Michelis, Arthur: Reiseschule für Touristen und Curgäste. Leipzig, 1869.VII. Alltagsmenschen -- geistige Rangstufen. zu halten, als uns, je mehr werden sich gewisse Gegensätzezum gemeinsamen Besten endlich ausgleichen. -- Als unser Meister einmal so recht im Zuge war, sein -- Auf diese jugendlich kecke Frage habe ich keine Antwort, VII. Alltagsmenſchen — geiſtige Rangſtufen. zu halten, als uns, je mehr werden ſich gewiſſe Gegenſätzezum gemeinſamen Beſten endlich ausgleichen. — Als unſer Meiſter einmal ſo recht im Zuge war, ſein — Auf dieſe jugendlich kecke Frage habe ich keine Antwort, <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0230" n="216"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#aq">VII.</hi> Alltagsmenſchen — geiſtige Rangſtufen.</fw><lb/> zu halten, als uns, je mehr werden ſich gewiſſe Gegenſätze<lb/> zum gemeinſamen Beſten endlich ausgleichen. —</p><lb/> <p>Als unſer Meiſter einmal ſo recht im Zuge war, ſein<lb/> Lieblingsthema, „Anknüpfung von Bekanntſchaften mit Leuten<lb/> und Nationalitäten allerlei Art“ zu behandeln, fiel ihm mein<lb/> Mitſchüler <persName ref="nognd">Eduard</persName> in’s Wort. — Nun gut, ich will ja thun,<lb/> was ich kann, wie fange ich’s aber an, um aus der Maſſe<lb/> fremder Leute, denen ich täglich begegne, die herauszufinden,<lb/> welchen ich und die mir nicht unwillkommen ſind, namentlich,<lb/> wie vermeide ich die <hi rendition="#g">Alltagsmenſchen</hi>, von denen die<lb/> Welt wimmelt und aus deren Anſprache weder Belehrung<lb/> noch Unterhaltung zu ſchöpfen iſt?</p><lb/> <p>— Auf dieſe jugendlich kecke Frage habe ich keine Antwort,<lb/> fuhr der Oheim in ſcharfem Tone heraus. Einen Talisman be-<lb/> ſitze ich nicht, kann dir auch keinen verſchaffen. Mir ſelbſt würde<lb/> ich ſagen: entweder bin auch ich ein Alltagsmenſch, und dann<lb/> fehlt mir die Berechtigung, Geiſtesverwandte zu fliehen, ich bin<lb/> vielmehr auf ihre Geſellſchaft angewieſen; oder ich bin keiner,<lb/> dann will ich doch, um dies zu <choice><sic>bethätigen</sic><corr>beſthätigen</corr></choice>, wenigſtens den<lb/> Verſuch machen, an Alltagsmenſchen, mit denen mich der<lb/> Zufall zuſammenführt, eine Seite zu finden, die meine Be-<lb/> achtung verdient, meine Menſchenkenntniß vervollſtändigen,<lb/> mich anregen, von der ich lernen kann, poſitiv oder negativ.<lb/> Finde ich ſie nicht, ſo liegt es vermuthlich an mir, ſuche ich<lb/> gar nicht danach, ſo iſt die Ausſicht, Sonntagsmenſchen zu<lb/> begegnen, um ſo geringer. Wenn ſchon auf einem Masken-<lb/> balle das Errathen und Erkennen für den Hauptreiz gilt,<lb/> warum ſollte ich nicht die durch das Reiſeleben gewährte<lb/> Maskenfreiheit benutzen, bald hier bald da leiſe anzuklopfen,<lb/> um unter der Menge Fremder und Fremdartiger Wahlver-<lb/> wandte zu finden, und neue Blicke zu thun in’s Menſchen-<lb/> leben, die mir in den heimatlichen Kreiſen verſagt ſind? Auf<lb/> der Reiſe verſchiebt ſich leicht die Maske, fällt, wird abge-<lb/> worfen, der Beobachtung iſt alſo weites Feld gegeben. Je<lb/> höher meine geiſtige Rangſtufe, je ſeltener zwar werde ich<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [216/0230]
VII. Alltagsmenſchen — geiſtige Rangſtufen.
zu halten, als uns, je mehr werden ſich gewiſſe Gegenſätze
zum gemeinſamen Beſten endlich ausgleichen. —
Als unſer Meiſter einmal ſo recht im Zuge war, ſein
Lieblingsthema, „Anknüpfung von Bekanntſchaften mit Leuten
und Nationalitäten allerlei Art“ zu behandeln, fiel ihm mein
Mitſchüler Eduard in’s Wort. — Nun gut, ich will ja thun,
was ich kann, wie fange ich’s aber an, um aus der Maſſe
fremder Leute, denen ich täglich begegne, die herauszufinden,
welchen ich und die mir nicht unwillkommen ſind, namentlich,
wie vermeide ich die Alltagsmenſchen, von denen die
Welt wimmelt und aus deren Anſprache weder Belehrung
noch Unterhaltung zu ſchöpfen iſt?
— Auf dieſe jugendlich kecke Frage habe ich keine Antwort,
fuhr der Oheim in ſcharfem Tone heraus. Einen Talisman be-
ſitze ich nicht, kann dir auch keinen verſchaffen. Mir ſelbſt würde
ich ſagen: entweder bin auch ich ein Alltagsmenſch, und dann
fehlt mir die Berechtigung, Geiſtesverwandte zu fliehen, ich bin
vielmehr auf ihre Geſellſchaft angewieſen; oder ich bin keiner,
dann will ich doch, um dies zu beſthätigen, wenigſtens den
Verſuch machen, an Alltagsmenſchen, mit denen mich der
Zufall zuſammenführt, eine Seite zu finden, die meine Be-
achtung verdient, meine Menſchenkenntniß vervollſtändigen,
mich anregen, von der ich lernen kann, poſitiv oder negativ.
Finde ich ſie nicht, ſo liegt es vermuthlich an mir, ſuche ich
gar nicht danach, ſo iſt die Ausſicht, Sonntagsmenſchen zu
begegnen, um ſo geringer. Wenn ſchon auf einem Masken-
balle das Errathen und Erkennen für den Hauptreiz gilt,
warum ſollte ich nicht die durch das Reiſeleben gewährte
Maskenfreiheit benutzen, bald hier bald da leiſe anzuklopfen,
um unter der Menge Fremder und Fremdartiger Wahlver-
wandte zu finden, und neue Blicke zu thun in’s Menſchen-
leben, die mir in den heimatlichen Kreiſen verſagt ſind? Auf
der Reiſe verſchiebt ſich leicht die Maske, fällt, wird abge-
worfen, der Beobachtung iſt alſo weites Feld gegeben. Je
höher meine geiſtige Rangſtufe, je ſeltener zwar werde ich
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