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Michelis, Arthur: Reiseschule für Touristen und Curgäste. Leipzig, 1869.

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V. Mein Stubennachbar.
Sache ihr zu überlassen, und versprochen, sie in einer be-
friedigenden Weise zu erledigen. Das brachte sie auch wirklich
schon am nächsten Mittag zu Stande, trotz der erschwerenden
Umstände. Mir führte sie mit keinem Worte meine nächtliche
Unthat zu Gemüthe, sondern warf nur hin, daß ich mir
gegenüber, ihr zur Seite, meinen Stubennachbar sehen
würde, zugleich bat sie um die Erlaubniß, uns bekannt mit-
einander zu machen, wobei sie die Ueberzeugung durch-
schimmern ließ, daß ich Gefallen an ihm finden würde.
Dem Maler dagegen hatte sie alle Mißstimmung zu be-
nehmen, sogar Interesse für mich einzuflößen verstanden,
obwohl ihr von mir nichts weiter als der Name bekannt war.
Während meines Morgenspaziergangs hatte sie aber die ver-
zeihliche, ich möchte sagen berufspflichtmäßige Neugier gehabt,
als sie mit dem Dienstmädchen meine umherliegenden Sieben-
sachen ordnete, auch auf die mitgebrachten Bücher, Mappen
und Anderes einen Blick zu werfen, und daraus allerhand
errathen, z. B. daß ich viel in der Welt umhergekommen,
Tiger und Elephanten gejagt hatte, und war zu der Ansicht
gelangt, daß ich trotz meinem nächtlichen schlafmörderischen
Ueberfall ein vortrefflicher Mensch sei, ein Schatz von
Unterhaltung und Belehrung für die ganze Gesellschaft, ins-
besondere eine Fundgrube für Landschaftsmaler. So un-
gefähr hatte sie meinem Schlachtopfer von mir gesprochen,
und dieses wohl die Absicht gemerkt, sich dadurch aber nicht
verstimmen lassen, im Gegentheil war es begierig geworden
auf meine Bekanntschaft. Alles Weitere machte sich dann
halb von selbst, halb durch wenige von ihr in die Unter-
haltung gestreute Worte.

Diese fiel bald auf das Reisecapitel und schon ehe wir
den Tisch verließen, war Friede hergestellt, Freundschaft
vorbereitet und die letztere später auf Lebenszeit befestigt.
Der Mann hatte lange in Norwegen zugebracht, einmal
sogar im höchsten Norden überwintert und eine Menge
Studien mitgebracht, Felsmassen, an denen das Meer

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V. Mein Stubennachbar.
Sache ihr zu überlaſſen, und verſprochen, ſie in einer be-
friedigenden Weiſe zu erledigen. Das brachte ſie auch wirklich
ſchon am nächſten Mittag zu Stande, trotz der erſchwerenden
Umſtände. Mir führte ſie mit keinem Worte meine nächtliche
Unthat zu Gemüthe, ſondern warf nur hin, daß ich mir
gegenüber, ihr zur Seite, meinen Stubennachbar ſehen
würde, zugleich bat ſie um die Erlaubniß, uns bekannt mit-
einander zu machen, wobei ſie die Ueberzeugung durch-
ſchimmern ließ, daß ich Gefallen an ihm finden würde.
Dem Maler dagegen hatte ſie alle Mißſtimmung zu be-
nehmen, ſogar Intereſſe für mich einzuflößen verſtanden,
obwohl ihr von mir nichts weiter als der Name bekannt war.
Während meines Morgenſpaziergangs hatte ſie aber die ver-
zeihliche, ich möchte ſagen berufspflichtmäßige Neugier gehabt,
als ſie mit dem Dienſtmädchen meine umherliegenden Sieben-
ſachen ordnete, auch auf die mitgebrachten Bücher, Mappen
und Anderes einen Blick zu werfen, und daraus allerhand
errathen, z. B. daß ich viel in der Welt umhergekommen,
Tiger und Elephanten gejagt hatte, und war zu der Anſicht
gelangt, daß ich trotz meinem nächtlichen ſchlafmörderiſchen
Ueberfall ein vortrefflicher Menſch ſei, ein Schatz von
Unterhaltung und Belehrung für die ganze Geſellſchaft, ins-
beſondere eine Fundgrube für Landſchaftsmaler. So un-
gefähr hatte ſie meinem Schlachtopfer von mir geſprochen,
und dieſes wohl die Abſicht gemerkt, ſich dadurch aber nicht
verſtimmen laſſen, im Gegentheil war es begierig geworden
auf meine Bekanntſchaft. Alles Weitere machte ſich dann
halb von ſelbſt, halb durch wenige von ihr in die Unter-
haltung geſtreute Worte.

Dieſe fiel bald auf das Reiſecapitel und ſchon ehe wir
den Tiſch verließen, war Friede hergeſtellt, Freundſchaft
vorbereitet und die letztere ſpäter auf Lebenszeit befeſtigt.
Der Mann hatte lange in Norwegen zugebracht, einmal
ſogar im höchſten Norden überwintert und eine Menge
Studien mitgebracht, Felsmaſſen, an denen das Meer

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[145/0159] V. Mein Stubennachbar. Sache ihr zu überlaſſen, und verſprochen, ſie in einer be- friedigenden Weiſe zu erledigen. Das brachte ſie auch wirklich ſchon am nächſten Mittag zu Stande, trotz der erſchwerenden Umſtände. Mir führte ſie mit keinem Worte meine nächtliche Unthat zu Gemüthe, ſondern warf nur hin, daß ich mir gegenüber, ihr zur Seite, meinen Stubennachbar ſehen würde, zugleich bat ſie um die Erlaubniß, uns bekannt mit- einander zu machen, wobei ſie die Ueberzeugung durch- ſchimmern ließ, daß ich Gefallen an ihm finden würde. Dem Maler dagegen hatte ſie alle Mißſtimmung zu be- nehmen, ſogar Intereſſe für mich einzuflößen verſtanden, obwohl ihr von mir nichts weiter als der Name bekannt war. Während meines Morgenſpaziergangs hatte ſie aber die ver- zeihliche, ich möchte ſagen berufspflichtmäßige Neugier gehabt, als ſie mit dem Dienſtmädchen meine umherliegenden Sieben- ſachen ordnete, auch auf die mitgebrachten Bücher, Mappen und Anderes einen Blick zu werfen, und daraus allerhand errathen, z. B. daß ich viel in der Welt umhergekommen, Tiger und Elephanten gejagt hatte, und war zu der Anſicht gelangt, daß ich trotz meinem nächtlichen ſchlafmörderiſchen Ueberfall ein vortrefflicher Menſch ſei, ein Schatz von Unterhaltung und Belehrung für die ganze Geſellſchaft, ins- beſondere eine Fundgrube für Landſchaftsmaler. So un- gefähr hatte ſie meinem Schlachtopfer von mir geſprochen, und dieſes wohl die Abſicht gemerkt, ſich dadurch aber nicht verſtimmen laſſen, im Gegentheil war es begierig geworden auf meine Bekanntſchaft. Alles Weitere machte ſich dann halb von ſelbſt, halb durch wenige von ihr in die Unter- haltung geſtreute Worte. Dieſe fiel bald auf das Reiſecapitel und ſchon ehe wir den Tiſch verließen, war Friede hergeſtellt, Freundſchaft vorbereitet und die letztere ſpäter auf Lebenszeit befeſtigt. Der Mann hatte lange in Norwegen zugebracht, einmal ſogar im höchſten Norden überwintert und eine Menge Studien mitgebracht, Felsmaſſen, an denen das Meer 10

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Zitationshilfe: Michelis, Arthur: Reiseschule für Touristen und Curgäste. Leipzig, 1869, S. 145. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/michelis_reiseschule_1869/159>, abgerufen am 24.11.2024.