Michelis, Arthur: Reiseschule für Touristen und Curgäste. Leipzig, 1869.VIII. Luxusgäste -- Trinkgelder, Geschenke, Almosen. gebaut und mit Gittern umgeben), nur ein "schlechtes Jahr"braucht aber zu kommen, so stürzen die Schwindelbauten zu- sammen, die Besitzer sind ausgewandert und die Gläubiger liegen unter den Trümmern. Durch die verschwenderischen Luxusgäste wird natürlich der Landaufenthalt Mäßigbemittel- ten, so dringend sie seiner auch bedürften, dermaßen ver- theuert, daß sie darauf verzichten müssen. Hinzu kommt die verkehrte Art, Geschenke, Trinkgelder und Almosen auszutheilen. Unter den mündlichen und schriftlichen Bitt- stellern wie unter der Armuth, die an den Wegen steht und die Hand aufhält oder mit Blicken bettelt, sind nur die Aus- nahmen der Unterstützung werth und benöthigt. Wer sich selbst die Mittel, wahrhaft Hilfsbedürftigen wirksam beizu- stehen, nicht schmälern will, sollte diese unter dem Beirath kundiger und gewissenhafter Ortsangehöriger aufsuchen und das Ausstreuen von kleiner Münze in's Blaue hinein denen überlassen, die es zu eigener flüchtiger Unterhaltung thun. In meinem Dorfe ist's, Gott sei Dank, heute noch nicht so weit, allein ich fürchte, es werden keine zehn Jahre vergehen und wir haben auch hier französische und englische Schilder, russische Preise und asiatischen Luxus, d. h. die Art von "Prosperität", die ich für einen Fluch halte. Dabei mithelfen will ich nicht, deshalb vermiethe ich nicht an Stadtgäste. -- Daß viel Wahres in diesen Herzensergießungen meines 18
VIII. Luxusgäſte — Trinkgelder, Geſchenke, Almoſen. gebaut und mit Gittern umgeben), nur ein „ſchlechtes Jahr“braucht aber zu kommen, ſo ſtürzen die Schwindelbauten zu- ſammen, die Beſitzer ſind ausgewandert und die Gläubiger liegen unter den Trümmern. Durch die verſchwenderiſchen Luxusgäſte wird natürlich der Landaufenthalt Mäßigbemittel- ten, ſo dringend ſie ſeiner auch bedürften, dermaßen ver- theuert, daß ſie darauf verzichten müſſen. Hinzu kommt die verkehrte Art, Geſchenke, Trinkgelder und Almoſen auszutheilen. Unter den mündlichen und ſchriftlichen Bitt- ſtellern wie unter der Armuth, die an den Wegen ſteht und die Hand aufhält oder mit Blicken bettelt, ſind nur die Aus- nahmen der Unterſtützung werth und benöthigt. Wer ſich ſelbſt die Mittel, wahrhaft Hilfsbedürftigen wirkſam beizu- ſtehen, nicht ſchmälern will, ſollte dieſe unter dem Beirath kundiger und gewiſſenhafter Ortsangehöriger aufſuchen und das Ausſtreuen von kleiner Münze in’s Blaue hinein denen überlaſſen, die es zu eigener flüchtiger Unterhaltung thun. In meinem Dorfe iſt’s, Gott ſei Dank, heute noch nicht ſo weit, allein ich fürchte, es werden keine zehn Jahre vergehen und wir haben auch hier franzöſiſche und engliſche Schilder, ruſſiſche Preiſe und aſiatiſchen Luxus, d. h. die Art von „Proſperität“, die ich für einen Fluch halte. Dabei mithelfen will ich nicht, deshalb vermiethe ich nicht an Stadtgäſte. — Daß viel Wahres in dieſen Herzensergießungen meines 18
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VIII. Luxusgäſte — Trinkgelder, Geſchenke, Almoſen.
gebaut und mit Gittern umgeben), nur ein „ſchlechtes Jahr“
braucht aber zu kommen, ſo ſtürzen die Schwindelbauten zu-
ſammen, die Beſitzer ſind ausgewandert und die Gläubiger
liegen unter den Trümmern. Durch die verſchwenderiſchen
Luxusgäſte wird natürlich der Landaufenthalt Mäßigbemittel-
ten, ſo dringend ſie ſeiner auch bedürften, dermaßen ver-
theuert, daß ſie darauf verzichten müſſen. Hinzu kommt die
verkehrte Art, Geſchenke, Trinkgelder und Almoſen
auszutheilen. Unter den mündlichen und ſchriftlichen Bitt-
ſtellern wie unter der Armuth, die an den Wegen ſteht und
die Hand aufhält oder mit Blicken bettelt, ſind nur die Aus-
nahmen der Unterſtützung werth und benöthigt. Wer ſich
ſelbſt die Mittel, wahrhaft Hilfsbedürftigen wirkſam beizu-
ſtehen, nicht ſchmälern will, ſollte dieſe unter dem Beirath
kundiger und gewiſſenhafter Ortsangehöriger aufſuchen
und das Ausſtreuen von kleiner Münze in’s Blaue hinein
denen überlaſſen, die es zu eigener flüchtiger Unterhaltung
thun. In meinem Dorfe iſt’s, Gott ſei Dank, heute noch
nicht ſo weit, allein ich fürchte, es werden keine zehn Jahre
vergehen und wir haben auch hier franzöſiſche und engliſche
Schilder, ruſſiſche Preiſe und aſiatiſchen Luxus, d. h. die Art
von „Proſperität“, die ich für einen Fluch halte. Dabei
mithelfen will ich nicht, deshalb vermiethe ich nicht an
Stadtgäſte. —
Daß viel Wahres in dieſen Herzensergießungen meines
geiſtlichen Freundes liegt, wird Niemand in Abrede ſtellen
wollen, ich geſtehe ſogar, daß ich damals verblüfft und traurig
darüber war und nichts zu erwiedern wußte. Seitdem habe
ich über die ernſte Sache — die Frage nämlich, ob die nähere
Berührung der Gebildeten und Ungebildeten, der Reichen
und Armen die letzteren nothwendig verderben müſſe —
weiter nachgedacht, und da ſcheint mir denn doch, daß, von
jenem Standpunkt ausgehend, wir in grader Linie bei der
Lebensanſchauung ankommen, die im ganzen neuen Verkehrs-
leben ein verkehrtes Leben und das alleinige Heil in klöſter-
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