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Michelis, Arthur: Reiseschule für Touristen und Curgäste. Leipzig, 1869.

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VII. Festländische Ansichten über Engländer.
Frau, Eltern und Kindern, Freund und Freund, werden
nur abgerissene Phrasen gewechselt. Ich verstehe keine Silbe
ihrer Sprache, schon der Klang schreckt mich von ihr ab; sie
macht auf mich den Eindruck, als ob die Worte mit einge-
stemmten Elbogen rückwärts über die Achsel geworfen wür-
den. Und wie langweilig und gelangweilt sehen die Men-
schen aus! Auf die herrlichsten Landschaftsbilder werfen sie
kaum einen Blick, ungerührt ziehen sie vorüber, die Augen
im Buche, auf der Karte, auf ihren Gamaschen oder auf dem
Schaumgekräusel der Schaufelräder im Wasser.

Halt, sein wir nicht ungerecht, begütigt ein Sachse. Nicht
von der ganzen Nation gilt dieser Hang zur Absonderung
und Sonderbarkeit, sondern nur von vielen auf dem Conti-
nent Reisenden. Die Menschen ahmen ihr Land nach, wel-
ches auch gerade an dem Punkte, wo es sich dem übrigen
Europa nähert, aus unzugänglichen, unwirthbaren Felsen
besteht. Darum rufen ihnen auch ihre Schriftsteller beständig
zu: wenn ihr reiset, so mischt euch unter die Landeskinder,
sprecht mit ihnen, seid freundlich, seid Gentlemen in euren
Handlungen, nicht in euren Ansprüchen, verlangt nicht, daß
alles bei ihnen so ist, wie bei uns zu Hause, denn wäre das,
warum reistet ihr dann?

-- Und wer sind denn diese Pilger, denen wir überall
begegnen, wo es zu sehen und nicht zu sehen gibt? fuhr der
Erste fort. Entweder sind sie aus den ungebildeten Classen,
Schneider, Schuster, Metzger, Bäcker, oder deren Söhne und
Töchter, von plumper herausfordernder Arroganz, oder geld-
stolze Patricier und schroff abgeschlossene Aristokraten, gebiete-
risch, froschkalt, scheinheilig, rücksichtslos, voll seltsamer Ge-
wohnheiten und Vorurtheile, gegen alles Nichtenglische mit
Verachtung erfüllt. Es scheint, der beste Theil der Nation,
die gediegenen Familien des Landes und der kleineren Städte,
in denen wahre Humanität vertreten ist, reist wenig. Ueber-
lassen wir also die unlieben Zugvögel den Lohndienern und
Wirthen.

VII. Feſtländiſche Anſichten über Engländer.
Frau, Eltern und Kindern, Freund und Freund, werden
nur abgeriſſene Phraſen gewechſelt. Ich verſtehe keine Silbe
ihrer Sprache, ſchon der Klang ſchreckt mich von ihr ab; ſie
macht auf mich den Eindruck, als ob die Worte mit einge-
ſtemmten Elbogen rückwärts über die Achſel geworfen wür-
den. Und wie langweilig und gelangweilt ſehen die Men-
ſchen aus! Auf die herrlichſten Landſchaftsbilder werfen ſie
kaum einen Blick, ungerührt ziehen ſie vorüber, die Augen
im Buche, auf der Karte, auf ihren Gamaſchen oder auf dem
Schaumgekräuſel der Schaufelräder im Waſſer.

Halt, ſein wir nicht ungerecht, begütigt ein Sachſe. Nicht
von der ganzen Nation gilt dieſer Hang zur Abſonderung
und Sonderbarkeit, ſondern nur von vielen auf dem Conti-
nent Reiſenden. Die Menſchen ahmen ihr Land nach, wel-
ches auch gerade an dem Punkte, wo es ſich dem übrigen
Europa nähert, aus unzugänglichen, unwirthbaren Felſen
beſteht. Darum rufen ihnen auch ihre Schriftſteller beſtändig
zu: wenn ihr reiſet, ſo miſcht euch unter die Landeskinder,
ſprecht mit ihnen, ſeid freundlich, ſeid Gentlemen in euren
Handlungen, nicht in euren Anſprüchen, verlangt nicht, daß
alles bei ihnen ſo iſt, wie bei uns zu Hauſe, denn wäre das,
warum reiſtet ihr dann?

— Und wer ſind denn dieſe Pilger, denen wir überall
begegnen, wo es zu ſehen und nicht zu ſehen gibt? fuhr der
Erſte fort. Entweder ſind ſie aus den ungebildeten Claſſen,
Schneider, Schuſter, Metzger, Bäcker, oder deren Söhne und
Töchter, von plumper herausfordernder Arroganz, oder geld-
ſtolze Patricier und ſchroff abgeſchloſſene Ariſtokraten, gebiete-
riſch, froſchkalt, ſcheinheilig, rückſichtslos, voll ſeltſamer Ge-
wohnheiten und Vorurtheile, gegen alles Nichtengliſche mit
Verachtung erfüllt. Es ſcheint, der beſte Theil der Nation,
die gediegenen Familien des Landes und der kleineren Städte,
in denen wahre Humanität vertreten iſt, reiſt wenig. Ueber-
laſſen wir alſo die unlieben Zugvögel den Lohndienern und
Wirthen.

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[204/0218] VII. Feſtländiſche Anſichten über Engländer. Frau, Eltern und Kindern, Freund und Freund, werden nur abgeriſſene Phraſen gewechſelt. Ich verſtehe keine Silbe ihrer Sprache, ſchon der Klang ſchreckt mich von ihr ab; ſie macht auf mich den Eindruck, als ob die Worte mit einge- ſtemmten Elbogen rückwärts über die Achſel geworfen wür- den. Und wie langweilig und gelangweilt ſehen die Men- ſchen aus! Auf die herrlichſten Landſchaftsbilder werfen ſie kaum einen Blick, ungerührt ziehen ſie vorüber, die Augen im Buche, auf der Karte, auf ihren Gamaſchen oder auf dem Schaumgekräuſel der Schaufelräder im Waſſer. Halt, ſein wir nicht ungerecht, begütigt ein Sachſe. Nicht von der ganzen Nation gilt dieſer Hang zur Abſonderung und Sonderbarkeit, ſondern nur von vielen auf dem Conti- nent Reiſenden. Die Menſchen ahmen ihr Land nach, wel- ches auch gerade an dem Punkte, wo es ſich dem übrigen Europa nähert, aus unzugänglichen, unwirthbaren Felſen beſteht. Darum rufen ihnen auch ihre Schriftſteller beſtändig zu: wenn ihr reiſet, ſo miſcht euch unter die Landeskinder, ſprecht mit ihnen, ſeid freundlich, ſeid Gentlemen in euren Handlungen, nicht in euren Anſprüchen, verlangt nicht, daß alles bei ihnen ſo iſt, wie bei uns zu Hauſe, denn wäre das, warum reiſtet ihr dann? — Und wer ſind denn dieſe Pilger, denen wir überall begegnen, wo es zu ſehen und nicht zu ſehen gibt? fuhr der Erſte fort. Entweder ſind ſie aus den ungebildeten Claſſen, Schneider, Schuſter, Metzger, Bäcker, oder deren Söhne und Töchter, von plumper herausfordernder Arroganz, oder geld- ſtolze Patricier und ſchroff abgeſchloſſene Ariſtokraten, gebiete- riſch, froſchkalt, ſcheinheilig, rückſichtslos, voll ſeltſamer Ge- wohnheiten und Vorurtheile, gegen alles Nichtengliſche mit Verachtung erfüllt. Es ſcheint, der beſte Theil der Nation, die gediegenen Familien des Landes und der kleineren Städte, in denen wahre Humanität vertreten iſt, reiſt wenig. Ueber- laſſen wir alſo die unlieben Zugvögel den Lohndienern und Wirthen.

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Zitationshilfe: Michelis, Arthur: Reiseschule für Touristen und Curgäste. Leipzig, 1869, S. 204. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/michelis_reiseschule_1869/218>, abgerufen am 28.11.2024.