Michelis, Arthur: Reiseschule für Touristen und Curgäste. Leipzig, 1869.VIII. Betrübende Wahrnehmung -- unsre Geschäftsfreunde. Um mein Herz ganz zu erleichtern, hob er nach einer *) Bei Leuten, die berufsmäßig mit Pferden, Maulthieren, Eseln umgehen,
scheinen den sonstigen üblen Eigenschaften und Instincten oft noch gewisse thierische sich beizugesellen, wie Rohheit, Jähzorn und Rachsucht. VIII. Betrübende Wahrnehmung — unſre Geſchäftsfreunde. Um mein Herz ganz zu erleichtern, hob er nach einer *) Bei Leuten, die berufsmäßig mit Pferden, Maulthieren, Eſeln umgehen,
ſcheinen den ſonſtigen üblen Eigenſchaften und Inſtincten oft noch gewiſſe thieriſche ſich beizugeſellen, wie Rohheit, Jähzorn und Rachſucht. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <pb facs="#f0284" n="270"/> <fw place="top" type="header"><hi rendition="#aq">VIII.</hi> Betrübende Wahrnehmung — unſre Geſchäftsfreunde.</fw><lb/> <p>Um mein Herz ganz zu erleichtern, hob er nach einer<lb/> Pauſe wieder an, muß ich einen Gegenſtand, der ſchon<lb/> flüchtig berührt ward, hier noch einmal abhandeln. Eine<lb/> betrübende Wahrnehmung für jedes rechtſchaffene Touriſten-<lb/> gemüth, leider aber unverkennbare Thatſache iſt es, daß in<lb/> den Claſſen, die viel mit ungeſchäftlichem Reiſepublikum ver-<lb/> kehren, gewiſſe Eigenſchaften ſich entwickeln, die ihnen nicht<lb/> zur Zierde gereichen. In dieſe Claſſen gehören, <hi rendition="#g">von zahl-<lb/> reichen ehrenwerthen Ausnahmen abgeſehen</hi>,<lb/> nächſt den Wirthen der Touriſtendiſtricte nebſt Perſonale,<lb/> die Lohndiener, Träger, Führer niederer Gattung, ferner<lb/> Kutſcher, Vermiether von Reit- und Zugthieren <note place="foot" n="*)">Bei Leuten, die berufsmäßig mit Pferden, Maulthieren, Eſeln umgehen,<lb/> ſcheinen den ſonſtigen üblen Eigenſchaften und Inſtincten oft noch gewiſſe thieriſche<lb/> ſich beizugeſellen, wie Rohheit, Jähzorn und Rachſucht.</note>, Sänften<lb/> und Kähnen, Kunſt- und Kunſtſtückſpeculanten, Induſtrie-<lb/> ritter und Knappen bis hinab zu den Echoweckern, Murmel-<lb/> thierjungen, Harmonicaſtrolchen und anderen verhohlenen<lb/> und unverhohlenen Bettlern und Wegelagerern, ſelbſt viele<lb/> Handwerker, Händler und ihr Anhang in den faſhionabeln<lb/> Fremdenquartieren. Sie betrachten den Fremden als ihr<lb/> zuſtändiges Jagdwild, behandeln dieſes Wild aber nicht nach<lb/> verſtändigem Weidmannsbrauch, ſondern pürſchen drauf los<lb/> wie Wilderer, nur auf die Beute des Augenblicks bedacht.<lb/> Neben all dem Schlimmen kommt freilich auch einiges Gute<lb/> heraus, jedes Stück bringt aber ſein zehnfaches Gegengewicht<lb/> mit. So wird z. B. die Genugthuung über die Gewandt-<lb/> heit, Flinkheit, befliſſene Dienſtfertigkeit und Höflichkeit der<lb/> Leute weſentlich getrübt durch die Wahrnehmung, daß ſie<lb/> dieſe Tugenden zum Handelsartikel machen und übermäßig<lb/> beziffern, auch würde man gern darauf verzichten, daß ſie<lb/> mehre Sprachen verſtehen, wenn ſtatt deren eine Sprache, die<lb/> der Beſcheidenheit und Biederkeit, ihnen nicht ganz fremd<lb/> geworden wäre. Viele Uebelſtände der Art, die ſich natürlich<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [270/0284]
VIII. Betrübende Wahrnehmung — unſre Geſchäftsfreunde.
Um mein Herz ganz zu erleichtern, hob er nach einer
Pauſe wieder an, muß ich einen Gegenſtand, der ſchon
flüchtig berührt ward, hier noch einmal abhandeln. Eine
betrübende Wahrnehmung für jedes rechtſchaffene Touriſten-
gemüth, leider aber unverkennbare Thatſache iſt es, daß in
den Claſſen, die viel mit ungeſchäftlichem Reiſepublikum ver-
kehren, gewiſſe Eigenſchaften ſich entwickeln, die ihnen nicht
zur Zierde gereichen. In dieſe Claſſen gehören, von zahl-
reichen ehrenwerthen Ausnahmen abgeſehen,
nächſt den Wirthen der Touriſtendiſtricte nebſt Perſonale,
die Lohndiener, Träger, Führer niederer Gattung, ferner
Kutſcher, Vermiether von Reit- und Zugthieren *), Sänften
und Kähnen, Kunſt- und Kunſtſtückſpeculanten, Induſtrie-
ritter und Knappen bis hinab zu den Echoweckern, Murmel-
thierjungen, Harmonicaſtrolchen und anderen verhohlenen
und unverhohlenen Bettlern und Wegelagerern, ſelbſt viele
Handwerker, Händler und ihr Anhang in den faſhionabeln
Fremdenquartieren. Sie betrachten den Fremden als ihr
zuſtändiges Jagdwild, behandeln dieſes Wild aber nicht nach
verſtändigem Weidmannsbrauch, ſondern pürſchen drauf los
wie Wilderer, nur auf die Beute des Augenblicks bedacht.
Neben all dem Schlimmen kommt freilich auch einiges Gute
heraus, jedes Stück bringt aber ſein zehnfaches Gegengewicht
mit. So wird z. B. die Genugthuung über die Gewandt-
heit, Flinkheit, befliſſene Dienſtfertigkeit und Höflichkeit der
Leute weſentlich getrübt durch die Wahrnehmung, daß ſie
dieſe Tugenden zum Handelsartikel machen und übermäßig
beziffern, auch würde man gern darauf verzichten, daß ſie
mehre Sprachen verſtehen, wenn ſtatt deren eine Sprache, die
der Beſcheidenheit und Biederkeit, ihnen nicht ganz fremd
geworden wäre. Viele Uebelſtände der Art, die ſich natürlich
*) Bei Leuten, die berufsmäßig mit Pferden, Maulthieren, Eſeln umgehen,
ſcheinen den ſonſtigen üblen Eigenſchaften und Inſtincten oft noch gewiſſe thieriſche
ſich beizugeſellen, wie Rohheit, Jähzorn und Rachſucht.
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