weder ein Minimum von Spirituosen hinzu, oder wählt ein kohlensaures Wasser.
Hier und da ruft der Aufenthalt in der Hochregion neben peinigendem Durste noch andere Erscheinungen hervor, z. B. beschleunigten Herzschlag, Heiserkeit, Athemnoth, Kopfweh, Mattigkeit, Schlafsucht oder Schlaflosigkeit, Schlaffheit der Gelenke. Treten die Erscheinungen heftig auf, so muß ein Arzt befragt werden. Vermuthlich erkennt er auf "Bergweh" und räth, erst einige Stunden nach Aufgang der Sonne in's Freie zu gehen und vor Untergang wieder das Zimmer auf- zusuchen, bei starkem Winde und wenn Gewitter oder Regen droht, ganz zu Hause zu bleiben und, will die Acclimatisation nicht gelingen, widerräth er dem Leidenden das fernere Ver- weilen. In minderem Grade sind derlei Beschwerden bei Gästen, die aus dem Tieflande in hochgelegene Curorte un- vorbereitet kommen, auch bei Touristen, die zum ersten Male in der Schneeregion wandern, nichts Seltenes, pflegen aber meist rasch vorüberzugehen. Erklärt werden sie durch die ver- änderte Beschaffenheit der atmosphärischen Luft. Diese wird je höher ihre Lage, um so kälter, dünner, leichter; Lunge und Herz, um die zur Blutbereitung nöthige Masse Sauerstoff sich anzueignen, sind zu rascheren Bewegungen genöthigt. Die aus Gletschern strömende Luft ist außerdem noch ärmer an Sauerstoff, als an schnee- und eisfreien Stellen von gleicher Höhe. Auch positive und negative Elektricität soll dabei eine Rolle spielen. Vom Grade dieser Luftverände- rungen, von der Plötzlichkeit des Uebergangs und von indivi- dueller Beschaffenheit hängt es nun ab, ob ihre Wirkung die erwähnten Störungen, oder im Gegentheil gesteigertes Wohl- befinden, freieres Athmen, bessere Blutbereitung, Verdauung und Ernährung und erhöhte Stimmung zur Folge hat.
Die fette Alpenmilch ist mit Vorsicht zu genießen und lieber zu meiden von Einem, der auf zweifelhaftem Fuße mit seinem Magen steht. Etwas verdaulicher wird sie durch eine kleine Zuthat von Kirschgeist, Rum oder dergleichen. Ein
IV. Hochgebirgsbeſchwerden — Bergweh.
weder ein Minimum von Spirituoſen hinzu, oder wählt ein kohlenſaures Waſſer.
Hier und da ruft der Aufenthalt in der Hochregion neben peinigendem Durſte noch andere Erſcheinungen hervor, z. B. beſchleunigten Herzſchlag, Heiſerkeit, Athemnoth, Kopfweh, Mattigkeit, Schlafſucht oder Schlafloſigkeit, Schlaffheit der Gelenke. Treten die Erſcheinungen heftig auf, ſo muß ein Arzt befragt werden. Vermuthlich erkennt er auf „Bergweh“ und räth, erſt einige Stunden nach Aufgang der Sonne in’s Freie zu gehen und vor Untergang wieder das Zimmer auf- zuſuchen, bei ſtarkem Winde und wenn Gewitter oder Regen droht, ganz zu Hauſe zu bleiben und, will die Acclimatiſation nicht gelingen, widerräth er dem Leidenden das fernere Ver- weilen. In minderem Grade ſind derlei Beſchwerden bei Gäſten, die aus dem Tieflande in hochgelegene Curorte un- vorbereitet kommen, auch bei Touriſten, die zum erſten Male in der Schneeregion wandern, nichts Seltenes, pflegen aber meiſt raſch vorüberzugehen. Erklärt werden ſie durch die ver- änderte Beſchaffenheit der atmoſphäriſchen Luft. Dieſe wird je höher ihre Lage, um ſo kälter, dünner, leichter; Lunge und Herz, um die zur Blutbereitung nöthige Maſſe Sauerſtoff ſich anzueignen, ſind zu raſcheren Bewegungen genöthigt. Die aus Gletſchern ſtrömende Luft iſt außerdem noch ärmer an Sauerſtoff, als an ſchnee- und eisfreien Stellen von gleicher Höhe. Auch poſitive und negative Elektricität ſoll dabei eine Rolle ſpielen. Vom Grade dieſer Luftverände- rungen, von der Plötzlichkeit des Uebergangs und von indivi- dueller Beſchaffenheit hängt es nun ab, ob ihre Wirkung die erwähnten Störungen, oder im Gegentheil geſteigertes Wohl- befinden, freieres Athmen, beſſere Blutbereitung, Verdauung und Ernährung und erhöhte Stimmung zur Folge hat.
Die fette Alpenmilch iſt mit Vorſicht zu genießen und lieber zu meiden von Einem, der auf zweifelhaftem Fuße mit ſeinem Magen ſteht. Etwas verdaulicher wird ſie durch eine kleine Zuthat von Kirſchgeiſt, Rum oder dergleichen. Ein
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IV. Hochgebirgsbeſchwerden — Bergweh.
weder ein Minimum von Spirituoſen hinzu, oder wählt ein
kohlenſaures Waſſer.
Hier und da ruft der Aufenthalt in der Hochregion neben
peinigendem Durſte noch andere Erſcheinungen hervor, z. B.
beſchleunigten Herzſchlag, Heiſerkeit, Athemnoth, Kopfweh,
Mattigkeit, Schlafſucht oder Schlafloſigkeit, Schlaffheit der
Gelenke. Treten die Erſcheinungen heftig auf, ſo muß ein
Arzt befragt werden. Vermuthlich erkennt er auf „Bergweh“
und räth, erſt einige Stunden nach Aufgang der Sonne in’s
Freie zu gehen und vor Untergang wieder das Zimmer auf-
zuſuchen, bei ſtarkem Winde und wenn Gewitter oder Regen
droht, ganz zu Hauſe zu bleiben und, will die Acclimatiſation
nicht gelingen, widerräth er dem Leidenden das fernere Ver-
weilen. In minderem Grade ſind derlei Beſchwerden bei
Gäſten, die aus dem Tieflande in hochgelegene Curorte un-
vorbereitet kommen, auch bei Touriſten, die zum erſten Male
in der Schneeregion wandern, nichts Seltenes, pflegen aber
meiſt raſch vorüberzugehen. Erklärt werden ſie durch die ver-
änderte Beſchaffenheit der atmoſphäriſchen Luft. Dieſe wird
je höher ihre Lage, um ſo kälter, dünner, leichter; Lunge und
Herz, um die zur Blutbereitung nöthige Maſſe Sauerſtoff
ſich anzueignen, ſind zu raſcheren Bewegungen genöthigt.
Die aus Gletſchern ſtrömende Luft iſt außerdem noch ärmer
an Sauerſtoff, als an ſchnee- und eisfreien Stellen von
gleicher Höhe. Auch poſitive und negative Elektricität ſoll
dabei eine Rolle ſpielen. Vom Grade dieſer Luftverände-
rungen, von der Plötzlichkeit des Uebergangs und von indivi-
dueller Beſchaffenheit hängt es nun ab, ob ihre Wirkung die
erwähnten Störungen, oder im Gegentheil geſteigertes Wohl-
befinden, freieres Athmen, beſſere Blutbereitung, Verdauung
und Ernährung und erhöhte Stimmung zur Folge hat.
Die fette Alpenmilch iſt mit Vorſicht zu genießen und
lieber zu meiden von Einem, der auf zweifelhaftem Fuße mit
ſeinem Magen ſteht. Etwas verdaulicher wird ſie durch eine
kleine Zuthat von Kirſchgeiſt, Rum oder dergleichen. Ein
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Michelis, Arthur: Reiseschule für Touristen und Curgäste. Leipzig, 1869, S. 91. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/michelis_reiseschule_1869/105>, abgerufen am 29.07.2024.
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