Michelis, Arthur: Reiseschule für Touristen und Curgäste. Leipzig, 1869.VIII. Zwecke -- Reisemüde -- Farbenscheibe -- Empfänglichkeit. Museum zu Museum, von Wagen zu Wagen eilt oderschleicht. Tag für Tag zeigt sich ihnen, daß sie nicht finden, was sie suchen. Warum kehren sie nicht um? Viele mögen es nicht, weil sie "sich einmal vorgenommen haben", die und die Tour zu machen, die und die Punkte zu sehen, so und so lange auszubleiben. Was würden die Freunde zu Hause dazu sagen! Nur immer charakterfest! -- Viele trösten sich, daß die Langeweile unterwegs wenigstens andrer Art sei, als die zu Hause; Manche hoffen, daß zurückgekehrt ihr heimisches Leben ihnen in besserem Lichte erscheinen werde; Andere geben sich überhaupt nicht Rechenschaft über ihr Thun und Lassen, sondern folgen gedankenlos dem Strome der Mode. Blicken wir auf die Minderzahl, die augenscheinlich mit Lust und Liebe reist, so sind es vor Allem junge Menschen, die ihren ersten Ausflug machen, sodann Leute, denen ihr Ge- schäft oder ihre Mittel nur seltene, kurze Excursionen ge- statten. Schon die Muße derselben an und für sich empfinden sie als ein Vergnügen, welches von den neuen Eindrücken gesteigert wird, je nach dem Grade ihrer Empfänglichkeit. An den Nämlichen, wenn man ihnen nach einiger Zeit wieder begegnet, läßt sich jedoch beobachten, wie verschieden, wie eng gezogen bei Vielen die Grenzen der Genußfähigkeit sind, wie rasch der Reiz der Neuheit sich abstumpft, wie leicht der anhaltende Wechsel des Schauplatzes und der Gegenstände zur Eintönigkeit wird, ermüdet und verwirrt, auch wenn, den Bücherrathschlägen gemäß, Stadt und Land, Kirchen und Felsenpartien, Sennhütten mit Kaffeehäusern gemischt werden, Trottoris mit Wiesenwegen abwechseln: -- eine Scheibe, auf welcher alle Regenbogenfarben angebracht sind, läßt, rasch gedreht, keine von allen erblicken, sondern erscheint weiß. Oft kommt hinzu, daß inmitten der er- sehnten Muße bald die Gewohnheit einer bestimmten Thätig- keit ihr Recht geltend macht und deren Mangel als eine Lücke gefühlt wird. -- O Meister, wie stimmt aber die Nutzanwendung, die VIII. Zwecke — Reiſemüde — Farbenſcheibe — Empfänglichkeit. Muſeum zu Muſeum, von Wagen zu Wagen eilt oderſchleicht. Tag für Tag zeigt ſich ihnen, daß ſie nicht finden, was ſie ſuchen. Warum kehren ſie nicht um? Viele mögen es nicht, weil ſie „ſich einmal vorgenommen haben“, die und die Tour zu machen, die und die Punkte zu ſehen, ſo und ſo lange auszubleiben. Was würden die Freunde zu Hauſe dazu ſagen! Nur immer charakterfeſt! — Viele tröſten ſich, daß die Langeweile unterwegs wenigſtens andrer Art ſei, als die zu Hauſe; Manche hoffen, daß zurückgekehrt ihr heimiſches Leben ihnen in beſſerem Lichte erſcheinen werde; Andere geben ſich überhaupt nicht Rechenſchaft über ihr Thun und Laſſen, ſondern folgen gedankenlos dem Strome der Mode. Blicken wir auf die Minderzahl, die augenſcheinlich mit Luſt und Liebe reiſt, ſo ſind es vor Allem junge Menſchen, die ihren erſten Ausflug machen, ſodann Leute, denen ihr Ge- ſchäft oder ihre Mittel nur ſeltene, kurze Excurſionen ge- ſtatten. Schon die Muße derſelben an und für ſich empfinden ſie als ein Vergnügen, welches von den neuen Eindrücken geſteigert wird, je nach dem Grade ihrer Empfänglichkeit. An den Nämlichen, wenn man ihnen nach einiger Zeit wieder begegnet, läßt ſich jedoch beobachten, wie verſchieden, wie eng gezogen bei Vielen die Grenzen der Genußfähigkeit ſind, wie raſch der Reiz der Neuheit ſich abſtumpft, wie leicht der anhaltende Wechſel des Schauplatzes und der Gegenſtände zur Eintönigkeit wird, ermüdet und verwirrt, auch wenn, den Bücherrathſchlägen gemäß, Stadt und Land, Kirchen und Felſenpartien, Sennhütten mit Kaffeehäuſern gemiſcht werden, Trottoris mit Wieſenwegen abwechſeln: — eine Scheibe, auf welcher alle Regenbogenfarben angebracht ſind, läßt, raſch gedreht, keine von allen erblicken, ſondern erſcheint weiß. Oft kommt hinzu, daß inmitten der er- ſehnten Muße bald die Gewohnheit einer beſtimmten Thätig- keit ihr Recht geltend macht und deren Mangel als eine Lücke gefühlt wird. — O Meiſter, wie ſtimmt aber die Nutzanwendung, die <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0263" n="249"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#aq">VIII.</hi> Zwecke — Reiſemüde — Farbenſcheibe — Empfänglichkeit.</fw><lb/> Muſeum zu Muſeum, von Wagen zu Wagen eilt oder<lb/> ſchleicht. Tag für Tag zeigt ſich ihnen, daß ſie nicht finden,<lb/> was ſie ſuchen. Warum kehren ſie nicht um? Viele mögen<lb/> es nicht, weil ſie „ſich einmal vorgenommen haben“, die und<lb/> die Tour zu machen, die und die Punkte zu ſehen, ſo und ſo<lb/> lange auszubleiben. Was würden die Freunde zu Hauſe<lb/> dazu ſagen! 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VIII. Zwecke — Reiſemüde — Farbenſcheibe — Empfänglichkeit.
Muſeum zu Muſeum, von Wagen zu Wagen eilt oder
ſchleicht. Tag für Tag zeigt ſich ihnen, daß ſie nicht finden,
was ſie ſuchen. Warum kehren ſie nicht um? Viele mögen
es nicht, weil ſie „ſich einmal vorgenommen haben“, die und
die Tour zu machen, die und die Punkte zu ſehen, ſo und ſo
lange auszubleiben. Was würden die Freunde zu Hauſe
dazu ſagen! Nur immer charakterfeſt! — Viele tröſten ſich,
daß die Langeweile unterwegs wenigſtens andrer Art ſei, als
die zu Hauſe; Manche hoffen, daß zurückgekehrt ihr heimiſches
Leben ihnen in beſſerem Lichte erſcheinen werde; Andere
geben ſich überhaupt nicht Rechenſchaft über ihr Thun und
Laſſen, ſondern folgen gedankenlos dem Strome der Mode.
Blicken wir auf die Minderzahl, die augenſcheinlich mit Luſt
und Liebe reiſt, ſo ſind es vor Allem junge Menſchen, die
ihren erſten Ausflug machen, ſodann Leute, denen ihr Ge-
ſchäft oder ihre Mittel nur ſeltene, kurze Excurſionen ge-
ſtatten. Schon die Muße derſelben an und für ſich empfinden
ſie als ein Vergnügen, welches von den neuen Eindrücken
geſteigert wird, je nach dem Grade ihrer Empfänglichkeit.
An den Nämlichen, wenn man ihnen nach einiger Zeit
wieder begegnet, läßt ſich jedoch beobachten, wie verſchieden,
wie eng gezogen bei Vielen die Grenzen der Genußfähigkeit
ſind, wie raſch der Reiz der Neuheit ſich abſtumpft, wie
leicht der anhaltende Wechſel des Schauplatzes und der
Gegenſtände zur Eintönigkeit wird, ermüdet und verwirrt,
auch wenn, den Bücherrathſchlägen gemäß, Stadt und Land,
Kirchen und Felſenpartien, Sennhütten mit Kaffeehäuſern
gemiſcht werden, Trottoris mit Wieſenwegen abwechſeln: —
eine Scheibe, auf welcher alle Regenbogenfarben angebracht
ſind, läßt, raſch gedreht, keine von allen erblicken, ſondern
erſcheint weiß. Oft kommt hinzu, daß inmitten der er-
ſehnten Muße bald die Gewohnheit einer beſtimmten Thätig-
keit ihr Recht geltend macht und deren Mangel als eine Lücke
gefühlt wird.
— O Meiſter, wie ſtimmt aber die Nutzanwendung, die
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