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Michelet, Karl Ludwig: Die Lösung der gesellschaftlichen Frage. Frankfurt (Oder) u. a., 1849.

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mal innerhalb der Staatswirthschaft selbst gemacht worden ist,
ihre Widersprüche durch einen vermittelnden Standpunkt aufzu-
lösen, während wir bisher nur bei dem unaufgelösten stehen blie-
ben, mißglückt daher gleichfalls, eben weil die Staatswirthschaft
sich einseitig auf den Standpunkt des Einzellebens stellt, und den
gesellschaftlichen verwirft; nur aber, wenn man Beides verbindet,
kann man die wahre Vermittelung der Gegensätze erreichen.

Die Theilung der Arbeit hat nur die Entwürdigung des
Arbeiters hervorgebracht; deshalb wird die Arbeit in der Ma-
schine und in der Werkstatt wieder zusammengefaßt. Die Maschine
hat nur Sklaven erzeugt, und die Werkstatt nur Lohndiener; des-
halb hat sich die Concurrenz entzündet. Die Concurrenz hat das
Monopol geboren; deshalb hat der Staat Steuern verordnet, und
dem Capital einen Abzug auferlegt. Der Staat ist für die Pro-
letarier eine neue Knechtschaft geworden, weil die Steuern gerade
sie am meisten drücken; deshalb ist gesagt worden: Reichen sich
die Arbeiter von Einem Volke zum andern die Hand. Und nun
sind es die Ausbeutenden, die sich von allen Enden wider die
Ausgebeuteten die Hand reichen. Wäre der Werth aller Erzeug-
nisse wie das Geld bestimmt, so wäre die Staatswirthschaft im
Zustande der Vollkommenheit; jeder würde für seine Waare im-
mer die bekommen, durch welche er seine Bedürfnisse befriedigen
kann. Um die Macht des Geldes zu brechen, muß sein Wesen
verallgemeinert werden. Das geschieht durch den Credit, wel-
cher mit Hülfe und nach dem Vorbilde des Geldes alle noch
schwankenden Werthe feststellen will, und so jedem Arbeiter Geld
verschafft. Jm Credit kehrt die Gesellschaft von der Lehre der
Absatzwege wieder in sich selbst zurück, um dort das Gleichge-
wicht von Erzeugung und Verzehrung zu suchen. Es spricht sich
ein allgemeines Verlangen nach Creditanstalten für die Arbeit
aus. Der Credit ist die vorweggenommene Verwirklichung des
Absatzes, die Gliederung des Absatzes im Jnnern. Der Credit
soll dem trägen Werth Umlauf verschaffen, indem der Capitalist
dem Arbeiter einen Geldvorschuß gegen Hinterlegung der Waare
giebt. So wird das Geld jedermann zugänglich, indem die un-
verkaufte Waare, wie eine verkaufte, den angenommenen Kauf-
preis als Münze in die Hände des Arbeiters legt. Durch Bank-

mal innerhalb der Staatswirthſchaft ſelbſt gemacht worden iſt,
ihre Widerſprüche durch einen vermittelnden Standpunkt aufzu-
löſen, während wir bisher nur bei dem unaufgelöſten ſtehen blie-
ben, mißglückt daher gleichfalls, eben weil die Staatswirthſchaft
ſich einſeitig auf den Standpunkt des Einzellebens ſtellt, und den
geſellſchaftlichen verwirft; nur aber, wenn man Beides verbindet,
kann man die wahre Vermittelung der Gegenſätze erreichen.

Die Theilung der Arbeit hat nur die Entwürdigung des
Arbeiters hervorgebracht; deshalb wird die Arbeit in der Ma-
ſchine und in der Werkſtatt wieder zuſammengefaßt. Die Maſchine
hat nur Sklaven erzeugt, und die Werkſtatt nur Lohndiener; des-
halb hat ſich die Concurrenz entzündet. Die Concurrenz hat das
Monopol geboren; deshalb hat der Staat Steuern verordnet, und
dem Capital einen Abzug auferlegt. Der Staat iſt für die Pro-
letarier eine neue Knechtſchaft geworden, weil die Steuern gerade
ſie am meiſten drücken; deshalb iſt geſagt worden: Reichen ſich
die Arbeiter von Einem Volke zum andern die Hand. Und nun
ſind es die Ausbeutenden, die ſich von allen Enden wider die
Ausgebeuteten die Hand reichen. Wäre der Werth aller Erzeug-
niſſe wie das Geld beſtimmt, ſo wäre die Staatswirthſchaft im
Zuſtande der Vollkommenheit; jeder würde für ſeine Waare im-
mer die bekommen, durch welche er ſeine Bedürfniſſe befriedigen
kann. Um die Macht des Geldes zu brechen, muß ſein Weſen
verallgemeinert werden. Das geſchieht durch den Credit, wel-
cher mit Hülfe und nach dem Vorbilde des Geldes alle noch
ſchwankenden Werthe feſtſtellen will, und ſo jedem Arbeiter Geld
verſchafft. Jm Credit kehrt die Geſellſchaft von der Lehre der
Abſatzwege wieder in ſich ſelbſt zurück, um dort das Gleichge-
wicht von Erzeugung und Verzehrung zu ſuchen. Es ſpricht ſich
ein allgemeines Verlangen nach Creditanſtalten für die Arbeit
aus. Der Credit iſt die vorweggenommene Verwirklichung des
Abſatzes, die Gliederung des Abſatzes im Jnnern. Der Credit
ſoll dem trägen Werth Umlauf verſchaffen, indem der Capitaliſt
dem Arbeiter einen Geldvorſchuß gegen Hinterlegung der Waare
giebt. So wird das Geld jedermann zugänglich, indem die un-
verkaufte Waare, wie eine verkaufte, den angenommenen Kauf-
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[58/0068] mal innerhalb der Staatswirthſchaft ſelbſt gemacht worden iſt, ihre Widerſprüche durch einen vermittelnden Standpunkt aufzu- löſen, während wir bisher nur bei dem unaufgelöſten ſtehen blie- ben, mißglückt daher gleichfalls, eben weil die Staatswirthſchaft ſich einſeitig auf den Standpunkt des Einzellebens ſtellt, und den geſellſchaftlichen verwirft; nur aber, wenn man Beides verbindet, kann man die wahre Vermittelung der Gegenſätze erreichen. Die Theilung der Arbeit hat nur die Entwürdigung des Arbeiters hervorgebracht; deshalb wird die Arbeit in der Ma- ſchine und in der Werkſtatt wieder zuſammengefaßt. Die Maſchine hat nur Sklaven erzeugt, und die Werkſtatt nur Lohndiener; des- halb hat ſich die Concurrenz entzündet. Die Concurrenz hat das Monopol geboren; deshalb hat der Staat Steuern verordnet, und dem Capital einen Abzug auferlegt. Der Staat iſt für die Pro- letarier eine neue Knechtſchaft geworden, weil die Steuern gerade ſie am meiſten drücken; deshalb iſt geſagt worden: Reichen ſich die Arbeiter von Einem Volke zum andern die Hand. Und nun ſind es die Ausbeutenden, die ſich von allen Enden wider die Ausgebeuteten die Hand reichen. Wäre der Werth aller Erzeug- niſſe wie das Geld beſtimmt, ſo wäre die Staatswirthſchaft im Zuſtande der Vollkommenheit; jeder würde für ſeine Waare im- mer die bekommen, durch welche er ſeine Bedürfniſſe befriedigen kann. Um die Macht des Geldes zu brechen, muß ſein Weſen verallgemeinert werden. Das geſchieht durch den Credit, wel- cher mit Hülfe und nach dem Vorbilde des Geldes alle noch ſchwankenden Werthe feſtſtellen will, und ſo jedem Arbeiter Geld verſchafft. Jm Credit kehrt die Geſellſchaft von der Lehre der Abſatzwege wieder in ſich ſelbſt zurück, um dort das Gleichge- wicht von Erzeugung und Verzehrung zu ſuchen. Es ſpricht ſich ein allgemeines Verlangen nach Creditanſtalten für die Arbeit aus. Der Credit iſt die vorweggenommene Verwirklichung des Abſatzes, die Gliederung des Abſatzes im Jnnern. Der Credit ſoll dem trägen Werth Umlauf verſchaffen, indem der Capitaliſt dem Arbeiter einen Geldvorſchuß gegen Hinterlegung der Waare giebt. So wird das Geld jedermann zugänglich, indem die un- verkaufte Waare, wie eine verkaufte, den angenommenen Kauf- preis als Münze in die Hände des Arbeiters legt. Durch Bank-

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Zitationshilfe: Michelet, Karl Ludwig: Die Lösung der gesellschaftlichen Frage. Frankfurt (Oder) u. a., 1849, S. 58. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/michelet_loesung_1849/68>, abgerufen am 24.11.2024.