VIII. Betrübende Wahrnehmung -- unsre Geschäftsfreunde.
Um mein Herz ganz zu erleichtern, hob er nach einer Pause wieder an, muß ich einen Gegenstand, der schon flüchtig berührt ward, hier noch einmal abhandeln. Eine betrübende Wahrnehmung für jedes rechtschaffene Touristen- gemüth, leider aber unverkennbare Thatsache ist es, daß in den Classen, die viel mit ungeschäftlichem Reisepublikum ver- kehren, gewisse Eigenschaften sich entwickeln, die ihnen nicht zur Zierde gereichen. In diese Classen gehören, von zahl- reichen ehrenwerthen Ausnahmen abgesehen, nächst den Wirthen der Touristendistricte nebst Personale, die Lohndiener, Träger, Führer niederer Gattung, ferner Kutscher, Vermiether von Reit- und Zugthieren *), Sänften und Kähnen, Kunst- und Kunststückspeculanten, Industrie- ritter und Knappen bis hinab zu den Echoweckern, Murmel- thierjungen, Harmonicastrolchen und anderen verhohlenen und unverhohlenen Bettlern und Wegelagerern, selbst viele Handwerker, Händler und ihr Anhang in den fashionabeln Fremdenquartieren. Sie betrachten den Fremden als ihr zuständiges Jagdwild, behandeln dieses Wild aber nicht nach verständigem Weidmannsbrauch, sondern pürschen drauf los wie Wilderer, nur auf die Beute des Augenblicks bedacht. Neben all dem Schlimmen kommt freilich auch einiges Gute heraus, jedes Stück bringt aber sein zehnfaches Gegengewicht mit. So wird z. B. die Genugthuung über die Gewandt- heit, Flinkheit, beflissene Dienstfertigkeit und Höflichkeit der Leute wesentlich getrübt durch die Wahrnehmung, daß sie diese Tugenden zum Handelsartikel machen und übermäßig beziffern, auch würde man gern darauf verzichten, daß sie mehre Sprachen verstehen, wenn statt deren eine Sprache, die der Bescheidenheit und Biederkeit, ihnen nicht ganz fremd geworden wäre. Viele Uebelstände der Art, die sich natürlich
*) Bei Leuten, die berufsmäßig mit Pferden, Maulthieren, Eseln umgehen, scheinen den sonstigen üblen Eigenschaften und Instincten oft noch gewisse thierische sich beizugesellen, wie Rohheit, Jähzorn und Rachsucht.
VIII. Betrübende Wahrnehmung — unſre Geſchäftsfreunde.
Um mein Herz ganz zu erleichtern, hob er nach einer Pauſe wieder an, muß ich einen Gegenſtand, der ſchon flüchtig berührt ward, hier noch einmal abhandeln. Eine betrübende Wahrnehmung für jedes rechtſchaffene Touriſten- gemüth, leider aber unverkennbare Thatſache iſt es, daß in den Claſſen, die viel mit ungeſchäftlichem Reiſepublikum ver- kehren, gewiſſe Eigenſchaften ſich entwickeln, die ihnen nicht zur Zierde gereichen. In dieſe Claſſen gehören, von zahl- reichen ehrenwerthen Ausnahmen abgeſehen, nächſt den Wirthen der Touriſtendiſtricte nebſt Perſonale, die Lohndiener, Träger, Führer niederer Gattung, ferner Kutſcher, Vermiether von Reit- und Zugthieren *), Sänften und Kähnen, Kunſt- und Kunſtſtückſpeculanten, Induſtrie- ritter und Knappen bis hinab zu den Echoweckern, Murmel- thierjungen, Harmonicaſtrolchen und anderen verhohlenen und unverhohlenen Bettlern und Wegelagerern, ſelbſt viele Handwerker, Händler und ihr Anhang in den faſhionabeln Fremdenquartieren. Sie betrachten den Fremden als ihr zuſtändiges Jagdwild, behandeln dieſes Wild aber nicht nach verſtändigem Weidmannsbrauch, ſondern pürſchen drauf los wie Wilderer, nur auf die Beute des Augenblicks bedacht. Neben all dem Schlimmen kommt freilich auch einiges Gute heraus, jedes Stück bringt aber ſein zehnfaches Gegengewicht mit. So wird z. B. die Genugthuung über die Gewandt- heit, Flinkheit, befliſſene Dienſtfertigkeit und Höflichkeit der Leute weſentlich getrübt durch die Wahrnehmung, daß ſie dieſe Tugenden zum Handelsartikel machen und übermäßig beziffern, auch würde man gern darauf verzichten, daß ſie mehre Sprachen verſtehen, wenn ſtatt deren eine Sprache, die der Beſcheidenheit und Biederkeit, ihnen nicht ganz fremd geworden wäre. Viele Uebelſtände der Art, die ſich natürlich
*) Bei Leuten, die berufsmäßig mit Pferden, Maulthieren, Eſeln umgehen, ſcheinen den ſonſtigen üblen Eigenſchaften und Inſtincten oft noch gewiſſe thieriſche ſich beizugeſellen, wie Rohheit, Jähzorn und Rachſucht.
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VIII. Betrübende Wahrnehmung — unſre Geſchäftsfreunde.
Um mein Herz ganz zu erleichtern, hob er nach einer
Pauſe wieder an, muß ich einen Gegenſtand, der ſchon
flüchtig berührt ward, hier noch einmal abhandeln. Eine
betrübende Wahrnehmung für jedes rechtſchaffene Touriſten-
gemüth, leider aber unverkennbare Thatſache iſt es, daß in
den Claſſen, die viel mit ungeſchäftlichem Reiſepublikum ver-
kehren, gewiſſe Eigenſchaften ſich entwickeln, die ihnen nicht
zur Zierde gereichen. In dieſe Claſſen gehören, von zahl-
reichen ehrenwerthen Ausnahmen abgeſehen,
nächſt den Wirthen der Touriſtendiſtricte nebſt Perſonale,
die Lohndiener, Träger, Führer niederer Gattung, ferner
Kutſcher, Vermiether von Reit- und Zugthieren *), Sänften
und Kähnen, Kunſt- und Kunſtſtückſpeculanten, Induſtrie-
ritter und Knappen bis hinab zu den Echoweckern, Murmel-
thierjungen, Harmonicaſtrolchen und anderen verhohlenen
und unverhohlenen Bettlern und Wegelagerern, ſelbſt viele
Handwerker, Händler und ihr Anhang in den faſhionabeln
Fremdenquartieren. Sie betrachten den Fremden als ihr
zuſtändiges Jagdwild, behandeln dieſes Wild aber nicht nach
verſtändigem Weidmannsbrauch, ſondern pürſchen drauf los
wie Wilderer, nur auf die Beute des Augenblicks bedacht.
Neben all dem Schlimmen kommt freilich auch einiges Gute
heraus, jedes Stück bringt aber ſein zehnfaches Gegengewicht
mit. So wird z. B. die Genugthuung über die Gewandt-
heit, Flinkheit, befliſſene Dienſtfertigkeit und Höflichkeit der
Leute weſentlich getrübt durch die Wahrnehmung, daß ſie
dieſe Tugenden zum Handelsartikel machen und übermäßig
beziffern, auch würde man gern darauf verzichten, daß ſie
mehre Sprachen verſtehen, wenn ſtatt deren eine Sprache, die
der Beſcheidenheit und Biederkeit, ihnen nicht ganz fremd
geworden wäre. Viele Uebelſtände der Art, die ſich natürlich
*) Bei Leuten, die berufsmäßig mit Pferden, Maulthieren, Eſeln umgehen,
ſcheinen den ſonſtigen üblen Eigenſchaften und Inſtincten oft noch gewiſſe thieriſche
ſich beizugeſellen, wie Rohheit, Jähzorn und Rachſucht.
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Michelis, Arthur: Reiseschule für Touristen und Curgäste. Leipzig, 1869, S. 270. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/michelis_reiseschule_1869/284>, abgerufen am 07.07.2024.
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