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Michelis, Arthur: Reiseschule für Touristen und Curgäste. Leipzig, 1869.

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III. Gedächtnißkrücken -- Tailleur Krause.
für's ganze Leben gestärkt werden, ich habe das jedoch leider
in der Jugend versäumt, muß mir deshalb im Alter durch
Krücken zu helfen suchen. Solcher Gedächtnißkrücken
werde ich nachher noch einige mittheilen, eine Lection, von
der die strebsame Jugend ausgeschlossen bleibt, zuvor muß
ich noch ein Wort der Warnung anknüpfen. Ich muthmaße
nämlich auch in dem sonst so ehrsamen Schneidergewerk Mit-
glieder, die mit den unehrlichen Findern unter einer Decke
spielen. Hören Sie, wie es mir mit dem meinigen erging.
Es war ein Deutscher, obwohl er sich Tailleur nannte und
seinen Namen Krause mit e schrieb. Bei ihm hatte ich einen
Reiseanzug nach obigen Grundsätzen bestellt, mündlich das
Nöthige auseinandergesetzt und zum Ueberfluß noch schrift-
lich mitgegeben, in acht Tagen sollte Alles fertig sein, war
es auch nach drei Wochen, aber -- sämmtliche neue Einrich-
tungen fand ich nicht vollzogen. Auf meine Beschwerde dar-
über eröffnete er mir, er habe "es gut gemeint", innere
Taschen im Schoos brächten das Ganze aus der "Fassong",
dafür habe er indeß die oberen sehr groß gemacht; wenn ich
übrigens, setzte er begütigend hinzu, diese "bardu" nicht be-
nutzen wollte, dann brauchte ich es ja nicht, das hinge ganz
von meinem "Bangschang" ab, Extrakosten wären dadurch
nicht verursacht worden. -- Da verfiel ich auf ein Mittel,
das auch rasch anschlug. Ich bedeutete ihn, es sei die neueste
Mode in Paris, bis jetzt nur in den Hofkreisen bekannt, das
"Schornal" werde es wohl nächste Woche bringen, und
noch denselben Tag war Alles nach meinen Wünschen um-
geändert. --

Um nicht von unserer Touristenstraße weit abseits zu
kommen, will ich von den Bemerkungen, die mein kritischer
britischer Freund bei dieser Gelegenheit über deutsche, eng-
lische und französische Handwerker machte, nur noch mit-
theilen, daß auch er die Wurzel des Uebels in den Nach-
wehen unsres zu lange künstlich aufrecht erhaltenen Zunftwesens
sah und überzeugt war, die tüchtigen und vorzüglichen Eigen-

III. Gedächtnißkrücken — Tailleur Krausé.
für’s ganze Leben geſtärkt werden, ich habe das jedoch leider
in der Jugend verſäumt, muß mir deshalb im Alter durch
Krücken zu helfen ſuchen. Solcher Gedächtnißkrücken
werde ich nachher noch einige mittheilen, eine Lection, von
der die ſtrebſame Jugend ausgeſchloſſen bleibt, zuvor muß
ich noch ein Wort der Warnung anknüpfen. Ich muthmaße
nämlich auch in dem ſonſt ſo ehrſamen Schneidergewerk Mit-
glieder, die mit den unehrlichen Findern unter einer Decke
ſpielen. Hören Sie, wie es mir mit dem meinigen erging.
Es war ein Deutſcher, obwohl er ſich Tailleur nannte und
ſeinen Namen Krauſe mit é ſchrieb. Bei ihm hatte ich einen
Reiſeanzug nach obigen Grundſätzen beſtellt, mündlich das
Nöthige auseinandergeſetzt und zum Ueberfluß noch ſchrift-
lich mitgegeben, in acht Tagen ſollte Alles fertig ſein, war
es auch nach drei Wochen, aber — ſämmtliche neue Einrich-
tungen fand ich nicht vollzogen. Auf meine Beſchwerde dar-
über eröffnete er mir, er habe „es gut gemeint“, innere
Taſchen im Schoos brächten das Ganze aus der „Faſſong“,
dafür habe er indeß die oberen ſehr groß gemacht; wenn ich
übrigens, ſetzte er begütigend hinzu, dieſe „bardu“ nicht be-
nutzen wollte, dann brauchte ich es ja nicht, das hinge ganz
von meinem „Bangſchang“ ab, Extrakoſten wären dadurch
nicht verurſacht worden. — Da verfiel ich auf ein Mittel,
das auch raſch anſchlug. Ich bedeutete ihn, es ſei die neueſte
Mode in Paris, bis jetzt nur in den Hofkreiſen bekannt, das
„Schornal“ werde es wohl nächſte Woche bringen, und
noch denſelben Tag war Alles nach meinen Wünſchen um-
geändert. —

Um nicht von unſerer Touriſtenſtraße weit abſeits zu
kommen, will ich von den Bemerkungen, die mein kritiſcher
britiſcher Freund bei dieſer Gelegenheit über deutſche, eng-
liſche und franzöſiſche Handwerker machte, nur noch mit-
theilen, daß auch er die Wurzel des Uebels in den Nach-
wehen unſres zu lange künſtlich aufrecht erhaltenen Zunftweſens
ſah und überzeugt war, die tüchtigen und vorzüglichen Eigen-

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[54/0068] III. Gedächtnißkrücken — Tailleur Krausé. für’s ganze Leben geſtärkt werden, ich habe das jedoch leider in der Jugend verſäumt, muß mir deshalb im Alter durch Krücken zu helfen ſuchen. Solcher Gedächtnißkrücken werde ich nachher noch einige mittheilen, eine Lection, von der die ſtrebſame Jugend ausgeſchloſſen bleibt, zuvor muß ich noch ein Wort der Warnung anknüpfen. Ich muthmaße nämlich auch in dem ſonſt ſo ehrſamen Schneidergewerk Mit- glieder, die mit den unehrlichen Findern unter einer Decke ſpielen. Hören Sie, wie es mir mit dem meinigen erging. Es war ein Deutſcher, obwohl er ſich Tailleur nannte und ſeinen Namen Krauſe mit é ſchrieb. Bei ihm hatte ich einen Reiſeanzug nach obigen Grundſätzen beſtellt, mündlich das Nöthige auseinandergeſetzt und zum Ueberfluß noch ſchrift- lich mitgegeben, in acht Tagen ſollte Alles fertig ſein, war es auch nach drei Wochen, aber — ſämmtliche neue Einrich- tungen fand ich nicht vollzogen. Auf meine Beſchwerde dar- über eröffnete er mir, er habe „es gut gemeint“, innere Taſchen im Schoos brächten das Ganze aus der „Faſſong“, dafür habe er indeß die oberen ſehr groß gemacht; wenn ich übrigens, ſetzte er begütigend hinzu, dieſe „bardu“ nicht be- nutzen wollte, dann brauchte ich es ja nicht, das hinge ganz von meinem „Bangſchang“ ab, Extrakoſten wären dadurch nicht verurſacht worden. — Da verfiel ich auf ein Mittel, das auch raſch anſchlug. Ich bedeutete ihn, es ſei die neueſte Mode in Paris, bis jetzt nur in den Hofkreiſen bekannt, das „Schornal“ werde es wohl nächſte Woche bringen, und noch denſelben Tag war Alles nach meinen Wünſchen um- geändert. — Um nicht von unſerer Touriſtenſtraße weit abſeits zu kommen, will ich von den Bemerkungen, die mein kritiſcher britiſcher Freund bei dieſer Gelegenheit über deutſche, eng- liſche und franzöſiſche Handwerker machte, nur noch mit- theilen, daß auch er die Wurzel des Uebels in den Nach- wehen unſres zu lange künſtlich aufrecht erhaltenen Zunftweſens ſah und überzeugt war, die tüchtigen und vorzüglichen Eigen-

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Zitationshilfe: Michelis, Arthur: Reiseschule für Touristen und Curgäste. Leipzig, 1869, S. 54. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/michelis_reiseschule_1869/68>, abgerufen am 23.11.2024.