren ihm ein Donnerschlag; er stand auf, suchte seinen Hut und Stock, ohn ein Wort zu sprechen, hielt den Hut halb vors Gesicht, und stand so, mitten in der Stube. Therese, die's nicht länger aushalten konnte, gieng vors Zimmer hinaus, um da auf den Bruder zu warten. -- Nun, mein Sohn, sagte der Vater, viel Umstände wollen wir nicht machen; das Herz ist dir doch so schwer. Du weist, was ich dir vorhin gesagt habe, behalt's
Thereſe hatte Kaffee gemacht, und ſchenk- te ihrem Bruder ein. Thraͤnen, die ihr unauf- hoͤrlich aus den Augen ſtuͤrzten, lieſſen ſie nicht reden. Er war ſtumm, und wie belaͤubt. Karl wollte auch traurig ſeyn, aber man ſahs ihm wol an, daß es Zwang war. Der alte Siegwart ſtand bewegt am Fenſter, und ſah die Pferde an den Wagen ſpannen. Thereſe ſetzte ſich zu ihrem Bruder, ſah ihn ſchmachtend an, und neue Thraͤ- nen ſchoſſen ihr ins Auge. Sie legte ſeine Hand in die ihrige, und druͤckte ſie. Xaver ſah ſie an, dann den Vater, dann den Bruder; ſuchte ſeinen Schmerz zu unterdruͤcken, und auf einmal brach er wieder mit einem lauten Seufzer aus. Xaver, ſagte endlich der Vater, wenn du fertig biſt, die Pferde ſind angeſpannt. Dieſe Worte waren ihm ein Donnerſchlag; er ſtand auf, ſuchte ſeinen Hut und Stock, ohn ein Wort zu ſprechen, hielt den Hut halb vors Geſicht, und ſtand ſo, mitten in der Stube. Thereſe, die’s nicht laͤnger aushalten konnte, gieng vors Zimmer hinaus, um da auf den Bruder zu warten. — Nun, mein Sohn, ſagte der Vater, viel Umſtaͤnde wollen wir nicht machen; das Herz iſt dir doch ſo ſchwer. Du weiſt, was ich dir vorhin geſagt habe, behalt’s
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Thereſe hatte Kaffee gemacht, und ſchenk-
te ihrem Bruder ein. Thraͤnen, die ihr unauf-
hoͤrlich aus den Augen ſtuͤrzten, lieſſen ſie nicht
reden. Er war ſtumm, und wie belaͤubt. Karl
wollte auch traurig ſeyn, aber man ſahs ihm wol
an, daß es Zwang war. Der alte Siegwart
ſtand bewegt am Fenſter, und ſah die Pferde an
den Wagen ſpannen. Thereſe ſetzte ſich zu ihrem
Bruder, ſah ihn ſchmachtend an, und neue Thraͤ-
nen ſchoſſen ihr ins Auge. Sie legte ſeine Hand
in die ihrige, und druͤckte ſie. Xaver ſah ſie an,
dann den Vater, dann den Bruder; ſuchte ſeinen
Schmerz zu unterdruͤcken, und auf einmal brach
er wieder mit einem lauten Seufzer aus. Xaver,
ſagte endlich der Vater, wenn du fertig biſt, die
Pferde ſind angeſpannt. Dieſe Worte waren ihm
ein Donnerſchlag; er ſtand auf, ſuchte ſeinen Hut
und Stock, ohn ein Wort zu ſprechen, hielt den
Hut halb vors Geſicht, und ſtand ſo, mitten in der
Stube. Thereſe, die’s nicht laͤnger aushalten
konnte, gieng vors Zimmer hinaus, um da auf
den Bruder zu warten. — Nun, mein Sohn,
ſagte der Vater, viel Umſtaͤnde wollen wir nicht
machen; das Herz iſt dir doch ſo ſchwer. Du
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Miller, Johann Martin: Siegwart. Bd. 1. Leipzig, 1776, S. 165. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/miller_siegwart01_1776/169>, abgerufen am 22.11.2024.
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