Miller, Johann Martin: Siegwart. Bd. 1. Leipzig, 1776.gemacht angenommen, daß Xaver nichts anders werden sollte, als ein Mönch. Der Guardian versprach, gleich Morgen an die Piaristen im näch- sten Landstädtchen einen Brief zu schreiben, und dem jungen Menschen eine Stelle auszumachen. Ein andrer Pater sagte, daß er seinem Bruder, Pater Philipp, der ein Lehrer an der Piaristen- schule sey, schreiben, und den jungen Siegwart sei- ner besondern Aufsicht empfehlen wolle. Die ganze Gesellschaftwar nun sehr vergnügt; der Guardian ließ guten alten Nekkarwein auftragen, den das Klo- ster erst von einer Wittwe geschenkt bekommen hat- te, und man trank fleißig herum. Unserm Sieg- wart wurde eine Gesundheit nach der andern aufs künftige Klosterleben zugetrunken; sie nannten ihn im Scherz Bruder Augustin, weil man im Kloster den Namen ablegt, den man in der Welt gehabt hat. Diese Vertraulichkeit und der Wein, den er nicht gewohnt war, so gut, und so viel zu trinken, machten ihn ganz munter und beredt. Der Vater, der oben bey dem Guardian saß, gemacht angenommen, daß Xaver nichts anders werden ſollte, als ein Moͤnch. Der Guardian verſprach, gleich Morgen an die Piariſten im naͤch- ſten Landſtaͤdtchen einen Brief zu ſchreiben, und dem jungen Menſchen eine Stelle auszumachen. Ein andrer Pater ſagte, daß er ſeinem Bruder, Pater Philipp, der ein Lehrer an der Piariſten- ſchule ſey, ſchreiben, und den jungen Siegwart ſei- ner beſondern Aufſicht empfehlen wolle. Die ganze Geſellſchaftwar nun ſehr vergnuͤgt; der Guardian ließ guten alten Nekkarwein auftragen, den das Klo- ſter erſt von einer Wittwe geſchenkt bekommen hat- te, und man trank fleißig herum. Unſerm Sieg- wart wurde eine Geſundheit nach der andern aufs kuͤnftige Kloſterleben zugetrunken; ſie nannten ihn im Scherz Bruder Auguſtin, weil man im Kloſter den Namen ablegt, den man in der Welt gehabt hat. Dieſe Vertraulichkeit und der Wein, den er nicht gewohnt war, ſo gut, und ſo viel zu trinken, machten ihn ganz munter und beredt. Der Vater, der oben bey dem Guardian ſaß, <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0112" n="108"/><milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> gemacht angenommen, daß <hi rendition="#fr">Xaver</hi> nichts anders<lb/> werden ſollte, als ein Moͤnch. Der Guardian<lb/> verſprach, gleich Morgen an die Piariſten im naͤch-<lb/> ſten Landſtaͤdtchen einen Brief zu ſchreiben, und<lb/> dem jungen Menſchen eine Stelle auszumachen.<lb/> Ein andrer Pater ſagte, daß er ſeinem Bruder,<lb/> Pater <hi rendition="#fr">Philipp,</hi> der ein Lehrer an der Piariſten-<lb/> ſchule ſey, ſchreiben, und den jungen <hi rendition="#fr">Siegwart</hi> ſei-<lb/> ner beſondern Aufſicht empfehlen wolle. Die ganze<lb/> Geſellſchaftwar nun ſehr vergnuͤgt; der Guardian ließ<lb/> guten alten Nekkarwein auftragen, den das Klo-<lb/> ſter erſt von einer Wittwe geſchenkt bekommen hat-<lb/> te, und man trank fleißig herum. Unſerm <hi rendition="#fr">Sieg-<lb/> wart</hi> wurde eine Geſundheit nach der andern<lb/> aufs kuͤnftige Kloſterleben zugetrunken; ſie nannten<lb/> ihn im Scherz Bruder <hi rendition="#fr">Auguſtin,</hi> weil man im<lb/> Kloſter den Namen ablegt, den man in der Welt<lb/> gehabt hat. Dieſe Vertraulichkeit und der Wein,<lb/> den er nicht gewohnt war, ſo gut, und ſo viel zu<lb/> trinken, machten ihn ganz munter und beredt.</p><lb/> <p>Der Vater, der oben bey dem Guardian ſaß,<lb/> und nun, wegen ſeines Sohnes, alles mit ihm<lb/> ausgemacht hatte, daß dieſer nemlich in ſechs oder<lb/> ſieben Jahren ganz gewiß ins Kloſter ſollte aufge-<lb/> nommen werden, ſtand endlich um ſechs Uhr auf,<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [108/0112]
gemacht angenommen, daß Xaver nichts anders
werden ſollte, als ein Moͤnch. Der Guardian
verſprach, gleich Morgen an die Piariſten im naͤch-
ſten Landſtaͤdtchen einen Brief zu ſchreiben, und
dem jungen Menſchen eine Stelle auszumachen.
Ein andrer Pater ſagte, daß er ſeinem Bruder,
Pater Philipp, der ein Lehrer an der Piariſten-
ſchule ſey, ſchreiben, und den jungen Siegwart ſei-
ner beſondern Aufſicht empfehlen wolle. Die ganze
Geſellſchaftwar nun ſehr vergnuͤgt; der Guardian ließ
guten alten Nekkarwein auftragen, den das Klo-
ſter erſt von einer Wittwe geſchenkt bekommen hat-
te, und man trank fleißig herum. Unſerm Sieg-
wart wurde eine Geſundheit nach der andern
aufs kuͤnftige Kloſterleben zugetrunken; ſie nannten
ihn im Scherz Bruder Auguſtin, weil man im
Kloſter den Namen ablegt, den man in der Welt
gehabt hat. Dieſe Vertraulichkeit und der Wein,
den er nicht gewohnt war, ſo gut, und ſo viel zu
trinken, machten ihn ganz munter und beredt.
Der Vater, der oben bey dem Guardian ſaß,
und nun, wegen ſeines Sohnes, alles mit ihm
ausgemacht hatte, daß dieſer nemlich in ſechs oder
ſieben Jahren ganz gewiß ins Kloſter ſollte aufge-
nommen werden, ſtand endlich um ſechs Uhr auf,
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