Miller, Johann Martin: Siegwart. Bd. 1. Leipzig, 1776.sah nicht gut aus, denn sie hatte Sommersprossen, eine etwas aufgeworfne Nase, und ziemlich hellrothe Haare; und doch war sie auf ihre Bildung, und ihren vortheilhaften Wuchs übermäßig stolz. Ei- telkeit war ihre Göttinn, und sie sann Tag und Nacht darauf, ihr neuen Putz und Flitterstaat zu opfern: und doch prangte sie im Dorf vor niemand, als Sonntags in der Kirche vor den Bauren, die ihren überfeinen Geschmack nicht einmal bewundern konnten. Für diesen Undank, dessen sich auch ihre Schwester schuldig machte, weil sie's selten bemerkte, wenn Salome mit einer neuen Erfindung, die oft in Veränderung einer Schleife bestand, auftrat, rächte sie sich aber, und brachte den grösten Theil des Jahrs bey einer alten Baase in München zu, wo sie sich von Hofkammerdienern, Läufern, und dergleichen Leuten bewundern, und von Damen, Kam- merjungfern und Putzmacherinnen betadeln ließ. Die ganze Familie des Amtmanns, und Therese am meisten waren mit dieser Rache sehr zufrieden; denn Salome konnte nichts, als sich, und ihre Kleider im Spiegel begaffen; sich frisieren; zwo fran- zösische Arien singen, die sie nicht verstand; aufs Land und das Landleben schimpfen; spötteln, wenn man von der Stadt sprach, und nicht alles drinn bewunderte; ſah nicht gut aus, denn ſie hatte Sommerſproſſen, eine etwas aufgeworfne Naſe, und ziemlich hellrothe Haare; und doch war ſie auf ihre Bildung, und ihren vortheilhaften Wuchs uͤbermaͤßig ſtolz. Ei- telkeit war ihre Goͤttinn, und ſie ſann Tag und Nacht darauf, ihr neuen Putz und Flitterſtaat zu opfern: und doch prangte ſie im Dorf vor niemand, als Sonntags in der Kirche vor den Bauren, die ihren uͤberfeinen Geſchmack nicht einmal bewundern konnten. Fuͤr dieſen Undank, deſſen ſich auch ihre Schweſter ſchuldig machte, weil ſie’s ſelten bemerkte, wenn Salome mit einer neuen Erfindung, die oft in Veraͤnderung einer Schleife beſtand, auftrat, raͤchte ſie ſich aber, und brachte den groͤſten Theil des Jahrs bey einer alten Baaſe in Muͤnchen zu, wo ſie ſich von Hofkammerdienern, Laͤufern, und dergleichen Leuten bewundern, und von Damen, Kam- merjungfern und Putzmacherinnen betadeln ließ. Die ganze Familie des Amtmanns, und Thereſe am meiſten waren mit dieſer Rache ſehr zufrieden; denn Salome konnte nichts, als ſich, und ihre Kleider im Spiegel begaffen; ſich friſieren; zwo fran- zoͤſiſche Arien ſingen, die ſie nicht verſtand; aufs Land und das Landleben ſchimpfen; ſpoͤtteln, wenn man von der Stadt ſprach, und nicht alles drinn bewunderte; <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0121" n="117"/><milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> ſah nicht gut aus, denn ſie hatte Sommerſproſſen,<lb/> eine etwas aufgeworfne Naſe, und ziemlich hellrothe<lb/> Haare; und doch war ſie auf ihre Bildung, und<lb/> ihren vortheilhaften Wuchs uͤbermaͤßig ſtolz. Ei-<lb/> telkeit war ihre Goͤttinn, und ſie ſann Tag und<lb/> Nacht darauf, ihr neuen Putz und Flitterſtaat zu<lb/> opfern: und doch prangte ſie im Dorf vor niemand,<lb/> als Sonntags in der Kirche vor den Bauren, die<lb/> ihren uͤberfeinen Geſchmack nicht einmal bewundern<lb/> konnten. Fuͤr dieſen Undank, deſſen ſich auch ihre<lb/> Schweſter ſchuldig machte, weil ſie’s ſelten bemerkte,<lb/> wenn Salome mit einer neuen Erfindung, die oft<lb/> in Veraͤnderung einer Schleife beſtand, auftrat,<lb/> raͤchte ſie ſich aber, und brachte den groͤſten Theil<lb/> des Jahrs bey einer alten Baaſe in Muͤnchen zu,<lb/> wo ſie ſich von Hofkammerdienern, Laͤufern, und<lb/> dergleichen Leuten bewundern, und von Damen, Kam-<lb/> merjungfern und Putzmacherinnen betadeln ließ.<lb/> Die ganze Familie des Amtmanns, und <hi rendition="#fr">Thereſe</hi><lb/> am meiſten waren mit dieſer Rache ſehr zufrieden;<lb/> denn Salome konnte nichts, als ſich, und ihre<lb/> Kleider im Spiegel begaffen; ſich friſieren; zwo fran-<lb/> zoͤſiſche Arien ſingen, die ſie nicht verſtand; aufs Land<lb/> und das Landleben ſchimpfen; ſpoͤtteln, wenn man von<lb/> der Stadt ſprach, und nicht alles drinn bewunderte;<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [117/0121]
ſah nicht gut aus, denn ſie hatte Sommerſproſſen,
eine etwas aufgeworfne Naſe, und ziemlich hellrothe
Haare; und doch war ſie auf ihre Bildung, und
ihren vortheilhaften Wuchs uͤbermaͤßig ſtolz. Ei-
telkeit war ihre Goͤttinn, und ſie ſann Tag und
Nacht darauf, ihr neuen Putz und Flitterſtaat zu
opfern: und doch prangte ſie im Dorf vor niemand,
als Sonntags in der Kirche vor den Bauren, die
ihren uͤberfeinen Geſchmack nicht einmal bewundern
konnten. Fuͤr dieſen Undank, deſſen ſich auch ihre
Schweſter ſchuldig machte, weil ſie’s ſelten bemerkte,
wenn Salome mit einer neuen Erfindung, die oft
in Veraͤnderung einer Schleife beſtand, auftrat,
raͤchte ſie ſich aber, und brachte den groͤſten Theil
des Jahrs bey einer alten Baaſe in Muͤnchen zu,
wo ſie ſich von Hofkammerdienern, Laͤufern, und
dergleichen Leuten bewundern, und von Damen, Kam-
merjungfern und Putzmacherinnen betadeln ließ.
Die ganze Familie des Amtmanns, und Thereſe
am meiſten waren mit dieſer Rache ſehr zufrieden;
denn Salome konnte nichts, als ſich, und ihre
Kleider im Spiegel begaffen; ſich friſieren; zwo fran-
zoͤſiſche Arien ſingen, die ſie nicht verſtand; aufs Land
und das Landleben ſchimpfen; ſpoͤtteln, wenn man von
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