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Michelis, Arthur: Reiseschule für Touristen und Curgäste. Leipzig, 1869.

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VIII. Neue Geständnisse, die von Rechts wegen in die Vorrede gehörten.
ihrer Wissenschaft, noch minder von ihrer Kunst und am
seltensten von ihrer Moral gehandelt hat. Alles das geschah
nach dem Vorbild unsres Lehrers. Auf seine Ansichten in
der Beziehung wurde schon früher gedeutet, seine weiteren
Gründe dafür mögen aus folgendem Gespräche hervorgehen,
welches am letzten Tage unsres Zusammenseins gepflogen
ward. Es knüpfte sich an seine Aeußerung über die "Haupt-
zwecke der Reise" und meine Frage, welches denn nun
diese seien.

-- Geduld, Geduld, so weit sind wir noch nicht, war die
Antwort.

-- Ah, ich merke, Sie sparen das bis zuletzt auf, es soll
eine Ueberraschung werden, so ein melodramatisches Schluß
tableau mit bengalischer Beleuchtung.

-- O nein, erwiederte der alte Herr, nicht überraschen
möchte ich, auf keinen Lichteffect, sondern nur auf ein wenig
Wärmeentwickelung ist das ganze Experiment abgesehen.
Hätte ich nicht von Anfang an etwas der Art im Schilde
geführt, so würde ich, trotz allen väterlichen Gefühlen für
Sie, mein hoffnungsvoller Jünger, mir schwerlich so viel
Mühe mit Ihrer touristischen Erziehung gegeben haben.
Gleich damals in Meiringen, als wir unser Buch verab-
redeten und ich das Nähere überlegte, fragte ich mich, wie
es wohl kommen möge, daß noch nichts Aehnliches versucht
worden ist, weder bei uns, noch bei Euch Deutschen, die Ihr
doch Bücher schreibt über alles Mögliche. Ganz kurze Leit-
faden sind zwar vorhanden, welche Regeln für Fußwanderer
und Bergsteiger geben, ein paar verlorene Winke für Reisende
überhaupt sind auch beigefügt, Alles aber augenscheinlich, zum
Theil eingeständlich, nur für unerfahrene, anspruchslose
Jünglinge bestimmt, die zum ersten Mal das Vaterhaus ver-
lassen, Niemand noch hat es versucht, auch die Touristen-
gattungen in's Auge zu fassen, welche heutzutage in Hotels,
Eisenbahnwagen erster und zweiter Classe und Curorten so
zahlreich und glänzend vertreten sind, ebensowenig sind die

VIII. Neue Geſtändniſſe, die von Rechts wegen in die Vorrede gehörten.
ihrer Wiſſenſchaft, noch minder von ihrer Kunſt und am
ſeltenſten von ihrer Moral gehandelt hat. Alles das geſchah
nach dem Vorbild unſres Lehrers. Auf ſeine Anſichten in
der Beziehung wurde ſchon früher gedeutet, ſeine weiteren
Gründe dafür mögen aus folgendem Geſpräche hervorgehen,
welches am letzten Tage unſres Zuſammenſeins gepflogen
ward. Es knüpfte ſich an ſeine Aeußerung über die „Haupt-
zwecke der Reiſe“ und meine Frage, welches denn nun
dieſe ſeien.

— Geduld, Geduld, ſo weit ſind wir noch nicht, war die
Antwort.

— Ah, ich merke, Sie ſparen das bis zuletzt auf, es ſoll
eine Ueberraſchung werden, ſo ein melodramatiſches Schluß
tableau mit bengaliſcher Beleuchtung.

— O nein, erwiederte der alte Herr, nicht überraſchen
möchte ich, auf keinen Lichteffect, ſondern nur auf ein wenig
Wärmeentwickelung iſt das ganze Experiment abgeſehen.
Hätte ich nicht von Anfang an etwas der Art im Schilde
geführt, ſo würde ich, trotz allen väterlichen Gefühlen für
Sie, mein hoffnungsvoller Jünger, mir ſchwerlich ſo viel
Mühe mit Ihrer touriſtiſchen Erziehung gegeben haben.
Gleich damals in Meiringen, als wir unſer Buch verab-
redeten und ich das Nähere überlegte, fragte ich mich, wie
es wohl kommen möge, daß noch nichts Aehnliches verſucht
worden iſt, weder bei uns, noch bei Euch Deutſchen, die Ihr
doch Bücher ſchreibt über alles Mögliche. Ganz kurze Leit-
faden ſind zwar vorhanden, welche Regeln für Fußwanderer
und Bergſteiger geben, ein paar verlorene Winke für Reiſende
überhaupt ſind auch beigefügt, Alles aber augenſcheinlich, zum
Theil eingeſtändlich, nur für unerfahrene, anſpruchsloſe
Jünglinge beſtimmt, die zum erſten Mal das Vaterhaus ver-
laſſen, Niemand noch hat es verſucht, auch die Touriſten-
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[237/0251] VIII. Neue Geſtändniſſe, die von Rechts wegen in die Vorrede gehörten. ihrer Wiſſenſchaft, noch minder von ihrer Kunſt und am ſeltenſten von ihrer Moral gehandelt hat. Alles das geſchah nach dem Vorbild unſres Lehrers. Auf ſeine Anſichten in der Beziehung wurde ſchon früher gedeutet, ſeine weiteren Gründe dafür mögen aus folgendem Geſpräche hervorgehen, welches am letzten Tage unſres Zuſammenſeins gepflogen ward. Es knüpfte ſich an ſeine Aeußerung über die „Haupt- zwecke der Reiſe“ und meine Frage, welches denn nun dieſe ſeien. — Geduld, Geduld, ſo weit ſind wir noch nicht, war die Antwort. — Ah, ich merke, Sie ſparen das bis zuletzt auf, es ſoll eine Ueberraſchung werden, ſo ein melodramatiſches Schluß tableau mit bengaliſcher Beleuchtung. — O nein, erwiederte der alte Herr, nicht überraſchen möchte ich, auf keinen Lichteffect, ſondern nur auf ein wenig Wärmeentwickelung iſt das ganze Experiment abgeſehen. Hätte ich nicht von Anfang an etwas der Art im Schilde geführt, ſo würde ich, trotz allen väterlichen Gefühlen für Sie, mein hoffnungsvoller Jünger, mir ſchwerlich ſo viel Mühe mit Ihrer touriſtiſchen Erziehung gegeben haben. Gleich damals in Meiringen, als wir unſer Buch verab- redeten und ich das Nähere überlegte, fragte ich mich, wie es wohl kommen möge, daß noch nichts Aehnliches verſucht worden iſt, weder bei uns, noch bei Euch Deutſchen, die Ihr doch Bücher ſchreibt über alles Mögliche. Ganz kurze Leit- faden ſind zwar vorhanden, welche Regeln für Fußwanderer und Bergſteiger geben, ein paar verlorene Winke für Reiſende überhaupt ſind auch beigefügt, Alles aber augenſcheinlich, zum Theil eingeſtändlich, nur für unerfahrene, anſpruchsloſe Jünglinge beſtimmt, die zum erſten Mal das Vaterhaus ver- laſſen, Niemand noch hat es verſucht, auch die Touriſten- gattungen in’s Auge zu faſſen, welche heutzutage in Hôtels, Eiſenbahnwagen erſter und zweiter Claſſe und Curorten ſo zahlreich und glänzend vertreten ſind, ebenſowenig ſind die

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Zitationshilfe: Michelis, Arthur: Reiseschule für Touristen und Curgäste. Leipzig, 1869, S. 237. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/michelis_reiseschule_1869/251>, abgerufen am 21.11.2024.