seines guten Herzens wegen verdient! Sprich mit ihm davon!
Therese. Wenn Sie's erlauben, Papa, so will ich mit ihm sprechen, und ihm meine Mey- nung frey heraus sagen. Denn hier hilft das Schweigen nichts, man möcht es nachher zu spät bereuen, und sich Vorwürfe drüber machen.
Der Vater. Gut, meine Tochter, ich über- laß es deiner Klugheit; nur must du ihm das Klosterleben auch nicht gar zu traurig abmalen! Es möchte eine schlimme Wirkung bey ihm ha- ben, da er einmal ganz dafür eingenommen ist.
Therese gieng nun mit etwas leichterm Her- zen weg, als sie hergekommen war. Sie suchte ihren Bruder diesen Morgen noch zu sprechen; aber Wilhelm, der bey ihm auf dem Zimmer saß und durch keinen Vorwand wegzubringen war, hinderte sie daran. Den Nachmittag kam ein alter Prediger vom nächsten Dorf, den Therese oft auf ihren Spaziergängen besuchte, und, seiner Ehrlichkeit wegen, sehr lieb hatte. Der alte Mann freute sich recht herzlich, wie er hörte, daß Xa- ver der Welt absagen wollte, und wünschte ihm aufrichtig Glück dazu. Therese muste verspre- chen, ihn mit ihrem Bruder, eh er weggienge,
ſeines guten Herzens wegen verdient! Sprich mit ihm davon!
Thereſe. Wenn Sie’s erlauben, Papa, ſo will ich mit ihm ſprechen, und ihm meine Mey- nung frey heraus ſagen. Denn hier hilft das Schweigen nichts, man moͤcht es nachher zu ſpaͤt bereuen, und ſich Vorwuͤrfe druͤber machen.
Der Vater. Gut, meine Tochter, ich uͤber- laß es deiner Klugheit; nur muſt du ihm das Kloſterleben auch nicht gar zu traurig abmalen! Es moͤchte eine ſchlimme Wirkung bey ihm ha- ben, da er einmal ganz dafuͤr eingenommen iſt.
Thereſe gieng nun mit etwas leichterm Her- zen weg, als ſie hergekommen war. Sie ſuchte ihren Bruder dieſen Morgen noch zu ſprechen; aber Wilhelm, der bey ihm auf dem Zimmer ſaß und durch keinen Vorwand wegzubringen war, hinderte ſie daran. Den Nachmittag kam ein alter Prediger vom naͤchſten Dorf, den Thereſe oft auf ihren Spaziergaͤngen beſuchte, und, ſeiner Ehrlichkeit wegen, ſehr lieb hatte. Der alte Mann freute ſich recht herzlich, wie er hoͤrte, daß Xa- ver der Welt abſagen wollte, und wuͤnſchte ihm aufrichtig Gluͤck dazu. Thereſe muſte verſpre- chen, ihn mit ihrem Bruder, eh er weggienge,
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ſeines guten Herzens wegen verdient! Sprich mit
ihm davon!
Thereſe. Wenn Sie’s erlauben, Papa, ſo
will ich mit ihm ſprechen, und ihm meine Mey-
nung frey heraus ſagen. Denn hier hilft das
Schweigen nichts, man moͤcht es nachher zu ſpaͤt
bereuen, und ſich Vorwuͤrfe druͤber machen.
Der Vater. Gut, meine Tochter, ich uͤber-
laß es deiner Klugheit; nur muſt du ihm das
Kloſterleben auch nicht gar zu traurig abmalen!
Es moͤchte eine ſchlimme Wirkung bey ihm ha-
ben, da er einmal ganz dafuͤr eingenommen iſt.
Thereſe gieng nun mit etwas leichterm Her-
zen weg, als ſie hergekommen war. Sie ſuchte
ihren Bruder dieſen Morgen noch zu ſprechen;
aber Wilhelm, der bey ihm auf dem Zimmer
ſaß und durch keinen Vorwand wegzubringen war,
hinderte ſie daran. Den Nachmittag kam ein
alter Prediger vom naͤchſten Dorf, den Thereſe
oft auf ihren Spaziergaͤngen beſuchte, und, ſeiner
Ehrlichkeit wegen, ſehr lieb hatte. Der alte Mann
freute ſich recht herzlich, wie er hoͤrte, daß Xa-
ver der Welt abſagen wollte, und wuͤnſchte ihm
aufrichtig Gluͤck dazu. Thereſe muſte verſpre-
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Miller, Johann Martin: Siegwart. Bd. 1. Leipzig, 1776, S. 127. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/miller_siegwart01_1776/131>, abgerufen am 22.11.2024.
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