Miller, Johann Martin: Siegwart. Bd. 1. Leipzig, 1776.mit den Dingen ausser sich, und mit andern Men- schen steht, bestimmen das Moralische, oder Gute und Böse an einer Handlung mehr, als der äus- serliche Schein. Manche Handlung ist so schlimm nicht, als sie scheint, wenn man alle die Umstände wüste, unter denen sie vollzogen wurde. Geh in die Geschichte deines Herzens zurück! Frag dich un- partheyisch, ob du, unter ähnlichen Umständen, nicht auch zu einem Fehltritt geneigter warest? Ob es dir nicht oft einen langen, und schweren inner- lichen Kampf kostete, eine Neigung zu überwinden? und ob du ihr nicht oft unterlagest, ohne im Grun- de bös zu seyn, oder deinen Grundsätzen unge- treu zu werden? Wenn du so dein Herz studierst, dann wirst du weniger hart und unbillig in Beurthei- lung andrer seyn. III. Willst du den Menschen recht viel Gutes thun, so gewöhne dich frühzeitig an eine strenge Ordnung, und eine weise Einrichtung deiner Ge- schäste! Sie lehrt den gewissenhastesten Gebrauch der Zeit. So kannst du jeden Morgen dein Tag- werk übersehen, und Abends strenge Rechnung hal- ten, über das, was du gethan hast. (Unserm Sieg- wart fiel hier P. Anton, und der gestrige Tag ein; er sah ihm mit freudigerer Bewunderung ins mit den Dingen auſſer ſich, und mit andern Men- ſchen ſteht, beſtimmen das Moraliſche, oder Gute und Boͤſe an einer Handlung mehr, als der aͤuſ- ſerliche Schein. Manche Handlung iſt ſo ſchlimm nicht, als ſie ſcheint, wenn man alle die Umſtaͤnde wuͤſte, unter denen ſie vollzogen wurde. Geh in die Geſchichte deines Herzens zuruͤck! Frag dich un- partheyiſch, ob du, unter aͤhnlichen Umſtaͤnden, nicht auch zu einem Fehltritt geneigter wareſt? Ob es dir nicht oft einen langen, und ſchweren inner- lichen Kampf koſtete, eine Neigung zu uͤberwinden? und ob du ihr nicht oft unterlageſt, ohne im Grun- de boͤs zu ſeyn, oder deinen Grundſaͤtzen unge- treu zu werden? Wenn du ſo dein Herz ſtudierſt, dann wirſt du weniger hart und unbillig in Beurthei- lung andrer ſeyn. III. Willſt du den Menſchen recht viel Gutes thun, ſo gewoͤhne dich fruͤhzeitig an eine ſtrenge Ordnung, und eine weiſe Einrichtung deiner Ge- ſchaͤſte! Sie lehrt den gewiſſenhaſteſten Gebrauch der Zeit. So kannſt du jeden Morgen dein Tag- werk uͤberſehen, und Abends ſtrenge Rechnung hal- ten, uͤber das, was du gethan haſt. (Unſerm Sieg- wart fiel hier P. Anton, und der geſtrige Tag ein; er ſah ihm mit freudigerer Bewunderung ins <TEI> <text> <body> <div n="1"> <list> <item><pb facs="#f0107" n="103"/><milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> mit den Dingen auſſer ſich, und mit andern Men-<lb/> ſchen ſteht, beſtimmen das Moraliſche, oder Gute<lb/> und Boͤſe an einer Handlung mehr, als der aͤuſ-<lb/> ſerliche Schein. Manche Handlung iſt ſo ſchlimm<lb/> nicht, als ſie ſcheint, wenn man alle die Umſtaͤnde<lb/> wuͤſte, unter denen ſie vollzogen wurde. Geh in<lb/> die Geſchichte deines Herzens zuruͤck! Frag dich un-<lb/> partheyiſch, ob du, unter aͤhnlichen Umſtaͤnden,<lb/> nicht auch zu einem Fehltritt geneigter wareſt? Ob<lb/> es dir nicht oft einen langen, und ſchweren inner-<lb/> lichen Kampf koſtete, eine Neigung zu uͤberwinden?<lb/> und ob du ihr nicht oft unterlageſt, ohne im Grun-<lb/> de boͤs zu ſeyn, oder deinen <hi rendition="#fr">Grundſaͤtzen</hi> unge-<lb/> treu zu werden? Wenn du ſo dein Herz ſtudierſt,<lb/> dann wirſt du weniger hart und unbillig in Beurthei-<lb/> lung andrer ſeyn.</item><lb/> <item><hi rendition="#aq">III.</hi> Willſt du den Menſchen recht viel Gutes<lb/> thun, ſo gewoͤhne dich fruͤhzeitig an eine ſtrenge<lb/><hi rendition="#fr">Ordnung,</hi> und eine weiſe Einrichtung deiner Ge-<lb/> ſchaͤſte! Sie lehrt den gewiſſenhaſteſten Gebrauch<lb/> der Zeit. So kannſt du jeden Morgen dein Tag-<lb/> werk uͤberſehen, und Abends ſtrenge Rechnung hal-<lb/> ten, uͤber das, was du gethan haſt. (Unſerm <hi rendition="#fr">Sieg-<lb/> wart</hi> fiel hier P. <hi rendition="#fr">Anton,</hi> und der geſtrige Tag ein;<lb/> er ſah ihm mit freudigerer Bewunderung ins<lb/></item> </list> </div> </body> </text> </TEI> [103/0107]
mit den Dingen auſſer ſich, und mit andern Men-
ſchen ſteht, beſtimmen das Moraliſche, oder Gute
und Boͤſe an einer Handlung mehr, als der aͤuſ-
ſerliche Schein. Manche Handlung iſt ſo ſchlimm
nicht, als ſie ſcheint, wenn man alle die Umſtaͤnde
wuͤſte, unter denen ſie vollzogen wurde. Geh in
die Geſchichte deines Herzens zuruͤck! Frag dich un-
partheyiſch, ob du, unter aͤhnlichen Umſtaͤnden,
nicht auch zu einem Fehltritt geneigter wareſt? Ob
es dir nicht oft einen langen, und ſchweren inner-
lichen Kampf koſtete, eine Neigung zu uͤberwinden?
und ob du ihr nicht oft unterlageſt, ohne im Grun-
de boͤs zu ſeyn, oder deinen Grundſaͤtzen unge-
treu zu werden? Wenn du ſo dein Herz ſtudierſt,
dann wirſt du weniger hart und unbillig in Beurthei-
lung andrer ſeyn.
III. Willſt du den Menſchen recht viel Gutes
thun, ſo gewoͤhne dich fruͤhzeitig an eine ſtrenge
Ordnung, und eine weiſe Einrichtung deiner Ge-
ſchaͤſte! Sie lehrt den gewiſſenhaſteſten Gebrauch
der Zeit. So kannſt du jeden Morgen dein Tag-
werk uͤberſehen, und Abends ſtrenge Rechnung hal-
ten, uͤber das, was du gethan haſt. (Unſerm Sieg-
wart fiel hier P. Anton, und der geſtrige Tag ein;
er ſah ihm mit freudigerer Bewunderung ins
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