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Michelet, Karl Ludwig: Die Lösung der gesellschaftlichen Frage. Frankfurt (Oder) u. a., 1849.

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schreiten. Ohne diesen Angriff hätten sie den Beschluß vielleicht
nicht gefaßt; so bereitet sich das unrechtmäßige Verfahren immer
selbst den Anstoß, den es beseitigen möchte. Die Versammlung
aber hatte ein Jnteresse, sich nicht einschüchtern zu lassen. Man
hatte sie nach der Hauptstadt des Brennus,

-- der in der rohen Zeit
Legte seinen eh'rnen Degen
Jn die Wage der Gerechtigkeit,

schicken wollen, damit sie auch der Schein einer Einschüchterung
nicht treffe. Sie hat gezeigt, daß sie auch der wirklichen Ein-
schüchterung männlich Widerstand zu leisten vermöge. Mit blas-
sen Wangen wichen die Krieger zurück. Sie hat ein Heer von
50,000 Soldaten aus dem Felde geschlagen. Die Geschichte wird
zwischen ihr und dem Ministerium Brandenburg entscheiden!
Und wenn die Minister vor den Wahlen gegen die Abgeordneten,
welche ihren Beschlüssen auch Wirklichkeit durch die letzte An-
sprache an das Volk geben wollten, die Anklage auf Hochverrath
anzustellen Miene machten, so hätten sie bedenken sollen, daß sie sich
selber damit vor die Schranken des Gerichts stellten, da eine Frei-
sprechung Jener ihre Verurtheilung wäre. Für eine bloße Wahl-
schwenkung scheint mir die Sache zu gefährlich! Und wenn, dem
Anschein nach, mit der gerichtlichen Verfolgung, nachdem die
neue Volksvertretung bereits tagt, dennoch vorgeschritten wird, so
scheint mir dies noch gefährlicher zu sein.

Mit jenem Glanzpunkt der Versammlung schlug nichtsdesto-
weniger die öffentliche Stimmung gegen dieselbe um, und zwar,
weil die Minister ein unter dem verfassungsmäßigen Königthum
Frankreichs sehr abgenutztes Mittel gebrauchten, die Gefahr fürs
Ministerium in eine Gefahr für die Krone zu verwandeln. Die
Schritte der Versammlung wurden in Flugschriften von hundert
Tausenden von Abzügen so dargestellt, als wolle sie den Freistaat
einführen, und als stürze sie das ganze Land in Aufruhr. Die
Minister brauchten nur als wahre Vaterlandsfreunde abzutreten
und der so vielfach ausgesprochenen Stimme des Landes zu fol-
gen. Ja, sie mußten, nachdem sie gesetzmäßig angeklagt waren,
das richterliche Urtheil fordern, damit die durch sie vertretenen
Worte der Krone vom 11. November, worin dieselbe "ein guter

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ſchreiten. Ohne dieſen Angriff hätten ſie den Beſchluß vielleicht
nicht gefaßt; ſo bereitet ſich das unrechtmäßige Verfahren immer
ſelbſt den Anſtoß, den es beſeitigen möchte. Die Verſammlung
aber hatte ein Jntereſſe, ſich nicht einſchüchtern zu laſſen. Man
hatte ſie nach der Hauptſtadt des Brennus,

— der in der rohen Zeit
Legte ſeinen eh’rnen Degen
Jn die Wage der Gerechtigkeit,

ſchicken wollen, damit ſie auch der Schein einer Einſchüchterung
nicht treffe. Sie hat gezeigt, daß ſie auch der wirklichen Ein-
ſchüchterung männlich Widerſtand zu leiſten vermöge. Mit blaſ-
ſen Wangen wichen die Krieger zurück. Sie hat ein Heer von
50,000 Soldaten aus dem Felde geſchlagen. Die Geſchichte wird
zwiſchen ihr und dem Miniſterium Brandenburg entſcheiden!
Und wenn die Miniſter vor den Wahlen gegen die Abgeordneten,
welche ihren Beſchlüſſen auch Wirklichkeit durch die letzte An-
ſprache an das Volk geben wollten, die Anklage auf Hochverrath
anzuſtellen Miene machten, ſo hätten ſie bedenken ſollen, daß ſie ſich
ſelber damit vor die Schranken des Gerichts ſtellten, da eine Frei-
ſprechung Jener ihre Verurtheilung wäre. Für eine bloße Wahl-
ſchwenkung ſcheint mir die Sache zu gefährlich! Und wenn, dem
Anſchein nach, mit der gerichtlichen Verfolgung, nachdem die
neue Volksvertretung bereits tagt, dennoch vorgeſchritten wird, ſo
ſcheint mir dies noch gefährlicher zu ſein.

Mit jenem Glanzpunkt der Verſammlung ſchlug nichtsdeſto-
weniger die öffentliche Stimmung gegen dieſelbe um, und zwar,
weil die Miniſter ein unter dem verfaſſungsmäßigen Königthum
Frankreichs ſehr abgenutztes Mittel gebrauchten, die Gefahr fürs
Miniſterium in eine Gefahr für die Krone zu verwandeln. Die
Schritte der Verſammlung wurden in Flugſchriften von hundert
Tauſenden von Abzügen ſo dargeſtellt, als wolle ſie den Freiſtaat
einführen, und als ſtürze ſie das ganze Land in Aufruhr. Die
Miniſter brauchten nur als wahre Vaterlandsfreunde abzutreten
und der ſo vielfach ausgeſprochenen Stimme des Landes zu fol-
gen. Ja, ſie mußten, nachdem ſie geſetzmäßig angeklagt waren,
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[19/0029] ſchreiten. Ohne dieſen Angriff hätten ſie den Beſchluß vielleicht nicht gefaßt; ſo bereitet ſich das unrechtmäßige Verfahren immer ſelbſt den Anſtoß, den es beſeitigen möchte. Die Verſammlung aber hatte ein Jntereſſe, ſich nicht einſchüchtern zu laſſen. Man hatte ſie nach der Hauptſtadt des Brennus, — der in der rohen Zeit Legte ſeinen eh’rnen Degen Jn die Wage der Gerechtigkeit, ſchicken wollen, damit ſie auch der Schein einer Einſchüchterung nicht treffe. Sie hat gezeigt, daß ſie auch der wirklichen Ein- ſchüchterung männlich Widerſtand zu leiſten vermöge. Mit blaſ- ſen Wangen wichen die Krieger zurück. Sie hat ein Heer von 50,000 Soldaten aus dem Felde geſchlagen. Die Geſchichte wird zwiſchen ihr und dem Miniſterium Brandenburg entſcheiden! Und wenn die Miniſter vor den Wahlen gegen die Abgeordneten, welche ihren Beſchlüſſen auch Wirklichkeit durch die letzte An- ſprache an das Volk geben wollten, die Anklage auf Hochverrath anzuſtellen Miene machten, ſo hätten ſie bedenken ſollen, daß ſie ſich ſelber damit vor die Schranken des Gerichts ſtellten, da eine Frei- ſprechung Jener ihre Verurtheilung wäre. Für eine bloße Wahl- ſchwenkung ſcheint mir die Sache zu gefährlich! Und wenn, dem Anſchein nach, mit der gerichtlichen Verfolgung, nachdem die neue Volksvertretung bereits tagt, dennoch vorgeſchritten wird, ſo ſcheint mir dies noch gefährlicher zu ſein. Mit jenem Glanzpunkt der Verſammlung ſchlug nichtsdeſto- weniger die öffentliche Stimmung gegen dieſelbe um, und zwar, weil die Miniſter ein unter dem verfaſſungsmäßigen Königthum Frankreichs ſehr abgenutztes Mittel gebrauchten, die Gefahr fürs Miniſterium in eine Gefahr für die Krone zu verwandeln. Die Schritte der Verſammlung wurden in Flugſchriften von hundert Tauſenden von Abzügen ſo dargeſtellt, als wolle ſie den Freiſtaat einführen, und als ſtürze ſie das ganze Land in Aufruhr. Die Miniſter brauchten nur als wahre Vaterlandsfreunde abzutreten und der ſo vielfach ausgeſprochenen Stimme des Landes zu fol- gen. Ja, ſie mußten, nachdem ſie geſetzmäßig angeklagt waren, das richterliche Urtheil fordern, damit die durch ſie vertretenen Worte der Krone vom 11. November, worin dieſelbe „ein guter 2*

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Zitationshilfe: Michelet, Karl Ludwig: Die Lösung der gesellschaftlichen Frage. Frankfurt (Oder) u. a., 1849, S. 19. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/michelet_loesung_1849/29>, abgerufen am 24.11.2024.