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Michelis, Arthur: Reiseschule für Touristen und Curgäste. Leipzig, 1869.

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III. Aus dem Wagen springen -- todte Briefe -- Zerstreutheit.
sich Gelegenheit bietet, auf die Umladung seines Passagier-
gepäcks ein Auge zu haben.

Ehe wir die Rubrik "Vorsichtsmaßregeln" verlassen,
muß noch eine erwähnt werden, die sich auf die Sicherung
von Leben und Gesundheit bezieht. Viele Hälse und Beine
sind schon dadurch gebrochen worden, daß während rascher
Fahrt aus dem Wagen gesprungen wurde, sei es, weil die
Pferde durchgingen oder aus anderen Gründen. Die Regel
ist, in zweifelhaften Fällen lieber sitzen zu bleiben, muß aber
durchaus gesprungen sein, so werde beachtet, daß vom Ent-
schluß bis zur Ausführung mindestens einige Secunden ver-
fließen, die muthmaßliche Ankunftsstelle mithin nicht dieselbe
ist, die wir im Augenblick des Entschlusses seitwärts gerade
vor uns sehen. Zweitens lehrt die Erfahrung und die Physik
erklärt es, daß der Körper, der einen fahrenden Wagen plötz-
lich verläßt, dessen Zug nach vorn theilt, also, wer einen har-
ten Fall vermeiden will, nicht rück- oder seitwärts, sondern
der Richtung der Fahrt möglichst parallel nach vorn zu
springen hat.

Vor der Abreise aus einem Orte, an dem ich längere
Zeit verweile, hinterlege ich im Gasthof sowohl als beim
Postamt schriftliche Angabe meines nächsten Stationsplatzes.
Die Nützlichkeit dieser Maßregel in's Licht zu stellen, genügt
ein Blick auf die in Wirthshäusern und Postexpeditionen
ausgehängten Kästen mit "todten" Briefen.

Gedenken wir noch der Verluste, die wir uns durch eigene
Zerstreutheit bereiten, so findet sich dieselbe Brusttasche, die
wir schon als Helfershelferin der Taschendiebe ertappten, in
ähnlicher Eigenschaft zu Gunsten unehrlicher Finder thätig.
Sie ist es, die, wenn wir in der Hitze eines Marsches den
Rock über die Achsel werfen, nichts Eiligeres zu thun hat,
als das ihr anvertraute Gut hinter unsrem Rücken auf den
Weg zu streuen. Ihr Vertheidiger könnte nun zwar geltend
machen, daß sie in allen diesen Fällen unschuldig sei, sogar
streng gesetzmäßig gehandelt habe, nämlich nach dem Gesetz

III. Aus dem Wagen ſpringen — todte Briefe — Zerſtreutheit.
ſich Gelegenheit bietet, auf die Umladung ſeines Paſſagier-
gepäcks ein Auge zu haben.

Ehe wir die Rubrik „Vorſichtsmaßregeln“ verlaſſen,
muß noch eine erwähnt werden, die ſich auf die Sicherung
von Leben und Geſundheit bezieht. Viele Hälſe und Beine
ſind ſchon dadurch gebrochen worden, daß während raſcher
Fahrt aus dem Wagen geſprungen wurde, ſei es, weil die
Pferde durchgingen oder aus anderen Gründen. Die Regel
iſt, in zweifelhaften Fällen lieber ſitzen zu bleiben, muß aber
durchaus geſprungen ſein, ſo werde beachtet, daß vom Ent-
ſchluß bis zur Ausführung mindeſtens einige Secunden ver-
fließen, die muthmaßliche Ankunftsſtelle mithin nicht dieſelbe
iſt, die wir im Augenblick des Entſchluſſes ſeitwärts gerade
vor uns ſehen. Zweitens lehrt die Erfahrung und die Phyſik
erklärt es, daß der Körper, der einen fahrenden Wagen plötz-
lich verläßt, deſſen Zug nach vorn theilt, alſo, wer einen har-
ten Fall vermeiden will, nicht rück- oder ſeitwärts, ſondern
der Richtung der Fahrt möglichſt parallel nach vorn zu
ſpringen hat.

Vor der Abreiſe aus einem Orte, an dem ich längere
Zeit verweile, hinterlege ich im Gaſthof ſowohl als beim
Poſtamt ſchriftliche Angabe meines nächſten Stationsplatzes.
Die Nützlichkeit dieſer Maßregel in’s Licht zu ſtellen, genügt
ein Blick auf die in Wirthshäuſern und Poſtexpeditionen
ausgehängten Käſten mit „todten“ Briefen.

Gedenken wir noch der Verluſte, die wir uns durch eigene
Zerſtreutheit bereiten, ſo findet ſich dieſelbe Bruſttaſche, die
wir ſchon als Helfershelferin der Taſchendiebe ertappten, in
ähnlicher Eigenſchaft zu Gunſten unehrlicher Finder thätig.
Sie iſt es, die, wenn wir in der Hitze eines Marſches den
Rock über die Achſel werfen, nichts Eiligeres zu thun hat,
als das ihr anvertraute Gut hinter unſrem Rücken auf den
Weg zu ſtreuen. Ihr Vertheidiger könnte nun zwar geltend
machen, daß ſie in allen dieſen Fällen unſchuldig ſei, ſogar
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[52/0066] III. Aus dem Wagen ſpringen — todte Briefe — Zerſtreutheit. ſich Gelegenheit bietet, auf die Umladung ſeines Paſſagier- gepäcks ein Auge zu haben. Ehe wir die Rubrik „Vorſichtsmaßregeln“ verlaſſen, muß noch eine erwähnt werden, die ſich auf die Sicherung von Leben und Geſundheit bezieht. Viele Hälſe und Beine ſind ſchon dadurch gebrochen worden, daß während raſcher Fahrt aus dem Wagen geſprungen wurde, ſei es, weil die Pferde durchgingen oder aus anderen Gründen. Die Regel iſt, in zweifelhaften Fällen lieber ſitzen zu bleiben, muß aber durchaus geſprungen ſein, ſo werde beachtet, daß vom Ent- ſchluß bis zur Ausführung mindeſtens einige Secunden ver- fließen, die muthmaßliche Ankunftsſtelle mithin nicht dieſelbe iſt, die wir im Augenblick des Entſchluſſes ſeitwärts gerade vor uns ſehen. Zweitens lehrt die Erfahrung und die Phyſik erklärt es, daß der Körper, der einen fahrenden Wagen plötz- lich verläßt, deſſen Zug nach vorn theilt, alſo, wer einen har- ten Fall vermeiden will, nicht rück- oder ſeitwärts, ſondern der Richtung der Fahrt möglichſt parallel nach vorn zu ſpringen hat. Vor der Abreiſe aus einem Orte, an dem ich längere Zeit verweile, hinterlege ich im Gaſthof ſowohl als beim Poſtamt ſchriftliche Angabe meines nächſten Stationsplatzes. Die Nützlichkeit dieſer Maßregel in’s Licht zu ſtellen, genügt ein Blick auf die in Wirthshäuſern und Poſtexpeditionen ausgehängten Käſten mit „todten“ Briefen. Gedenken wir noch der Verluſte, die wir uns durch eigene Zerſtreutheit bereiten, ſo findet ſich dieſelbe Bruſttaſche, die wir ſchon als Helfershelferin der Taſchendiebe ertappten, in ähnlicher Eigenſchaft zu Gunſten unehrlicher Finder thätig. Sie iſt es, die, wenn wir in der Hitze eines Marſches den Rock über die Achſel werfen, nichts Eiligeres zu thun hat, als das ihr anvertraute Gut hinter unſrem Rücken auf den Weg zu ſtreuen. Ihr Vertheidiger könnte nun zwar geltend machen, daß ſie in allen dieſen Fällen unſchuldig ſei, ſogar ſtreng geſetzmäßig gehandelt habe, nämlich nach dem Geſetz

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Zitationshilfe: Michelis, Arthur: Reiseschule für Touristen und Curgäste. Leipzig, 1869, S. 52. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/michelis_reiseschule_1869/66>, abgerufen am 23.11.2024.